Von Moskau gesteuert, von Tigers unterwandert

Seit 30 Jahren wird die GSoA schlecht gemacht. Was für haarsträubende Vorwürfe dabei auftauchen, ist vor allem bezeichnend für das Weltbild und das Demokratieverständnis ihrer Absender.

Wer den Ungeist nacherleben will, der in den 1980er Jahren gegen die GSoA wehte, der mache einen Abstecher auf die Homepage der Gruppe «Giardino»: Am 15. Juli 2012 schrieb beispielsweise ein gewisser M.E.: «Schön sich unter echten Schweizern zu fühlen, und noch schöner ist, keiner dieser verdammten trittbrettfahrenden Volksverhetzer/verräter von der GSOA zu sein! (…) sie werden nämlich durch ihr ewiges subversives Tun definitiv zum Sicherheitsrisiko. Die Frage ist hier nur: will denn wirklich niemand reagieren? Ich denke eben, dass es eines jeden echten Eidgenossen heilige Pflicht ist, diese Bande mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bis aufs Äusserste zu bekämpfen und auch zu zerstören. (…) Diese Subjekte werden nämlich wenigstens teilweise ferngesteuert, früher hätte man wohl ‚unterwandert‘ gesagt.»

Der wichtigste Unterschied zu den 80er Jahren liegt darin, dass damals die Frage «will denn wirklich niemand reagieren?» nicht gestellt wurde. Auf allen Ebenen, über Zeitschriften, in Leserbriefen, auf der Strasse, vor den Truppen, an historischen Anlässen, aber auch über behördliche Bewilligungsverweigerungen und Berufsverbote wurde auf die GSoA im zitierten Sinne «reagiert».

«Der wahre Hintergrund»
Der heute für die Beschaffung neuer Kampfjets besonders rührige Hans-Ulrich Helfer veröffentlichte im Sommer 1988 eine Broschüre mit dem Titel «Wer steckt hinter der ‚Schweiz ohne Armee‘?» Gemäss dem ehemaligen Staatsschützer haben die SAP und deren Jugendorganisation, die RSJ, im Rahmen der IV. Internationale «in kontinuierlicher Kleinarbeit» die GSoA gleichsam unterwandert. «Auf ihrem Weg zum angestrebten Sozialismus ist die Schweizer Armee (…) ein Hindernis, das sie beseitigen wollen.» Da ich allen drei Organisationen angehört hatte, kann ich bestätigen, dass wir als einzige Partei die GSoA aktiv unterstützt hatten. Allerdings dürfte es schwierig sein, mit einer Unterstützung durch eine antistalinistische Organisation irgendwelche Moskauhörigkeit zu beweisen.

Am 23. September 1988 schrieb der FDP-Nationalrat Ernst Cincera in der «Schweizerzeit»: «Sie (die GSoA-InitiantInnen) verfolgen deutlich den internationalistischen Kurs der kommunistischen Weltbewegung, nachzulesen in den auch in deutscher Sprache veröffentlichten Anleitungen und Weisungen der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU. Durch Verharmlosung, eine kontinuierliche, wirkungsvolle Medienarbeit und gekonntes Umsetzen der Ziele in die schweizerische Alltagspolitik wird der wahre Hintergrund der Initiative geschickt vertuscht und getarnt.» Später wurde der legendäre Subversivenjäger im Zofinger Tagblatt vom 21.4.1989 konkreter: «Ein wesentlicher Teil der heutigen Strategie wickelt sich über den Weltfriedensrat ab (…). In den Rahmen des Schweizerischen Friedensrates ist auch die jetzige Armeeabschaffungsinitiative zu stellen.» Die Absurdität dieser Theorie zeigt sich allein im Umstand, dass sowohl die mit dem moskautreuen Weltfriedensrat verbundene «Schweizerische Friedensbewegung» als auch der von ihm getrennte «Schweizerische Friedensrat» die Lancierung der Volksinitiative für eine Schweiz ohne Armee abgelehnt hatten.

«Hartnäckig und stur»
In der Nationalratsdebatte vom Dezember 1988 zur GSoA-Initiative waren ganz ähnliche Töne zu hören gewesen. Der Zürcher SVPler Ulrich Graf bezeichnete die Initiative als «scheinheilig, dümmlich, ja landesverräterisch» und die InitiantInnen als «extreme Spinner». Sein Aargauer Parteikollege Reinhard Müller pflichtete bei: Eine Abschaffung der Armee wäre «Verrat an unserem Vaterland». Der FDP-Sprecher Willy Loretan meinte, die Initiative gehöre zu den «Bestrebungen, zentrale Grundlagen unseres Staates zu zerstören.» Der «Schweizer Soldat» vom Dezember 1988 machte nach der Erwähnung der «kommunistischen Friedensoffensive» unter Gorbatschow folgenden Hinweis: «Über auffällig viel Geld scheinen die Gegner einer wirkungsvollen Landesverteidigung nachweisbar zu verfügen.» Die Neue Zürcher Zeitung sah die GSoAtInnen noch im Sommer 1989 in einem Inland-Kommentar ganz ähnlich wie Hans-Ulrich Helfer: «Sie verfolgen hartnäckig und stur ihre langfristige Strategie, deren höchstes Ziel die Abschaffung der Armee und das Sturmreifmachen des bürgerlichen Staates ist.» Seit dem Abstimmungserfolg vom 26. November 1989 hörte man solche Rundumschläge viel seltener.

Diffamierung bis heute
Die «Schweizerzeit» – sie verfolgt die GSoA seit 30 Jahren -, veröffentliche immer wieder Angriffe auf die GSoA. Divisionär Eugen Hofmeister nannte am 21. April 2007 deren Mitglieder an der Delegiertenversammlung des Schweizer Schiesssportverbandes in Pratteln «linke Wühlmäuse». Der Bundesrat mochte sich davon nicht distanzieren.

Eine der bösartigsten Unterstellungen, welche in den letzten 30 Jahren gegen die GSoA lanciert wurde, lautete: «Die GSoA wird von den Tamil Tigers unterwandert.» Lanciert wurde sie unter anderem gegenüber einer Zeitung im November 2010 von Mitgliedern einer mehrheitlich in Zürich wohnhaften, aber in Zug wirkenden Gruppe. Die gleiche Behauptung betraf auch die Schweizer Jusos und die Zuger Alternativen. Weil die Unterstellungen zu absurd waren, erschien dann kein Artikel, obwohl die Arbeiten daran schon fortgeschritten waren. Sie zielten ausdrücklich auf den damaligen Juso-Präsidenten Cédric Wermuth und auf den damaligen Nationalrat Jo Lang. Der Zeitpunkt, ein knappes Jahr vor den Nationalratswahlen, war, wie spätere Vorfälle zeigten, nicht zufällig gewählt.

Diese Verunglimpfung, die GSoA sei von Militanten unterwandert, reiht sich ein in die früheren Unterstellungen, sie sei «landesverräterisch», «unschweizerisch», «staatsfeindlich» und «von Moskau gesteuert».

Hanspeter Uster war von 1991 bis 2006 Vorsteher der Zuger Sicherheitsdirektion