GSoA - Zitig, Nr. 78, November 1998
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In die Uno, aber wozu?

Im September wurde eine Initiative lanciert, welche den längst überfälligen Uno-Beitritt fordert. Dass das Initiativbegehren nicht gleichzeitig mit der Aufforderung zu einer solidarischen Politik verknüpft war, ist logische Konsequenz einer (zu) breit gestreuten Koalitation des Initiativkomitees
Von Marco Tackenberg

Weltinnenpolitik! Ein abstrakter Begriff – und doch verbinden wir damit die Hoffnung, dass die Völker der Erde die Ideale einer gerechten und friedlichen Weltordnung eines Tages verwirklichen. Die Zäsur von 1989 gab zu solcher Zuversicht Anlass. Der Glaube, nun möge sich wenigstens schrittweise ein friedliches Zusammenleben der Menschen durchsetzen, hat sich bis heute aber als unbegründet erwiesen. Im Gegenteil: Viele Kriege, auch in Europa, sind in den neunziger Jahren neu ausgebrochen.

Die Uno ist unverzichtbar

Das Ende des Kalten Krieges hat vorerst immerhin zu einer Aufwertung der Vereinten Nationen als Instrument der Friedenssicherung geführt: Zwischen 1988 und 1992 schufen die Vereinten Nationen weltweit ebenso viele Peacekeeping-Missionen wie in den vier Jahrzehnten zuvor. Diese Einsätze, so widersprüchlich sie sich im Einzelfall erweisen, sind oft «not-wendig». Besser wäre es aber, wenn im Vorfeld der Konflikte eine Politik gefördert würde, welche Kriege möglichst zu verhindern suchte. Die Vereinten Nationen könnten diese Aufgabe – im Idealfall – wahrnehmen. Schon heute ist die Tätigkeit der Uno schlicht unverzichtbar: sei es bei der Umsetzung der Menschenrechtsabkommen, bei humanitärer Hilfe in Krisengebieten, bei der Entwicklungshilfe oder in der Umweltpolitik. Und in all diesen Bereichen leistet die Schweiz als Mitglied zahlreicher Uno-Unterorganisationen ausgezeichnete Arbeit. Damit die Uno dereinst aber eine wirkliche Friedenspolitik betreiben kann, müssten sich ihre – reichen – Mitgliedsstaaten des Nordens für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung engagieren. Davon sind sie so weit entfernt wie eh und je.

Überfälliger Beitritt

Um es kurz zu machen: ein Beitritt der Schweiz zur Uno ist ein längst fälliger Schritt. Heute wird ein solcher auch von bürgerlichen Politikern befürwortet, die – wie der heutige Bundesrat Kaspar Villiger – 1986 noch dagegen kämpften. Bekanntlich ist es nicht verboten, klüger zu werden. Uns interessieren aber doch die Gründe, die diese «Wandlung» bewirkt haben. Allerorts wird argumentiert, die Schweiz müsse aus ihrer Isolation ausbrechen. «Hilfreich» sei ein «Uno-Beitritt für die EU-Debatte» – und koste die Bevölkerung pro Kopf nicht mehr als ein «Stehplatz in einem Fussballstadion», wie prominente SP-Parlamentarier darlegen. Wenn aber bereits «der Weg der Schweiz zur Uno das Ziel ist», wo bleibt dann die Solidarität mit den Armen, wen kümmert die Überwindung des Krieges, wer engagiert sich für die Rettung der Natur?

Konsequente Interessenvertretung oder Solidarität?

Wofür werden wir die Unterschriften sammeln? Geht es schlicht darum, die «Identitätskrise der Schweiz» zu überwinden, oder wollen wir uns für eine solidarische Politik der Schweiz im Dienst der Völkergemeinschaft einsetzen? Eine Volksinitiative für einen Uno-Beitritt hätte gerade bei AktivistInnen in der Friedens- oder Solidaritätsbewegungen mehr Begeisterung geweckt, wenn die Schweiz verbindlicher aufgefordert worden wäre, innerhalb der Vereinten Nationen ihre Verantwortung für mehr Gerechtigkeit in der Welt wahrzunehmen. Wenn FDP-Generalsekretär Johannes Matyassy einen weiteren Anlauf der Schweiz zum Uno-Beitritt begrüsst, weil «eine starke Schweiz» guten Grund habe, «sich auf den Weg hin zu einer konsequenten schweizerischen Interessenvertretung zu machen» (FDP-Pressedienst), dann ist dies nicht die Grundlage einer solidarischen Politik, welche viele der unterstützenden Organisationen (Erklärung von Bern, Fastenopfer, Aktion Finanzplatz Schweiz - 3. Welt usw.) sich wohl erhoffen. So lapidar wie die Bundesverfassung gemäss Volksbegehren ergänzt werden soll («Die Schweiz tritt der Organisation der Vereinten Nationen bei»), so unverbindlich präsentieren sich die Argumente des Initiativkomitees: «Die Schweiz gehört zur Welt. Die Welt arbeitet in der Uno zusammen. Deshalb muss auch die Schweiz in der Uno die Welt mitgestalten.» Was sich als Nachhilfekurs in Geographie für sitzengebliebene SVPler präsentiert, ist logische Konsequenz eines sehr breit gestreuten Initiativkomitees.

