Sinkende Exportzahlen?

Die im Juli veröffentlichten Halbjahreszahlen der Kriegsmaterialexporte sind tiefer als in den Vorjahren. Doch kommende Grossaufträge werden die Zahlen wieder nach oben treiben. Und trotz minimalsten Nachkontrollen werden gelieferte Waffen weiterhin in den falschen Händen landen.

Schweizer Unternehmen haben im ersten Halbjahr 2017 für 167 Million Franken Kriegsmaterial ins Ausland exportiert. Im vergangenen Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt bereits 224 Millionen, im Jahr 2015 216 Millionen. Die Zahlen werden der Rüstungsindustrie in ihren Klageliedern Auftrieb verleihen, wonach der Bundesrat viel zu strenge Richtlinien anwenden würde, was den Export von Waffen in Krisenregionen anbelangt. So wandten sich schon Anfang 2016 VertreterInnen der Rüstungsindustrie in einem offenen Brief mit der Bitte an den Bundesrat, Schweizer Arbeitsplätze doch lieber vor die Menschenleben in Nahost zu stellen.

Grosse Waffendeals in der Pipeline

Die nun veröffentlichten Zahlen stellen jedoch keinen langfristigen Trend hin zu weniger Kriegsmaterialexporten dar. Die Schweizerische Rüstungsindustrie profitiert immer noch von der globalen Rüstungskonjunktur seit Anfang der 2000er Jahre (vgl. Grafik). Ausserdem erhält sie regelmässig Grossaufträge. So wird beispielsweise der Export von 309 Piranha-5-Radpanzern der Firma Mowag in Kreuzlingen die kommenden Zahlen nach oben treiben. Dänemark hat den 600 Millionen Franken-Deal bereits bestätigt. Ironischerweise sagte der Mowag-Chef Oliver Dürr in einem Interview, welches in den Zeitraum des Klagebriefs der Rüstungsindustrie an den Bundesrat fällt: «Seit dem Aufflammen der Krisen in der Ukraine und im Mittleren Osten und der Terrorgefahr in Europa hat der Wind punkto Verteidigungsausgaben jedoch wieder klar gedreht.» Offensichtlich agiert die Rüstungslobby in ihren Jammerbriefen wider die Faktenlage, um noch bessere Bedingungen für die Lieferung von tödlichem Material ins Ausland
herauszuholen.

Fragwürdige Rolle des Staatssekretariates

Allzu oft wird von staatlicher Seite im Bereich Kriegsmaterialexport kommuniziert, dass Waffen nur unter strengen regulatorischen Auflagen ins Ausland exportiert werden und die Schweiz in diesem Bereich eine vorbildliche Rolle einnehme. Doch neben allfällig illegalen Mauscheleien sind vor allem auch die offiziellen Instrumente, welche verhindern sollen, dass Waffen bei Terrorgruppen oder autoritären Machthabern landen, problematisch. Zwar existieren Nicht-Wieder-Ausfuhrerklärungen (NWAE), mit welchen sich das Empfängerland verpflichtet, die Waffen nicht weiterzuliefern. Schaut man sich jedoch genau an, wie oft dieses Instrument eingesetzt wird, stellt man Erschreckendes fest: In den Jahren 2013 und 2014 wurden 90% aller Exportbewilligungen ohne NWAE erteilt, im Jahr 2015 60%. Ein Grossteil der Schweizer Kriegsmaterialexporte werden also ohne NWAE ins Ausland bewilligt. Als neueste Kontrollmassnahme soll mit Hilfe von Post-Shipment-Verifications (PSV) überprüft werden, ob mit den gelieferten Waffen Menschenrechte verletzt wurden oder ob sie in die falschen Hände gerieten. In der Realität wurden seit dem Jahr 2013 bei gerade einmal 15 Exporten solche Verfahren im Nachhinein angewandt. Zudem nützt manchmal nicht einmal die Kontrolle etwas: Letztes Jahr wurde bekannt, dass 800 Schweizer Sturmgewehre in einem spanischen Hafen beschlagnahmt wurden. Diese Waffen wurden eigentlich nach Ghana geliefert und hätten nicht wieder ausgeliefert werden dürfen. Noch im Jahr 2015 überprüfte das Seco im Rahmen einer PSV, ob die Waffen noch vor Ort waren. Falls solche Massnahmen etwas bewirken sollen, müssten sie viel regelmässiger und wiederholt am gleichen Ort durchgeführt werden.

Schlussendlich bleibt klar: Für einmal tiefe Exportzahlen täuschen nicht darüber hinweg, dass die Schweiz weiterhin eine führende Waffenexportnation bleibt und dass der Staat wenig unternimmt, um Skandale mit Schweizer Waffen effektiv zu verhindern.