Kein Gewinn für Bosnien-Herzegowina

Die EU wird Ende 2004 die Nato in Bosnien-Herzegowina ablösen – und die schweizer Armee will dabei sein.

Die Schweiz will dabei sein – weil sie neue Auslandeinsätze sucht und den Anschluss an die Euroarmee nicht verpassen will. Doch für Bosnien-Herzegowina sind Schweizer Soldaten kein Gewinn. 

«Die Entsendung von schweizerischen Armeeangehörigen ermöglicht (…) einen wertvollen Wissens- und Erfahrungsgewinn zugunsten der militärischen Friedensförderung». So begründet das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) die Schweizer Beteiligung an der Schutztruppe European Union Force (EUFOR) in Bosnien-Herzegownia. Das Parlament wird im Herbst über diesen neuen Auslandeinsatz der Schweizer Armee befinden.

Der Nato-Gipfel in Istanbul hat am 29. Juni 2004 die langjährigen Bestrebungen des «Hohen Vertreters für die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der EU», Javier Solana, formell abgesegnet: Ende 2004 wird die von der EU geführte EUFOR die Nato-Truppe SFOR in Bosnien-Herzegowina ablösen. Rund 7000 Soldaten sollen dann unter britischem Kommando «für ein sicheres Umfeld in Bosinen und Herzegowina sorgen». Die EU sieht die neue Aufgabe als einen weiteren Schritt beim Aufbau eigenständiger militärischer Handlungsfähigkeit. Nach den Operationen CONCORDIA in Mazedonien ( 350 Militärpersonen) und der Operation ARTEMIS in Kongo (1800 Militärpersonen), ist die EUFOR in Bosnien-Herzegowina ein paar Schuhnummern grösser. Und die EU braucht dringend konkrete Einsätze, um die im Rahmen der Verfassung bekräftigte Militarisierung sowie die ehrgeizigen Aufrüstungsvorgaben umsetzen zu können.

In der Schweiz: Funkstille seit 2001

Im neuen Armeeleitbild der Schweiz nehmen Auslandeinsätze einen zentralen Stellenwert ein. Kein Wunder: In der zweiten Hälfte der neunziger Jahren hatte sich im VBS die Position durchgesetzt, dass weder Landesverteidigung noch subsidiäre Einsätze zugunsten der zivilen Behörde eine sicherheitspolitisch relevante Aufgabe für die Armee darstellen. Entsprechend wurden die internationale Zusammenarbeit forciert und das neue Militärgesetz sollte diese sicherheitspolitische Perspektive absichern. Doch obwohl das Militärgesetz in der Referendumsabstimmung gegen den Widerstand der friedenspolitischen Linken angenommen wurde, war die Perspektive einer verstärkten internationalen Kooperation in den vergangen Jahren blockiert (“>siehe hier). Es kam trotz den gesetzlichen Möglichkeiten nach 2001 zu keinen wesentlichen zusätzlichen Auslandeinsätzen. Gelegenheiten hätte es gegeben: Die Uno startete jeweils für ihre Missionen in East-Timor (2002), Liberia (2003), Elfenbeinküste (2004), Haiti (2004) sowie Burundi (2004) Anfragen an die Mitgliedstaaten.

Die Missionen, an denen aktuell Schweizer Militärs – in der Regel bewaffnet – beteiligt sind, datieren mit einer Ausnahme von vor der Gesetzesänderung 2001. Einzig für die (Nato-) Mission in Afghanistan bewilligte der Bundesrat den Einsatz von vier Verbindungsoffizieren. Die Begründung war wortwörtlich identisch «Die Entsendung von einsatzerfahrenen Schweizer Offizieren ermöglicht einen weiteren Wissens- und Erfahrungsaustausch zugunsten unserer militärischen Friedensförderung».

Jetzt endlich wieder Auslandeinsätze?

Nun wollen Armee und Bundsrat mit der vorgeschlagenen Beteiligung an der EUFOR gleich zwei Fliegen auf einen Schlag treffen. Erstens sollen wieder neue Auslandseinsätze, die über Einzelpersonen hinausgehen, möglich werden. Zweitens will die Schweiz nach der Zusammenarbeit mit der Nato nun auch im praktischen Einsatz Interoperabilität mit der neu entstehenden EU-Armee üben. Konkret will die Schweiz mit maximal zwanzig Armeeangehörigen – vier Stabsoffiziere und zwei «Liaison and Observation Teams», bestehend aus je acht Armeeangehörigen, an der EUFOR teilnehmen. Die Kosten für diesen Einsatz sollen 5,4 Millionen Franken betragen.

Der Einsatz der Schweiz ist – obwohl er quantitativ begrenzt ist – aus verschiedenen Gründen falsch: Erstens ist der Bedarf in Bosnien vor allem im zivilen Bereich eklatant. Nach wie vor liegt der wirtschaftliche Aufbau weit zurück und die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure täte Not. Wenn die Schweiz also für 5,4 Millionen Franken Soldaten nach Bosnien schickt und gleichzeitig die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit kürzt, orientiert sie sich am Bedarf der Schweizer Armee im Legitimationsnotstand und nicht am Bedarf der Menschen vor Ort. Zweitens ist eine Annäherung der Schweiz an die EU-Armee genauso falsch, wie eine Annäherung an die Nato. Beide betreiben eine Sicherheitspolitik, die sich einseitig an den Interessen der reichen Staaten im Norden und Westen orientiert. Und drittens steht der EUFOR-Einsatz unter dem Kommando Grossbritanniens, das im Irak an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligt war (und nach wie vor ist).

Das Parlament wird im Herbst über den Bosnien-Einsatz der Schweizer Armee befinden. Entscheidend werden dabei unter anderem die Stimmen der sozialdemokratischen NationalrätInnen sein. Und auf sie zählt auch die Schweizer Armeespitze auf ihrer Suche nach neuen Aufgaben – hoffentlich zu Unrecht.