Für freie Forschung und Lehre

Bevor eine Waffe abgefeuert werden kann, muss sie erst einmal jemand entwickeln. Umfangreiche Tests sind notwendig, bevor eine neue Waffentechnologie in Serie gehen kann und Rüstungsfirmen die Waffen für die Armeen und Sicherheitsdienste dieser Welt produzieren können. Oftmals sind in die Entwicklung neuer Waffentechnologien auch Hochschulen involviert.

Forschung für den Krieg und das Militär

Bekannt ist die Rüstungsforschung insbesondere aus den USA, jedoch wird auch in der Schweiz Militärforschung durchgeführt. Auch Schweizer Hochschulen, seien das Universitäten, Fachhochschulen oder ETHs, forschen noch immer daran, wie Waffen noch tödlicher und Überwachung noch umfassender gestaltet werden kann. Dabei finanziert entweder die öffentliche Hand Forschungsprojekte, die militärische Fragestellungen und Ziele haben, oder Rüstungsfirmen oder Armeestellen geben die Forschungsprojekte gleich direkt in Auftrag. Die AuftraggeberInnen und ForscherInnen verteidigen solche Forschung oftmals mit der verfassungsmässig garantierten Freiheit von Forschung und Lehre. Die Forschungsfreiheit ist ein hohes Gut, und ohne sie ist eine kritische und produktive Wissenschaft undenkbar.

Jedoch muss sich jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler bewusst sein, was für einen Einfluss ihre Forschung auf die Gesellschaft, und welchen Einfluss die Gesellschaft auf ihre Forschung hat. Hochschulen sind Teil der Gesellschaft, und nicht völlig losgelöst von ihr. Als Teil der Gesellschaft sind auch Hochschulen von den sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte betroffen. So sind sie heute mehr als je auf Drittmittel angewiesen, da die öffentliche Hand sich immer weiter aus der Finanzierung der Hochschulen zurückzieht. Konkret bedeutet das, dass private Unternehmen und Individuen einen immer grösseren Teil des Budgets von Hochschulen finanzieren, womit sie einen stetig steigenden Einfluss auf die akademische Forschung und Lehre erhalten.

Das Problem: Rüstungsforschung im Auftrag des Militärs

Gleichzeitig ist das Ausmass an Fremdfinanzierung zu einem wichtigen Indikator akademischer Leistung geworden, was das Interesse der Forschenden und Lehrenden an Drittmitteln unabhängig der Herkunft des Geldes erhöht. WissenschaftlerInnen können heute nicht mehr unabhängig von der stetigen Suche nach Finanzierung forschen, und sie werden dazu angehalten, immer mehr Drittmittel zu akquirieren. Dadurch, dass die unabhängige Finanzierung von Hochschulen und Forschung immer weiter zurückgeht, nimmt auch die Freiheit von Forschung und Lehre immer weiter ab.

Zudem schaffen Kriege und bewaffnete Konflikte einen weltweit wachsenden Markt für Militär- und Rüstungsgüter. Die militärische Nutzung von Wissenschaft und technischer Entwicklung ist eine wichtige Dimension des Wettrüstens. Der Rüstungswettlauf wird heute weniger in der Anzahl der Waffen als in ihrer technologischen Überlegenheit ausgetragen. Betroffen sind neben natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen auch die Sozialwissenschaften.

Die Situation in der Schweiz

Auch an Schweizer Hochschulen gibt es diverse militärische Forschungsprojekte. Hier einige Beispiele des stetig wachsenden Forschungsbereichs:

  • Ende 2013 wurde bekannt, dass das Zentrum für Strukturtechnologie der ETH Zürich vom European Office of Aerospace Research & Development (EOARD), dem europäischen Ableger der Wissenschaftsabteilung der US Air Force, 200’000 Dollar erhielt. Die US Luftwaffe finanziert den Grossteil einer Doktorandenstelle für die Erforschung von verbesserten Flügelmodellen. Diese Modelle werden auch für die Weiterentwicklung von Flügeln von Kampfjets oder von Rotorblättern von Militärhelikoptern nutzbar sein. Die ETH musste zugeben, dass diese Forschung von der US-Luftwaffe finanziert ist, und durchaus auch für den militärischen Bereich von Interesse sein könnte. Die US-Luftwaffe ist in ihrer Kommunikation weniger zurückhaltend. Sie schreibt offen, dass sie sich von dieser Art von Forschungsförderung einen Nutzen für die US-amerikanische Kriegsführung erhofft.Die ETH Zürich ist also direkt an Militär- und Rüstungsforschung beteiligt. Auch wenn die ETH die zivilen Einsatzbereiche dieser Forschung betont, so zeigt die Herkunft der Finanzierung klar, worauf die Forschung hinausläuft: noch leistungsfähigere Kampfjets für die US-Luftwaffe, entwickelt mithilfe einer Schweizer Hochschule.
  • Auch an der grössten Schweizer Universität wird fleissig Rüstungsforschung betrieben. Finanziert vom Pentagon führte ein Team der Universität Zürich bis 2013 ein Forschungsprojekt über die effiziente Suche in grossen Datenmengen durch. Insgesamt 80’000 Franken der Projektkosten übernahm dabei das Pentagon. Besonders brisant ist dabei, dass dem Pentagon auch die National Security Agency (NSA) untersteht.Forschende der Universität Zürich waren also daran beteiligt, für den berüchtigten Überwachungs- und Spähdienst nutzbare Forschung zu betreiben. Auch wenn ein Mitverfasser der Studie den Aspekt der Grundlagenforschung in den Vordergrund rückte, so gibt er doch zu, dass Geheimdienste die Forschungsresultate nutzen könnten. Auch die Universität Zürich beteiligt sich also an Militär- und Rüstungsforschung, direkt finanziert durch das Pentagon.
  • Die grösste Fachhochschule der Deutschschweiz, die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), ist ebenfalls an Militär- und Rüstungsforschung beteiligt. Ein internes Papier des Schweizer Verteidigungsdepartements zeigt, dass unter anderem die ZHAW in das Forschungsprojekt 6 der armasuisse zu militärischen Robotern involviert ist. Ein Partner des Projekts ist unter anderem die Nato. Bei dem von der bundeseigenen Waffenschmiede RUAG geleiteten Projekt ist die ZHAW zentral daran beteiligt, solche militärische Roboter mit einem beliebigen Payload auszustatten. Dies ist insbesondere brisant, wenn im selben Papier davon gesprochen wird, dass sich solche Militärroboter auch selbst schützen können sollen. Sie werden denn auch als strategische, betriebliche und taktische Einsatzmittel betrachtet.
Auch sonst kooperiert die ZHAW eng mit der armasuisse. Zahlreiche Forschungsprojekte sind aktuell im Gang oder bereits abgeschlossen, unter anderem, um „BürgerInnen zur Mitverantwortung“ und so näher an die Armee hinzuführen.

