Unser Chalet

Die GSoA-Zitigs-Redaktion, welcher ich als Layout-Verantwortlicher angehöre, hat beschlossen, dass für jenen LeserInnen, die noch mehr erfahren wollen, verunsichert sind oder gegegenüber dem neuen Layout Bedenken haben könnten, einige Überlegungen zumindest nicht schaden könnten.

Für die GSoA-Zitig entwickelte ich zusammen mit Martin Woodtli und Mark Kappeler (beide Grafiker) ein neues Zeitungskonzept. Wir wollten weg von dem klassischen Abfüll-Layout hin zu etwas Neuem, etwas Spannenderem, etwas, das wir noch nie gemacht hatten. Wir beschlossen, alle typographischen Angelegenheiten der Zeitung (Schrifttypus, Zeilenabstände, Anzahl Spalten… ) zu überdenken und modernere Kombinationen auszuprobieren. Das ganze sollte in ein Konzept eingebettet werden, welches die Veränderung als Hauptidee hat.

Wieso Veränderung? Ich arbeite viel mit Analogien. Ich sage z.B.: Die Welt verändert sich täglich, wieso soll sich nicht das Layout immer wieder verändern, weiterentwickeln (versuchsweise)?

Viele Dinge, die ich im täglichen Leben beobachte, übertrage ich auf die Gestaltung. Wenn ich eine Zeitung vor mir habe, stelle ich mir eine Stadt vor. Die kleinen Buchstaben werden zu BewohnerInnen dieser Zeitungstadt. Die GSoA-Zitig sah bis anhin aus wie eine zubetonierte Grossstadt (Textspalten/ Häuserblöcke neben Textspalten/ Häuserblöcken). Wer will den schon in einer solchen Stadt leben? Ich wollte die neue Zeitung atmen lassen, Freiräume für die Augen schaffen.

Beim Stichwort Veränderung kommt mir in den Sinn: Suche, Experiment, Fehler machen, (sich in) Frage stellen, nach Neuem forschen, riskieren, Unerwartetes ermöglichen, Ungewohntes erwarten, sich einlassen auf Fremdes, Überraschung, Herausforderung u.s.w. Für mich sind das alles Qualitäten, welche ich der GSoA (wie ich sie mir wünsche) zuschreibe.

Die meisten ZeitungsgestalterInnen sagen, die Gestaltung habe sich dem Text zu unterwerfen. Sie soll sich möglichst zurücknehmen, um das Lesen nicht zu stören, denn darum geht es ja. Auch legen Sie Wert auf Kontinuität und Wiedererkennung. Man findet immer wieder das Gleiche am gleichen Ort (Rubriken, Themen …). Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier, welches nicht gerne verunsichert wird. Ich bin eigentlich mit all dem ziemlich einverstanden – bis auf zwei wichtige Punkte. 1. Die GSoA-Zitig ist keine Tages- oder Wochenzeitung. Sie erscheint zwei- bis dreimonatlich. Sie ist auch nicht an den Kiosken anzutreffen. Sie hatte bis zur Nr. 71 «nur» den Look einer Zeitung. 2. Zusätzlich zu den Inhalten der Zeitungen, die einen überraschen, informieren können, kann die Überraschung, wie ich meine, auch auf visueller Ebene erzeugt werden. Ich stellte mir vor: Ich erhalte gerade die neue GSoA-Zitig, sie sieht anders aus. Ich bin etwas irritiert, mache sie gespannt auf um zu sehen, was und wie sie sich verändert hat, was sie so an neuen Infos bringt. Das ist meine Vorstellung, wie man auf Veränderung reagieren kann. Wahrscheinlich gibt es auch Leute, die nicht gerne überrascht werden.

Was heisst das nun konkret?

