Zivildienst als Sündenbock für die Sinnkrise der Armee

Die Rekrutierungsprobleme der Armee sind keine Neuheit. Anstatt sich grundlegende Fragen zu Sinn, Zweck und Aufgabe des Militärs zu machen, wird aber auf dem Zivildienst rumgehackt, um ihn möglichst unattraktiv zu machen. Die bürgerlichen PolitikerInnen sind dabei federführend.

«Hau den Zivi» betitelte der Tagesanzeiger Mitte Juni einen Bericht über die geplanten Änderungen im Zivildienstgesetz. Man hätte es nicht besser formulieren können. Die Armee sieht ihre Bestände gefährdet und braucht einen Sündenbock, um den Grund für die Abgänge ja nicht bei sich selbst suchen zu müssen. Und wer bietet sich besser an als die Zivis,
diese unpatriotischen Warmduscher, die aus purer Faulheit den Weg des geringsten Widerstands suchen und sich für eine 1,5-mal längere Dienstzeit verpflichten. Immer wenn weniger RekrutInnen ihre Diensttage im Militär absitzen wollen, muss man den Zugang zum Zivildienst verschlechtern, damit die Motivation innerhalb der Armee steigt. So die Logik
des Militärs. Das dies die beste Lösung für das Sinnproblem der Armee sei, davon liess sich offenbar auch das Parlament überzeugen: Neu sollen Dienstpflichtige, die nach Beginn der RS in den Zivildienst wechseln möchten, nur noch die Hälfte der bereits geleisteten Diensttage anrechnen lassen können.

Dienst in der Armee überzeugt nicht mehr

Ein Hauptargument der BefürworterInnen dieser Änderung ist der Verlust an aufgewendeten Ausbildungs- und Ausrüstungskosten, wenn RekrutInnen nach vollendeter RS direkt in den Zivildienst wechseln. Dass eine nicht eingesetzte Ausbildung tatsächlich ein ökonomischer Verlust ist, kann kaum abgestritten werden. Wenn die Armee es aber nicht schafft, in den 18 Wochen Rekrutenschule den SoldatInnen zu zeigen, dass im Militär aufgewendete Zeit entweder wichtig genug für sie selbst oder aber wichtig genug für die Gesellschaft ist, muss das Problem nicht beim Zivildienst gesucht werden. Die AbgängerInnen nehmen heute schon freiwillig eine 1,5 mal längere Dienstzeit in Kauf.

Tatsächliche Leistung für die Gesellschaft messen

Auch wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Dienstpflicht vor allem für die Gewährleistung der Sicherheit auf den Plan gerufen wurde und nicht in einen Sozialdienst umgewandelt werden könne. Dass ein funktionierendes Sozialsystem fundamental ist für eine sichere Gesellschaft wird dabei vergessen. Zudem muss stark hinterfragt werden, ob die Armee mit ihren Panzern und 40km-Märschen tatsächlich bereit wäre, auf die heutigen Gefahren wie Terrorismus, Cyberattacken oder Atomunfälle zu reagieren. Eine starke Armee kann eben nicht nur daran gemessen werden, wie viel Leute sie beschäftigt oder wie viel pro Jahr in Immobilien und Rüstung investiert wird, sondern an den Leistungen, die sie tatsächlich bringen kann. Volksfeste aufbauen, wie beispielsweise seit 2009 regelmässig das Basel Tattoo, mag zwar hilfreich sein, wieso genau man dafür aber eine militärische Ausbildung braucht, bleibt schleierhaft. Die Budgetverschleuderung fängt nicht dort an, wo Rekruten vom Militär- in den Zivildienst wechseln. Sie beginnt bereits bei der Idee, dass Panzerhaubitzen und Biwakieren tatsächlich auf irgendeine Art zur Stabilisierung der Sicherheit beitragen.

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