Alles oder nichts?

Beim Grünen Bündnis Luzern fand eine kontradiktorische Diskussion über die Lancierung der beiden neuen GSoA-Initiativen statt • Von Lukas Rohmer

Im Rahmen der bevorstehenden Entscheide über die Lancierung der beiden neuen GSoA-Initiativen sind auch interessierte Kreise ausserhalb der GSoA aufgerufen, Stellung zu den Projekten zu beziehen. Eine erfolgreiche Lancierung und Kampagne friedenspolitischer Vorhaben – das haben in letzter Zeit die Schwierigkeiten beim Sammeln für die Halbierungsinitiative und das ernüchternde Resultat der Waffenausfuhrverbotsinitiative gezeigt – ist mehr denn je auf breite aktive Unterstützung angewiesen. Die GSoA sucht daher seit längerer Zeit den Kontakt zu ‹artverwandten› Gruppierungen. Zwei Wochen vor der Vollversammlung soll zudem bei einem Treffen von NGO-Organisationen, an dem die GSoA ihre Initiativen vorstellen will, diesem Anliegen weiterer Platz eingeräumt werden.

Mehr oder weniger?

Das Grüne Bündnis Luzern hat an seiner Vollversammlung vom 28. Oktober mit einer Podiumsveranstaltung diese Debatte bereits aufgenommen. Dabei standen nicht die Fragen nach Sinn beziehungsweise Unsinn von Armee und Zivilem Friedensdienst zur Debatte, sondern die Stellung der beiden Initiativen im zeitpolitischen Kontext. Als Kontrahenten traten die GSoAten Adrian Schmid vom Grünen Bündnis, der eine Lancierung der Initiativen ablehnt, und Nico Lutz als Verfechter der Projekte auf.

Die entscheidende Differenz der beiden Standpunkte bestand hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung einer Inititativlancierung auf die gegenwärtige sicherheitspolitische Diskussion. Unstrittig war, dass der zweite Anlauf zur Armeeabschaffung nicht dieselbe gesellschaftspolitische Sprengkraft haben wird wie in den achtziger Jahren, als mit der Armee die politische Identität der Schweiz insgesamt in Frage gestellt wurde. Nico Lutz vertrat den Standpunkt, dass die Initiativen dennoch einen wichtigen Lernprozess auslösen können. In in der aktuellen Situation, in der Armeen sich neu legitimieren müssen und dabei grösseren Einfluss auf zivilem Gebiet anstreben, muss, so Lutz, diesem Vorhaben Widerstand entgegengesetzt werden. Andernfalls werden sicherheitspolitische Konzepte weiterhin fern von den eigentlich wichtigen Fragestellungen diskutiert.

Adrian Schmid dagegen bezweifelt, dass mit den Initiativprojekten nochmals eine sicherheitspolitische Diskussion mit dem Tiefgang der ersten GSoA-Initiative verwirklicht werden kann. Er befürchtet sogar einen kontraproduktiven Effekt für die Friedenspolitik und eine Gefährdung der erreichten Fortschritte. Die Frage der Gewalt sei heute weniger auf militärischer als auf ökonomischer Ebene aktuell. Dem trügen die neuen Projekte zu wenig Rechnung.

Neue Stossrichtung

Mein Fazit der Luzerner Veranstaltung: Die Diskussion über Sicherheit darf nicht von militaristischem Gedankengut geprägt sein. Alternativen müssen öffentlich gedacht werden, damit die wirklichen Bedürfnisse erkannt und langfristig wirkende Lösungen gesucht werden können. Die Initiative für eine Schweiz ohne Armee leistet hier einen wichtigen Beitrag, und mit der Initiative für den ZFD besteht ein Vorschlag, der unseren Sicherheitsforderungen auf dem Gebiet der Konfliktbewältigung – in Abgrenzung zu militärischen Befriedungsphantasien – ein konkretes Gesicht gibt.

Die neuen Initiativen zielen also auf ganz anderes ab als das erste GSoA-Begehren. Es ist deshalb auch müssig, ständig den Vergleich mit vergangenen Erfolgen zu suchen und auf den unwiederholbaren Tabubruch, auf 35,6 Prozent Ja-Stimmenanteil, Armeereform, Zivildienst und so weiter zu verweisen. Zweifellos wurde viel erreicht. Doch das wird durch neue Diskussionen nicht in Frage gestellt werden, denn diese werden sich um neue Inhalte drehen.

Sicher werden die Initiativen nicht das ganze Gebiet der Sicherheitspolitik abdecken können. Gerade deshalb ist es aber wichtig, die Ansatzpunkte, die die Projekte bieten, konstruktiv zu nutzen und so das gesellschaftliche Gespräch über Sicherheit und Frieden voranzubringen.