Beschwörungen helfen nichts

Wenn die GSoA ihre neuen Initiativen nicht lanciert, gewinnt nur die Armee. Die Gesellschaft hat ein Interesse daran, dass die Debatte über die Neuausrichtung unserer Sicherheitspolitik möglichst breit geführt wird • Von Roland Brunner

Was haben wir mit neuen Initiativen zu gewinnen? Diese Fragen haben wir im Editorial der letzten GSoA-Zitig gestellt - und die Frage war ehrlich gemeint. Die ‹Jahresstudie Sicherheit› der Militärischen Führungsschule an der ETH Zürich behauptet, die Zustimmung zur Notwendigkeit einer Schweizer Armee habe nach einem Tiefpunkt 1996 nun die 70%-Schwelle wieder überschritten. Auch die «wehrtragende Altersgruppe der 20- bis 29jährigen sagt mehrheitlich ja zur Armee (58% gegenüber 49% im Vorjahr.» (Allgemeine Schweizerische Militärzeitung ASMZ 9/1997).

Seit ihrer Schlappe von 1989 bastelt die Armee mit enormem personellem und finanziellem Aufwand daran herum, sich eine neue gesellschaftliche Legitimation zu verschaffen. Bei allen Rückschlägen mit Skandalen kann der Einsatz von Tausenden voll beamteter Armeebefürwortern ja nicht ganz ohne Folgen bleiben. Es hilft uns nichts, gegen diese Bestrebungen einen GSoA-Mythos zu beschwören. Die alte-neue Armee mit ihrer neuen-alten Legitimation muss heute und immer wieder hinterfragt und mit Alternativen konfrontiert werden. Das Abstimmungsresultat von 1989 verhindert heute kein einziges Waffengeschäft, keine Rüstungsbeschaffung, keine Modernisierungspläne der Armee. Nur das Projekt, diese Armee erneut der gesellschaftlichen Diskussion auszusetzen, hält den Druck aufrecht, die Armee in die Schranken der Zeit zu weisen.

Gerade weil sich die Schweiz und die Welt seit 1989 verändert haben, wollen wir die Frage nach dem militärischen Unsinn erneut stellen. «Die Schweiz, der wir diese Frage stellen wollen, hat sich verändert - mehr noch als ihre Armee», stellten wir in der letzten GSoA-Zitig fest. Das Problem ist nur: Sie hat das noch nicht gemerkt und es braucht wohl immer wieder unsere Anstrengungen, dieser Schweiz zu zeigen, dass sie mehr sein kann als der Abklatsch und Aufwisch von gestern.

Am GSoA-Seminar ‹Frieden geht uns alle an› vom 20./21. September wurde einmal mehr deutlich, dass wir der militärischen Männer-Machbarkeits-Ideologie entgegentreten müssen, die den Einsatz für den Frieden zu einer Aufgabe bewaffneter ‹Friedensschaffer› erklärt. In Frieden leben können heisst, gewaltfrei mit bestehenden Konflikten umgehen zu lernen. Es heisst, mit Konflikten leben können, das eigene Gewaltverhalten zu durchdenken und ein sozial verträgliches Verhalten zu entwickeln. Es heisst, den Frieden zu einer Angelegenheit aller EinwohnerInnen und BürgerInnen zu machen. Es heisst, Wege der Kooperation statt der Konfrontation zu suchen - im privaten Leben, im gesellschaftlichen Alltag, aber auch in der internationalen Politik.

Wohl kein anderes Land der Welt bringt durch seine Geschichte so gute Voraussetzungen mit, diesen Lernprozess auch zur offiziellen Politik zu machen. Gerade weil die Schweizer Armee noch viel offensichtlicher sinnlos ist als all die anderen Armeen, könnten wir auf den humanitären Traditionen der Schweiz aufbauend die Schweiz von morgen als solidarisches Land in einem immer enger verknüpften Umfeld gestalten. Wenn es uns gelingt, diesen Prozess des Gestaltens mit Tausenden von BürgerInnen gemeinsam zu betreiben, dann haben wir unser höchstes Ziel erreicht: die Politik nicht der Armee und der Regierung zu überlassen, sondern die Verantwortung für die Zukunft dieses Landes selber wahrzunehmen.

Die Armee steht dieser Schweiz von morgen im Weg. Schaffen wir sie ab und zeigen wir, dass es für dieses Land sinnvolleres zu tun gibt. Besser gemeinsam sicher als einsam verteidigt.