Gegen Bomben aus Ost und West

Russland führt Krieg in Tschetschenien. Russland darf das, die Nato hats ja schliesslich auch gemacht. Und nach dem Kosov@-Feldzug fehlt den westlichen PolitikerInnen die moralische Legitimation für lautstarken Protest. In verschiedenen Schweizer Städten war die GSoA an Kundgebungen gegen den Krieg beteiligt

Seit Ende September 1999 führt die russische Armee einen verbrecherischen Krieg gegen die Bevölkerung der Tschetschenischen Republik Itschkeria. Wie schon zwischen 1994 und 1996, als der Krieg gegen Tschetschenien mindestens 30’000 zivile Opfer forderte, wird diese Aggression im Westen weitgehend emotionslos hingenommen. Wo bleibt die internationale Verantwortung und die Solidarität, von der im Moment im Departement Ogi im Zusammenhang mit der Rolle der Schweiz so häufig die Rede ist?

Schon während des ersten Tschet-schenienkrieges praktizierten die westlichen Staaten «business as usual»: Zweistellige Milliardenbeträge wurden zur Stabilisierung der Regierung Jelzin eingesetzt. Bekanntermassen ist ein grosser Teil dieses Geldes nie bei der russischen Bevölkerung angekommen. Die Hoffnung, mit immensen Krediten marktwirtschaftliche Reformen zu befördern oder zumindest die post-sowjetische Gesellschaft zu stabilisieren, hat sich nicht erfüllt. Heute muss gefragt werden, ob hierdurch nicht die Korruption einer kleinen politischen Elite belohnt und der Druck zu politischen Reformen gemildert worden ist. Der erneute Krieg muss zum Anlass genommen werden, die blinde Fortschreibung der Subventionspolitik zu beenden, durch die der Westen alle Handlungsoptionen bedingungslos mit der Regierung Jelzin verknüpft hat. Speziell zu thematisieren ist die Politik der Schweizer Banken, die in den letzten zehn Jahren zum Fluchthafen für diese Gelder und zum Anlageort für die russische Bürokratie und Mafia wurden.

GSoA-Resolution an der VV

Die GSoA hat an ihrer Vollversammlung im November eine Erklärung verabschiedet, welche den sofortigen Stopp aller militärischen Aktionen sowie den Rückzug der russischen Truppen aus der Tschetschenischen Republik Itschkeria verlangte. Die GSoA forderte die OSZE-Staaten auf, gemeinsam mit Russland nach einer zivilen Lösung des Tschetschenienkonfliktes zu suchen und die Finanzhilfen an Moskau bis zum Ende der Kampfhandlungen einzustellen. Von den Schweizer Banken verlangte die Resolution, dass diese nicht länger als sicherer Hort für russisches Fluchtkapital fungieren dürfen, sondern Druck machen müssten, damit die der russischen Bevölkerung entzogenen Mittel tatsächlich zur Entwicklung des Landes eingesetzt werden können.

… und Aktionen auf der Strasse

Die GSoA liess es nicht bei der Resolution bewenden und organisierte in verschiedenen Städten mit weiteren Organisationen Aktionen, Kundgebungen und Mahnwachen gegen den Krieg in Tschetschenien. Die GSoA Genf rief dreimal zu einer Kundgebung auf: Im November und Dezember beteiligten sich je 50 Personen an zwei Protestpikets vor der russischen Fluggesellschaft Aeroflot und der russischen Niederlassung bei den Vereinten Nationen. Im Dezember kamen 200 Menschen zu einer Demonstration in der Genfer Innenstadt. Die Genfer GSoA veranstaltete im November auch eine Konferenz mit dem Journalisten und Kaukasus-Kenner Vicken Cheterian.

In Zug organisierte die GSoA gemeinsam mit der Sozialistischen Grünen Alternative im Januar eine Mahnwache auf dem Landsgemeindeplatz. Dabei wurde auf die enge Verknüpfung des Zuger Finanzplatzes mit der russischen Geschäftswelt hingewiesen. In Basel verteilten GSoA-AktivistInnen über Tausend Flugblätter gegen den Krieg. Die GSoA Bern rief zu einer Mahnwache vor der russischen Botschaft auf. 50 Personen beteiligten sich an der Aktion. In einem offenen Brief unterstützte über die Hälfte der Mitglieder des Berner Stadtparlamentes die Mahnwache und forderte die Russische Regierung auf, die Kämpfe gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung sofort einzustellen.

Wir sind uns bewusst: Diese Aktionen werden den Krieg der Russischen Regierung ebenso wenig beenden, wie die verschiedenen Protestaktionen gegen den Nato-Krieg die Bombardements stoppen konnten. Dennoch ist es wichtig, dass wir von der Schweizer Regierung immer wieder einen grösseren Beitrag zur zivilen Konfliktbearbeitung einfordern, dass wir das bundesrätliche Gerede von «Solidarität» und «Verantwortung» entlarven, und dass wir der Remilitarisierung der internationalen Konfliktpolitik beharrlich Widerstand leisten – unabhängig davon, ob die Bomben aus dem Westen oder aus dem Osten fallen.