GSoA-International-Tagung zum Zivilen Friedensdienst

Zivile Gegenvision

Von Renate Schoch

Die GSoA hat den Zivilen Friedensdienst (ZFD) nicht erfunden: Gewaltfreie Konfliktbearbeitung ist ein Thema für Friedensbewegte in vielen Ländern. Sechs von ihnen trafen sich am 22. März 97 mit der GSoA zu einem Gedankenaustausch in Bern.

An der GSoA-International-Tagung ging es sowohl um politische Konzepte der Friedensarbeit wie auch um Fragen der Ausgestaltung des ZFD. Das grosse Ausmass an Alltagsgewalt werde auf politischer Ebene nicht wahrgenommen, weil es nicht ins militärische Schema passe, kritisierte Roland Brunner (GSoA) in seiner Einleitung. Friedensarbeit finde vor dem Hintergrund omnipräsenter Gewalt statt, stellte Vesna Terselic (Antikriegs-Kampagne Zagreb) fest. Auf nationaler und internationaler Ebene werde am Mythos der Kontrollierbarkeit dieses Gewaltpotentials gestrickt. Dieser Mythos der Kontrollierbarkeit sei ein Mythos der Herrschenden, so Ueli Wildberger (Peace Brigades International), zu dem wir eine Gegenvision – die gewaltfreie Bearbeitung von Konflikten – entwickeln müssten. Der ZFD fördere den Friedensprozess von unten und stelle so die Logik der Regierungs-DiplomatInnen in Frage. Ziel jeder zivilen Intervention müsse die Ermächtigung von bisher Machtlosen zum selbstbestimmten Handels sein.

Kleine Schritte

Marco Tackenberg und Paolo Gilardi (beide GSoA) gaben zu bedenken, dass die Diskussion um den ZFD die strukturellen Ursachen von Gewalt nicht berühre. Wieso sollte beispielsweise ein Schweizer ZFD in Zaire vermitteln, während die Schweiz doch die kriminelle Plünderung des Landes durch seinen Diktator seit Jahrzehnten unterstütze, fragten sie.

Dies sei eine traditionelle linke Position, die es zu hinterfragen gelte, hielt ihnen Vesna Terselic entgegen. Die grossen Ideen von einer gerechten Welt dürften nicht der Realisierung kleiner Schritte im Weg stehen. Mit dem Angebot kleiner Schritte könne man die Menschen dazu bewegen, aktiv zu werden, und nur dies führe letztlich zu Veränderung. Hans Hartmann (GSoA) fügte dem bei, mit der Ermächtigung und Unterstützung von Menschen zur Einmischung in ihre eigenen Angelegenheiten würden Strukturen veränderbar. Die Chance des ZFDs bestehe darin, Spielräume für politisches Handeln für Lokale Gruppen auszuweiten. Die unvermittelte Trennung von Politik in «Ideologie» und «Struktur» sei nicht haltbar.

Qualität vor Quantität

In der Diskussion um die konkrete Ausgestaltung des ZFD erwiesen sich die Erfahrungen von Ueli Wildberger und Pete Hämmerle (Internationaler Versöhnungsbund, Wien) als sehr hilfreich. Wichtig sei die Frage, bei wem die Entscheidungsmacht für einzelne Mandate liege. Wer entscheidet, auf welche Anfragen um ZFD-Einsätze eingegangen wird? ZFD-Einsätze auf Anfrage von Nichtregierungsorganisationen müssten unbedingt möglich sein, denn Regierungen tendierten dazu, sich an den Betroffenen vorbei auf diplomatischer Ebene zu verständigen. Ausserdem sei es unnötig, eine Massenorganisation auf die Beine zu stellen; wenige, gut ausgebildete ZFD-Freiwillige könnten viel mehr in Gang bringen. Zu dieser Ausbildung gehöre beispielsweise, dass in jedem Einsatz klar sei, dass die Menschen im Konflikt ihre Bedürfnisse selber formulierten und der ZFD nicht die Arbeit von lokalen Nichtregierungsorganisationen übernehmen dürfe. Piero Maestri (Comitato Golfo, Mailand) wies darauf hin, dass ein ZFD nicht humanitären Aufgaben übernehmen dürfe, sondern friedensrelevante Funktionen erfüllen müsse.

Der projektbezogene Gedankenaustausch wird weitergeführt. Am 21./22. September findet ein Diskussionswochenende zu den Themen ‹Wem nützt welcher Friedensdienst› und ‹Grosse Probleme – kleiner Friedensdienst› statt. Nähere Infos dazu sind in der nächsten GSoA-Zitig zu finden. Vor der GSoA-Vollversammlung im kommenden November ist ein weiteres internationales Treffen geplant.