Welche Art von Forschung wollen wir?

Diverse Schweizer Hochschulen sind an Militär- und Rüstungsforschung beteiligt. Die Instrumentalisierung von Schweizer Hochschulen für militärische Zwecke ist Bestandteil einer Politik, die auf militärische Interventionen und Krieg statt auf zivile Konfliktlösung setzt. Hochschulen und Forschung können entweder im Dienste des Friedens stehen, oder für kriegerische und militärische Zwecke missbraucht werden. Es stellt sich also die Frage, was eine freiheitliche und friedliche Gesellschaft von ihren Hochschulen erwartet. Sollen sie für den Frieden und zivile Lösungen für alle Lebensbereiche forschen, oder sich am Rüstungswettlauf um immer tödlichere Waffen beteiligen?

Wir sind der Überzeugung, dass WissenschaftlerInnen ihre Verantwortung wahrnehmen müssen und ihre Intelligenz und Arbeit für das gesamtgesellschaftliche Weiterkommen einsetzen sollen. Hochschulen und Wissenschaft sollen im Dienste des Friedens stehen und auf die zivile und friedliche Lösung von gesamtgesellschaftlichen Problemen ausgerichtet sein, nicht auf die Entwicklung von noch tödlicheren Waffen und noch umfassenderer Überwachung.

Die Lösung: eine Zivilklausel

Aus diesem Grund wollen wir an den Schweizer Hochschulen eine Zivilklausel einführen. Die Zivilklausel bedeutet, dass die Bildungsinstitutionen jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischem Ziel ablehnen. Militärforschung und Kooperationen mit der Armee oder der Rüstungsindustrie sind grundsätzlich verboten. Damit wollen wir die Hochschulen zu einer Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung verpflichten, die zu einer friedlichen und zivilen Gesellschaftsentwicklung beiträgt. Die Zivilklausel ist ein wertvolles Mittel, die Wissenschaft an ihre Verantwortung für den Frieden zu erinnern.
Mehrere Hochschulen aus dem deutschsprachigen Raum wie beispielsweise die Technische Universität Berlin, die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main oder die Hochschule Bremen haben bereits seit langer Zeit eine Zivilklausel, oder haben diese in den letzten fünfzehn Jahren eingeführt. Diese Vorbilder zeigen, dass eine Zivilklausel gelebte Realität sein kann, und nicht bloss ein zu verfolgendes Ideal.
Heute ist der Anteil der Rüstungs- und Militärforschung in der Schweiz noch verhältnismässig gering. Es handelt sich lediglich um eine vergleichsweise kleine Anzahl von Projekten, und das Auftragsvolumen befindet in den allermeisten Fällen nicht im Millionenbereich.

Damit handelt es sich um einen Forschungsbereich, auf den die Schweiz verzichten kann, ohne deswegen auf eine grosse Zahl von Projekten und Geldgebern zu verzichten. Im Gegenteil: Eine Befreiung der Schweizer Hochschulen von Rüstungs- und Militärforschung ermöglicht es, dass mit einer Zivilklausel mehr Potential für zukunftsträchtige zivile Forschungsbereiche vorhanden ist.
Zivilklauseln bringen in der Realität auch spezifische Herausforderungen mit sich: Wie kann beispielsweise Militär- und Rüstungsforschung im Einzelfall von grundsätzlich ziviler, aber auch militärisch nutzbarer Forschung oder von gänzlich ziviler Forschung abgegrenzt werden? Solche Herausforderungen sind jedoch lösbar. Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative aus Berlin schlägt dazu Kriterien für folgende vier Aspekte vor:

  1. Geldgeber
  2. Thema, Forschungsziel und Methoden
  3. Veröffentlichungsbereitschaft
  4. Information von Beteiligten

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