Die Irak-Krise und die Kommission Brunner

von Josef Lang Für welche Linie hätte sich die Studienkommission Brunner bei der jüngsten Irak-Krise entschieden? Für die des Pentagons oder für die der Uno?

Wer die Aussagen des Berichts zur «geostrategischen Lage» wörtlich nimmt, muss auf die harte Variante tippen:

«Es gibt heute nur noch eine einzige Supermacht: die Vereinigten Staaten von Amerika. Dieses Land schwankt zwischen seinem starken Bewusstsein der globalen Verantwortung und einem ebenso ausgeprägten Zögern, die Rolle eines internationalen Gendarmen zu übernehmen.» Die USA haben, laut Bericht, «gezeigt, dass nur sie den Willen und vor allem die militärischen Mittel haben, um bei regionalen Krisen eine entscheidende Rolle zu spielen. Diese auf den ersten Blick beruhigende Lage birgt aber auch Risiken: Die anderen westlichen Demokratien fühlen sich weniger verantwortlich, gegen die amerikanische Macht bildet sich Opposition, die sich gegen die von uns geteilten Werte wenden könnte.»

«Globale Verantwortung»

Der Interventionismus der USA wird gleichzeitig positiv gewürdigt und verharmlost. Das «Bewusstsein der globalen Verantwortung» ist ein Euphemismus für Kriegseinsätze. Angesichts solcher Szenarien und der Tausenden von Opfern - unter denen sich weder der Tyrann noch seine Helfershelfer befanden - des «Eingreifens in Kuweit» ist es zynisch, das saloppe Wort «Gendarme» zu gebrauchen. Vor allem wenn man weiss, dass die USA (neben Saddam Hussein) die Hauptverantwortung dafür tragen, dass der Wirtschaftsboykott einer Million Menschen, darunter 576'000 Kindern, das Leben gekostet hat. Aber wer sich dem para bellum verschrieben hat, dem sind Nato-Studien wichtiger als Unicef-Berichte.

«Entscheidende Rolle»

Tatsächlich haben die USA bei den «regionalen Krisen» des Nahen Ostens in den letzten Jahren eine «entscheidende Rolle» gespielt. Aber ist das so «beruhigend»? Die Neue Luzerner Zeitung zog in einer Analyse folgende Bilanz:

«Dass weite Kreise in der arabischen Welt Saddam ihre Sympathie bezeugen, verdeutlicht einen katastrophalen Fehlschlag amerikanischer und europäischer Politik. Den Einsatz für Demokratie, Menschenrechte, Freiheit und internationales Recht nimmt dem Abendland inzwischen kaum mehr jemand ab. Denn vielen Arabern erscheint das westliche Engagement für diese Werte als blosse Tarnung für das Streben nach ökonomischen Vorteilen und Macht; als moderne Variante des Kolonialismus. ... Die Hoffnung auf einen dauernden und gerechten Frieden zwischen Arabern und Israelis ... ist der Überzeugung gewichen, dass Washington im Bunde mit Israel nur darauf aus ist, der Region seinen Willen aufzuzwingen.»

«Geteilte Werte»

Die Frage ist nicht, ob die arabische Wahrnehmung in allen Punkten zutrifft. Der springende Punkt ist, dass die Politik der USA kulturelle Gräben aufreisst und die Fundamentalismen stärkt. Und diese Politik wird von der Kommission begrüsst und ideologisch abgesegnet - mit «den von uns geteilten Werten» (wie seinerzeit im Vietnamkrieg). Aber was sind diese «Werte»? Die Waffen, mit denen man Saddam in den 80er Jahren gegen den Iran aufgerüstet hat? Die neoliberale Unterjochung der armen Völker unter das Diktat von IWF und Multis? - Der politische Liberalismus kann es nicht sein, wenn man die reale Politik anschaut.

Schlecht weg kommen bei der Kommission die «anderen westlichen Demokratien», die sich «weniger verantwortlich» zeigen könnten. «Verantwortlichkeit» ist in den Begriffen der Kommission eine Kategorie der Kriegsbereitschaft, nicht der Friedenspolitik. Vom ökologischen und sozialen Standpunkt aus gibt es kein Land, das dem Planeten und der Menschheit gegenüber derart verantwortungslos handelt wie die USA. Und damit Ursachen schafft für kriegsträchtige Konflikte.