Die erste Ausgabe, welche dem Wandel unterzogen wurde, war die Nr. 72. Für diese Nummer beschlossen wir, das Logo der ZFD-Initiative als Hauptelement zu nehmen, um unsere Idee zu verwirklichen. Das Logo verkörpert eine Vision, passend für den ersten Versuch mit unserem neuen Konzept. Als Ausdruck der Veränderung nahmen wir eine graphische Metamorphose. Auf dem Titelblatt (1) legten wir den erste Punkt des Logos, der sich hin zur Pfeilspitze auf der Rückseite der Zeitung (3) verwandelte. Wir legten je einen Auschnitt aus der Metamorphose in den Hintergrund einer Zeitungsseite, als eine Art unsichtbares Raster. Darüber kamen die jeweiligen Fotos, die vom Raster geformt werden sollten. (5,6). Es ist nicht entscheidend, diesen Vorgang wahrzunehmen. Entscheidend war vorallem, das dies die Erscheinung der Zeitung prägt (Die Veränderung gab der Zeitung ein neues Gesicht: eine mögliche Identität, die fundiert ist).

Die Nummer. 73 funktionierte nach dem gleichen Prinzip. Auf dem Titelblatt (8) war KuhNo, und auf der Rückseite das «PLOP» (9). Die Veränderung war der Weg zwischen den beiden (7). Hier war die Veränderung etwas konkreter, etwas nachvollziehbarer als bei der letzten Nummer. Man konnte einfacher eine Analogie zur GSoA ziehen: Die von der GSoA erwünschte Veränderung ist die Abschaffung der Armee (das «Ploppen» der Kuh).

Auch die Nummer 74 funktionierte ähnlich. Diesmal sollte die Botschaft der Lancierung der beiden Initiativen (10) zur Visualisierung der Veränderung dienen. Die Vorbereitungen bis zu diesem Zeitpunkt war das Hauptthema der Zeitung. Ich legte diese Botschaft wieder als unsichtbaren Raster im Hintergrund der Zeitung. Teile dieser Buchstaben dienten als Rahmen für die Fotos der Zeitung. Auf dem Titelblatt (11) war das «LA…» und auf der Rückseite der Zeitung (12) das «…98» der Botschaft: Lancierung 17. März 1998. Nachdem die LeserInnen die Zeitung (hoffentlich) gelesen hatten, hatten auch Sie eine Teil des Weges (der Veränderung) hin zur Lancierung miterfahren.

Dies alles mag etwas kompliziert erscheinen. Aber ich wiederhole: Entscheidend für die LeserInnen ist nicht das vollkommene Verstehen dieses Konzeptes. Man kann die Zeitung lesen auch ohne irgend etwas von dem zu wissen, denn der andere Teil unserer Aufgabe war der Versuch, eine möglichst übersichtliche, leserInnenfreundliche Zeitung zu schaffen.

Dann kam Zeitung Nr. 76 (13,14). Unterdessen waren die Finanzprobleme der GSoA in den Vordergrund gerückt. Dies war die zentrale Botschaft dieser Ausgabe: Helft der GSoA da raus, damit wir in Zukunft weitermachen können (ich dramatisiere etwas). Ich empfand es als ziemlich plump, einfach einen halbseitigen Spendenaufruf in die Zitig zu platzieren. Was würde passieren, wenn die GSoA kein Geld mehr hätte: Wir könnte keine Fotos mehr in der Zeitung bringen und müssten die Zeitung im Entwurfsstadium belassen.

Nun zu dieser Ausgabe. Im Vergleich zur letzten Ausgabe hat sich die Zeitung wieder enorm verändert. Für mich logisch, da die GSoA wieder an einem anderen Punkt in ihrer Geschichte steht, oder anders gesagt: Es ist viel passiert. Die Sommerkampagne ist vorbei, tausend kleine Geschichten, SammlerInnen-Erlebnisse, Zahlen, Fakten etc. sollen diese Zeitung füllen. Auf der Suche nach einer möglichen Umsetzung dieser Tatsache stiess ich auf eine japanische Zeitung. Ich konnte zwar nichts lesen, war aber nicht verärgert, im Gegenteil, ich liess meine Phantasie freien Lauf und sah in diesen vielen kleinen Zeichen plötzlich die kleinen Geschichten, die zu erzählen waren. Die gestalterische Überfülle dieser Zeitungen fand ich sehr passend, denn es ist sehr viel passiert. Die Nr. 77 soll dieser Fülle von Ereignissen Ausdruck verleihen. Es hat keinen eigentlichen Grund, wieso ich den Versuch wagte, die Ästhetik der japanische Zeitung zu zitieren. Es war vielmehr ein ‹Gefühl im Bauch›.

Wie es weitergehen wird, ist mir noch völlig unklar. Ich bin gespannt.

François Chalet