Handgranaten zum Frühstück!

Schiessplätze verursachen Lärm und stören Anwohner. Darum müssen die Betreiber der «zivilen» Schiessanlagen ihre Plätze bis am 31. März 2002 an die Belastungsgrenzwerte der Lärmschutzverordnung (LSV) anpassen. Dies gilt nicht für die militärischen Anlagen

Wenn pünktlich um acht Uhr morgens die ersten Schüsse über den Weiler Langnau bei Reiden hallen, weiss die Anwohnerin Anette Müller(1), welche Stunde geschlagen hat. Ihr Haus steht in unmittelbarer Nähe zum Schiessplatz Wanne, einem der acht Militärschiessplätze im Kanton Luzern. Jedes Jahr werden auf dem Gelände 250’000 Schuss Sturmgewehrmunition und 5000 Pistolenschüsse verpulvert sowie 1300 Handgranaten gezündet. Und dies von Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 22.00 Uhr (Freitag 8.00 bis 16.00 Uhr), in den Sommermonaten sogar bis 23.00 Uhr in der Nacht. «Ich und viele andere AnwohnerInnen sind verzweifelt», sagt Frau Müller, «oft genug ist bei Schiessübungen eine verbale Unterhaltung nicht mehr möglich. Der Lärm übertönt ganz einfach die gesprochenen Worte. Zudem müssen ständig alle Fenster geschlossen sein, auch in der Sommerhitze. Wo bleibt da unsere Lebensqualität?»


Grenzwerte gelten nicht für die Armee

Solche Fragen zu stellen macht unbeliebt. «Bei der Gemeinde nimmt man mich gar nicht mehr ernst», beklagt sich Frau Müller, «und wenn ich mich bei der zuständigen Militärstelle beschwere, versucht man mich wortreich zu beschwichtigen. Ich weiss nicht mehr, was ich tun soll.» Der zuständige Oberst im Generalstab des Kreiskommandos weigert sich zuerst, telefonisch Auskunft zu geben, erläutert dann aber detailliert die Notwendigkeit des Schiessplatzes. Der Schiessplatz werde von Rekruten-, Offiziers- und Unteroffiziers-schulen sowie Wiederholungskursen benutzt. Oft werde dabei auch von anderen Kantonen und Waffenplätzen auf den Schiessplatz Wanne ausgewichen. Nicht verzichten könne man aus militärischen Überlegungen zudem auf das Nachtschiessen. Dies, obwohl das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) in einer Stellungnahme zum Waffenplatz Wanne klipp und klar gefordert hat: «Im weiteren soll geprüft werden, ob nicht generell auf die Austragung von Nachtschiessen verzichtet werden kann. Ist dies nicht der Fall, so ist wenigstens in den Monaten Juni und Juli darauf zu verzichten.» Bleibt die Frage, wieviel solche Einwände des BUWAL beim VBS eigentlich gelten: Der Chef Militärisches Baubewilligungsverfahren beim VBS, Hr. Cianci: «Das BUWAL ist im Bereich Umweltschutz die Fachstelle des Bundes und demzufolge haben seine Stellungnahmen einen hohen Stellenwert. Das BUWAL hat aber bloss ein Antragsrecht. Liegen triftige Gründe vor, so können die Anträge des BUWAL auch nicht berücksichtigt werden. Und was den Lärm betrifft: Im Moment bestehen für militärische Schiess- und Übungsplätze keine Belastungsgrenzwerte, da die Lärmschutzverordnung des BUWAL keine Anwendung auf militärische Anlagen findet».
Darauf habe sich zwar, so Cianci, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des VBS und BUWAL gebildet, mit dem Ziel, Belastungsgrenzwerte auch für militärische Bauten in die Lärmschutzverordnung aufzunehmen. Bisher lieferte diese Arbeitsgruppe aber keine Resultate.


«Komitee militärfreies Langnau?»

Das VBS kann also den Militärschiessplatz Langnau weiter nach eigenen provisorischen Grenzwerten beurteilen, die zudem nur Empfehlungen sind und sich nicht auf die Lärmschutzverordnung des BUWAL abstützen. Dabei gilt nach «Sachplan 98» weiterhin: «Lärmkonflikte werden fallweise behandelt». Diese Situation sorgt bei den AnwohnerInnen für Unmut. Sie fühlen sich alleingelassen und hilflos. Und manch einer hat über die Lärmbelästigung zu einer neuen Einstellung dem Militär gegenüber gefunden. Wie Frau Müller sagt, sei in Gesprächen unter Einwohnern schon verschiedentlich die Idee eines «Komitee militärfreies Langnau» aufgetaucht…