Ausgeknobelt

Von Renate Schoch und Nico Lutz • In drei Jahren sind aus vielen Ideen zwei konkrete Initiativtexte geworden. Die GSoA-Vollversammlung wird nun entscheiden.

Sicherheit statt Verteidigung:
Die Armee wird abgeschafft. Zivile Behörden übernehmen ihre zivilen Aufgaben. Über eine allfällige bewaffnete Beteiligung an internationalen Friedensbemühungen müsste die Bevölkerung erneut abstimmen.

Solidarität schafft Sicherheit:
Der ZFD leistet im In- und Ausland einen Beitrag zum Abbau von Gewaltverhältnissen. Eine Grundausbildung für friedliche Konfliktbearbeitung steht allen offen. Auf Anfrage und in Zusammenarbeit mit lokalen Basisorganisationen steht der ZFD für Menschenrechtsarbeit, sozialen Wiederaufbau und die Unterstützung lokaler Friedensbemühungen zur Verfügung. Frauen-, entwicklungs-, umwelt- und migrationspolitische Organisationen gestalten den ZFD mit.

Diskussionen um Initiativtexte sind nicht einfach. Am Anfang stehen eine Vielzahl von Ideen, Vorstellungen, Visionen und Utopien. Und am Schluss steht ein trockener Text, der so lange und komplex ist, dass der Weg zwischen Briefkasten und der Haustür nicht ausreicht, um ihn in all seinen Absichten zu verstehen. Und immer noch bleiben Fragen, die in den Texten nicht oder nur allgemein geregelt sind.

Ein Verfassungsartikel soll in möglichst wenigen Sätzen eine Idee skizzieren und für zukünftige Entwicklungen offen bleiben. Gleichzeitig soll er starke Leitplanken setzen, verbindlich auf Umsetzungsmöglichkeiten verweisen und unerwünschte Interpretationen ausschliessen. Jeden Satz der beiden Initiativen haben wir daher vor- und rückwärts diskutiert. Hinter praktisch jeder Formulierung steckt eine konkrete Absicht.

Die Initiativtexte, wie sie in dieser Zeitung abgedruckt sind, wurden an der GSoA-Koordination vom 11. Oktober zuhanden der Vollversammlung verabschiedet. Dort können letzte Korrekturen vorgenommen werden bevor - falls die VV dies beschliesst - die Initiativen im März 1998 lanciert werden.

Unterstützung wächst

Beide Initiativtexte haben sich während all den Diskussionen immer wieder verändert. An Vollversammlungen wurden Änderungen verlangt, die Kritik von feministischer Seite ist eingeflossen, und wir haben aus Erfahrungen von befreundeten Friedensgruppen aus dem In- und Ausland gelernt. In Organisationen und Parteien hat die Ausarbeitung der beiden GSoA-Initiativen eine Diskussion ausgelöst. Bereits steht die Unterstützung der Jeunesse Etudiante Chrétienne Suisse, des Grünen Bündnis Bern, der Grünen Baselbiet, des Service civil International und der Schweizerischen Friedensbewegung fest. Andere Gruppierungen werden nach dem Lancierungsbeschluss der GSoA einen Entscheid fällen.

Schweiz ohne Armee: in neuem Umfeld

Heute die gleiche Initiative wie 1985 zu lancieren, würde wenig Sinn machen. Die Forderung nach einer Schweiz ohne Armee steht in einem völlig veränderten Umfeld. Dem haben wir Rechnung getragen.

Unverändert ist der Grundsatz: Die Schweiz hat keine Armee. Neu sind hingegen die Absätze 2 und 3 des Artikels 17. Bezüglich einer - allenfalls auch bewaffneten - Beteiligung an internationalen Friedensmissionen haben wir uns auf folgendes geeinigt: Wir fordern keinesfalls bewaffnete Interventionen. Gleichzeitig wollen wir auch nicht für alle Zeit ausschliessen, dass etwa ein demokratischere UNO Zwangsmittel für die Durchsetzung allgemein anerkannter Grundrechte erhält. Sollten der Bund oder andere politische Kreise je eine bewaffnete Beteiligung an internationalen Friedensmissionen vorschlagen, müsste aber wiederum das Volk darüber entscheiden.

Wir fordern weiter, dass die zivilen Aufgaben, die sich die Armee zunehmend unter den Nagel reisst, von den zivilen Behörden übernommen werden. Gegenüber der GSoA-Initiative aus den achtziger Jahren ist auch der Artikel 18 neu hinzugekommen. Darin definieren wir die Grundsätze für eine friedliche Sicherheitspolitik. Darunter verstehen wir nicht nur eine solidarische Aussenpolitik, sondern ebenso gerechte Beziehungen zwischen Geschlechtern und sozialen Gruppen.

Freiwilliger Ziviler Friedensdienst: Beitrag gegen die Ohnmacht

Die GSoA-Initiative, über die 1989 abgestimmt wurde, fordert auch eine ‹umfassend Friedenspolitik›. Eine umfassende Friedenspolitik - das bedeutet gleichzeitig alles und nichts. Während wir im oben erwähnten Artikel 18 der neuen Initiative «Sicherheit statt Verteidigung: Für eine Schweiz ohne Armee» die Grundsätze für eine gerechtere und friedlichere Politik umschreiben, schlagen wir in der zweiten Initiative «Solidarität schafft Sicherheit» einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD) vor.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir gehen nicht davon aus, dass der ZFD die Lösung für sämtliche Probleme und also die Konkretisierung einer umfassenden Friedenspolitik darstellt. Aber der ZFD ist ein konkreter Vorschlag für eine gewaltfreiere Konfliktbearbeitung. Wir wollen die Idee stärken, dass nicht Armeen und Gewalt Konflikte lösen, sondern ein beharrliches, langfristiges und ziviles Engagement von BürgerInnen. Friede und Sicherheit dürfen nicht zu einer Armeeaufgabe verkommen, wie es die Militärstrategen doch so gerne hätten; sie können nur ein politisches und gesellschaftliches Projekt sein. Dafür wollen wir uns mit dieser Initiative einsetzen.