riedbad.gif (86346 Byte) ‹Gewaltfreie Konfliktintervention› - was ist das eigentlich, und kann man das selber lernen? Man kann. Man kann es versuchen. Lesen Sie selbst.

Zivile Konfliktbearbeitung

Und wie bitte geht das konkret?

Weder Friedenspfadi noch Gewissensberuhigung, sondern Ansätze einer zivilen Friedens- und Sicherheitspolitik, das will die GSoA mit dem freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD). «Und wie bitte geht das konkret?» fragten wir uns an einem Workshop zwischen Weihnachten und Neujahr im verschneiten Emmental ï Von Nico Lutz

Mit ihrer Initiative ‹Solidarität schafft Sicherheit› fordert die GSoA einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst. Das klingt gut. Doch vielen Menschen fehlt eine konkrete Vorstellung, was hinter diesen schönen Worten steckt. Darum sehen wir uns bisweilen mit dem Vorwurf ‹Friedenspfadi› oder ‹Alibiübung› konfrontiert. Unsere Forderung nach einem freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD) zielt jedoch darauf hin, mehr Raum für eine zivile Sicherheitspolitik zu schaffen, die auf gesellschaftliche Solidarität anstatt auf schnelles militärisches Eingreifen abstellt.

Gefährliche Phantasien

Gesellschaftliche und politische Konflikte haben sich seit dem Ende des Kalten Krieges nicht in Luft aufgelöst. Die sich globalisierende Wirtschaft, die der (nationalen) Politik die Zügel zunehmend aus der Hand nimmt, zementiert alte Ungleichgewichte und schafft neue Ungerechtigkeiten. Auch wenn wir es uns noch so wünschen: Das dritte Jahrtausend wird nicht von alleine ein Zeitalter des Friedens. Die Armeen, die mit massiven Legitimationsproblemen kämpfen, versuchen ihre einfache Antwort auf die neuen alten Konflikte zu geben: «Wir Armeen schaffen Frieden und Sicherheit weltweit. Wenn es irgendwo auf der Welt ein Problem gibt, fahren wir hin und es lösen es.» Sicherheit und Frieden als Resultat chirurgischer militärischer Eingriffe? Internationale Solidarität mit dem Sturmgewehr? Dieser untauglichen und gefährlichen Phantasie der Militärs wollen wir die Vision einer solidarischen Sicherheitspolitik entgegensetzen. Und neben einer gerechteren Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik ist der ZFD ein Element dieser Antwort.

Wie sieht zivile Konfliktbearbeitung konkret aus? Diese Frage haben sich sieben Frauen und sechs Männer zwischen Weihnachten und Neujahr in Riedbad, zuhinterst im Emmental gestellt. Begleitet wurde der GSoA-Workshop von Renate Wanie und Uli Wohland von der Werkstatt für gewaltfreie Aktion im deutschen Heidelberg.

Friedliche Schweiz?

Die Wahrnehmung ‹hier Friede - dort Krieg› entspricht in keiner Weise der Wirklichkeit. Gewalt beispielsweise gegen Frauen oder AsylbewerberInnen ist bitterer Ernstfall auch in der Schweiz. In einem ersten Workshop-Teil haben wir uns deshalb mit innergesellschaftlichen Gewaltpotentialen beschäftigt. Am Anfang stand die Benennung von Gewaltverhältnissen in unserer Gesellschaft. Dabei interessierten nicht nur physische Gewalt, sondern auch strukturelle und kulturelle Gewaltverhältnisse. Dann ging es in Rollenspielen und Forumtheater darum, gemeinsam konkrete zivile Eingreifmöglichkeiten in alltäglichen Gewaltsituationen zu erarbeiten.

In diesem ersten Teil haben wir uns eine Vorstellung von Chancen und Möglichkeiten einer Grundausbildung in gewaltfreier Konfliktbearbeitung, wie wir sie in der ZFD-Initiative vorsehen, erarbeitet. Diese kann viel dazu beitragen, Menschen für Gewaltsituationen im Alltag zu sensibilisieren, ihnen das Gefühl und die Erfahrung der Machtlosigkeit gegenüber Gewalt zu nehmen und gewaltfreie, aber machtvolle Alternativen zu fördern.

Verantwortungsvoller Gewaltverzicht

Anschliessend setzten wir uns mit den theoretischen Grundlagen gewaltfreier Konfliktbearbeitung auseinander. Dazu nur ein paar Stichworte: Konflikte sind weder grundsätzlich schlecht, noch sind sie immer lösbar. Es geht vielmehr darum, Konflikte zu akzeptieren und den Umgang bzw. die Bearbeitung von Konflikten zu lernen. Dabei ist das simple Täter-Opfer-Muster oft nicht hilfreich. Konflikte stellen eine gemeinsame Herausforderung für alle Beteiligten dar. Wer nach dem Sieg/Niederlage-Prinzip Konfliktlösungen anstrebt, sorgt bestenfalls für eine zeitliche Verzögerung bis zur nächsten Eskalation.

In einem zweiten Teil des Workshops ging es um zwischengesellschaftliche Konflikte. Ausgangspunkt stellte die Betrachtung des ‹Konfliktbogens› dar. Bevor Konflikte in gewalttätige Auseinandersetzungen umschlagen, ist sehr viel schief gelaufen. Für jede vorangegangene Konfliktphase hätte es spezifische gewaltfreie Eingreifmöglichkeiten gegeben. Durch eine Unterstützung von unabhängigen Medien beispielsweise kann man staatlich geplanter Konflikteskalation eine Gegenöffentlichkeit entgegensetzen. Durch Mediationsverfahren oder positive Sanktionen, die an klare und für jede Konfliktpartei einzeln erfüllbare Bedingungen geknüpft sind (Einhaltung von Menschenrechten, Minderheitenschutz), können die Parteien an einen Tisch gebracht werden. Am kleinsten ist der Handlungsspielraum dann, wenn zivile Eingreifmöglichkeiten in den frühen Phasen verpasst wurden und Konflikte gewalttätig ausgetragen werden. Selbst dann bestehen aber noch verschiedene Möglichkeiten, beispielsweise mit gezielten Sanktionen und Boykotten die Konfliktparteien zu einer nichtmilitiärischen Lösung zu bewegen.

Viel Arbeit für den ZFD

In Arbeitsgruppen vertieften wir die verschiedenen Varianten ziviler Intervention. Wo besteht konkreter Handlungsspielraum für einen ZFD? Die meisten gewaltfreien Interventionsmöglichkeiten setzen ein Eingreifen auf zivilgesellschaftlicher und nicht nur auf staatlicher Ebene voraus. Die denkbaren Arbeitsmöglichkeiten für den ZFD sind entsprechend breit.

Im letzten Teil des Workshops erarbeiteten wir uns eine klarere Vorstellung davon, wo, wann, wie und zu welchen Bedingungen freiwillige Zivile Friedensdienste sinnvoll eingesetzt werden sollen. Die Herausforderung wird sein, unsere konkreten Vorstellungen in wenigen Sätzen auf den Punkt zu bringen, damit mehr Menschen bei den schönen Worten ‹freiwilliger Ziviler Friedensdienst› ein klares Bild vor Augen haben. Und das ist ñ darin waren wir uns einig ñ nicht ganz so einfach.