Armeekritik wird mehrheitsfähig

Am 18. Mai verlor die Armee zum ersten Mal in der Geschichte eine rein militärpolitische Vorlage. Mehr als 53% der Stimmenden sagten Nein zu 22 neuen Kampfjets. Auch wenn die Konsequenzen der Abstimmung noch nicht komplett absehbar sind – das Nein vom 18. Mai wird einen Abdruck in der Geschichte der Armeepolitik hinterlassen.

«Die GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) hat die beste Armee der Welt in einer offenen Volksabstimmung geschlagen.» Diese Worte schrieb Peter Bodenmann in seiner Kolumne vom 28. Mai in der Weltwoche. Wer hätte das zu prophezeien gewagt, als wir am 8. Oktober 2013 die Unterschriftensammlung für das Referendum offiziell starteten?

Die GSoA hält ihr Wort – die Strategiegeht auf

Zur Lancierung des Gripen-Referendumsschrieben wir im Editorial der GSoA-Zeitung, dass «mit dem Start des Gripen-Referendums die GSoA Wort hält» und die Bevölkerung auch nach dem Rückzug der Kampfjet-Moratoriums-Initiative über die Beschaffung neuer Kampfjets abstimmen könne. Dass es über-haupt zu einem Referendum gekommen ist, ist der Verdienst der GSoA. Am 13. November 2010 entschied die ausser-ordentliche Vollversammlung der GSoA, die Kampfjet-Moratoriums-Initiative zurückzuziehen. Der Bundesrat hatte im Sommer 2010entschieden, auf den Kauf neuer Kampfjets bis 2020 zu verzichten. Der Inhalt der Initiative war damit erfüllt. Gleichzeitig versprach die GSoA eine Abstimmung möglich zu machen, falls es das Parlament nicht beim Entscheid des Bundesrates belassen sollte.

Der lange – aber richtige – Weg zum Abstimmungserfolg

Der Rückzug der Kampfjet-Initiative war ein wichtiger strategischer Schritt auf dem Weg zum Referendum und damit zum Abstimmungserfolg. SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer, Mitglied des Initiativkomitees gegen neue Kampfjets, gestand in ihrer spontanen Rede am Abstimmungssonntag, dass sie selbstgezweifelt habe, als die GSoA zum Rückzug der Initiative blies. Nun aber, am 18. Mai, nach der erfolgreichen Sammelphase und nach einemintensiven Abstimmungskampf, lobte Susanne Leutenegger-Oberholzer die GSoA für ihre Weitsicht und ihr strategisches Kalkül. Denn eines hat der Abstimmungssonntag leider auch gezeigt: Hätten wir über eine Initiative abgestimmt, wäre diese am Ständemehr gescheitert. Nur 12 Kantone sprachen sich gegen den Gripen aus und 14 knapp dafür. Dadurch, dass nun über ein Referendum, bei dem kein Ständemehr nötig ist, und nicht über eine Initiative abgestimmt wurde, hat es uns zum Sieg gereicht.

Grosser Erfolg für die Friedensorganisation – nicht nur in der Schweiz

Der Sieg am 18. Mai ist ein grosser Erfolg für die antimilitaristische Politik der GSoA in der Schweiz. Doch auch für Europa ist das Zeichen, das die Stimmbevölkerung abgegeben hat, wichtig und kommt zur richtigen Zeit. Die innenpolitische Krise in der Ukraine ist längst zum Vorwand für die Militärplaner der EU und der Nato geworden, die Mitglieder zur Aufstockung ihrer Armeebudgets zu drängen und die militärische Aufrüstung voranzutreiben. In einer Zeit, in der die Rüstungs-lobbyisten und Militärstrategen bereits das grosse Geld riechen, ist es umso wichtiger, dass die Stimme der Bevölkerung dieser Angstmacherei nicht gefolgt ist, und Nein gesagt hat. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die GSoA nach der Abstimmung viele Reaktionen von verschiedenen Friedensorganisationen aus Europa erhalten hat, welche uns gratulierten und die Strahlkraft dieses Abstimmungserfolgsbetonten.

Armeekritik wird mehrheitsfähig – keine Frage

Es war amüsant, die Meldungen der Pressenach dem Abstimmungssonntag zu lesen. Schon am Tag nach der Abstimmung wurden aus den grössten Einpeitschern für den Gripen verständnisvolle Journalisten, welche die Armee kritisierten. Noch vor der Abstimmung titelten gewisse Zeitungen: «Ja zur Armee, Ja zum Gripen.» Nach ihrer Niederlage wurde daraus plötzlich: «Das Nein zum Gripen ist kein Nein zur Armee.» Es schien plötzlich klar zu sein, dass die Armeekritisiert werden kann, ohne sie gleich gesamt-haft in Frage zu stellen. Damit war auf einmalklar, dass die Rhetorik «für uns oder gegen uns», welche die Armee seit mehr als 60 Jahre propagiert, nicht mehr funktioniert. Die Arbeit der GSoA hat sich ausgezahlt. Das Kritisieren von überrissenen Rüstungsprojekten, das In-fragestellen der Armeedoktrin und die Kritik an der Armee ist mehrheitsfähig geworden. Dennoch wäre es verfehlt zu denken, dass das Nein zum Gripen der erste Schritt zur Ab-schaffung der Armee wäre. Am 18. Mai haben wir «nur» dafür gesorgt, dass Armeekritikmehrheitsfähig wird. Mit einer soliden Abstimmungskampagne, die nicht in irgendwelchen PR-Büros entstanden ist, sondern von vielen fleissigen AktivistInnen getragen wurde, haben wir es geschafft, dass unsere Kritik von einer Mehrheit der Stimmberechtigten gehört und verstanden wurde.

Wie geht es weiter?

Im Abstimmungskampf hörte man öfters kritische Stimmen, die sagten, dass es nichts bringe, gegen ein Rüstungsprojekt zu kämpfen. Wenn der Gripen nicht komme, gebe die Armee das Geld halt sonst für einen Blödsinn aus. Diese Stimmen sind seit Ende Mai verhallt, als der Bundesrat bekannt gegeben hat, dass das VBS auf die Gripen-Gelder bis 2016 verzichten muss – das sind immerhin insgesamt 800 Millionen Franken. In der gleichen Mitteilung hält der Bundesrat aber auch fest, dass ab 2016 das 5-Milliarden-Budget für die Armee selbst mit dem Gripen-Nein nicht vom Tisch ist. Diese Gripen-Gelder gehören aber der Bevölkerung und nicht der Armee.

, ,