Schritt in die richtige Richtung

Es formierte sich da schon eine verblüffende Koalition von Rudolf Friedrich, dem früheren Bundesrat, bis hin zum Geschäftsführer der Schweizer Hilfswerke, Peter Niggli. Friedrich, der noch 1989 an einer Podiumsdebatte in Bern Friedensaktivisten als Defaitisten beschimpfte, findet sich jetzt im selben Komitee mit den GSoA-Dissidenten Adrian Schmid und Andreas Gross. Wir wollen aber nicht länger mäkeln. Und uns lieber freuen, dass bei allen Vorbehalten letztlich ein Schritt in die richtige Richtung unternommen wird. Und darauf kommt es an.

Unterschriftenbogen können bestellt werden bei: Uno-Initiative, Postfach 734, 4003 Basel; Tel./Fax: 061 261 65 54. MitsammlerInnen sind herzlich willkommen. Das Initiativsekretariat kann Kontakte zu Regionalgruppen vermitteln.


Geehrt

Der «Right Livelihood Award» – besser bekannt als «Alternativer Nobelpreis» – geht 1998 unter anderem an eine «alte Bekannte» der GSoA: Vesna Terselic von der Antikriegskampagne Zagreb (ARK)
Von Marcel Hänggi

Ende Mai 1995 besuchte ich Vesna Terselic in Zagreb. Ich war auf Durchreise nach Westslawonien, das kurz zuvor von der kroatischen Armee «zurückerobert» worden war. Als Vesna mich vom Bahnhof abholte, sagte sie, sie wundere sich, heute noch keine Morddrohung von «aufrechten kroatischen Patrioten» erhalten zu haben. Vesna hatte am Tag zuvor einen Artikel über die Vertreibung der serbischen Bevölkerung aus Westslawonien publiziert. Sie war sich gewohnt, für solche Artikel in gewissen Kreisen als Verräterin zu gelten.

Vesna Terselic (geboren 1962) engagierte sich nach ihrem Studium in der Umweltschutzbewegung. 1991 gehörte sie zu den GründerInnen der Antikriegskampagne Kroatien (Anti Ratna Kampanja ARK). Ihr Ziel war es, ein Netzwerk für all die vielen kleinen Initiativen zu schaffen, die sich für eine friedliche Gesellschaft engagierten.

«Uns war von Anfang an klar», schreibt die ARK über sich, «dass unsere Arbeit keine schnellen Resultate bringen konnte. Also entschieden wir uns, vor allem Langzeitprojekte in den Bereichen Menschenrechte, Konfliktbewältigung, Friedenserziehung usw. zu entwickeln. (...) Die Eskalation der Kriege in Kroatien und Bosnien zwang uns später auch zu Nothilfe-Aktionen, in erster Linie für Flüchtlinge.»

Zu den typischen ARK-Projekten, gehörte das Projekt in der westslawonischen Kleinstadt Pakrac, die von 1992 bis 1995 in eine serbische und eine kroatische Hälfte zweigeteilt war. Das Freiwilligenprojekt, in dem 1994 auch Mitglieder der GSoA mitarbeiteten, half der Bevölkerung beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt und versuchte dabei, Brücken zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen zu schlagen. Die militärische Eroberung des Gebiets durch die kroatische Armee im Mai 1995 zerstörte viel von dieser Arbeit. Aber das Pakrac-Projekt half, Schlimmeres zu vermeiden und für die Nachkriegs-Gesellschaft erste zivile Ansätze zu schaffen.

Vesna Terselic selber hat mehr als 200 Workshops für PsychologInnen, LehrerInnen und SchülerInnen durchgeführt. Die GSoA-Zitig hat darüber schon mehrere Artikel von und Interviews mit Vesna veröffentlicht.

Für ihre Arbeit erhielt Vesna Terselic nun zusammen mit Katarina Kruhonja, Mitbegründerin des Zentrums für Frieden, Gewaltfreiheit und Menschenrechte im ostkroatischen Osijek, den «Right Livelihood Award». Dieser Preis wird seit 1980 vom schwedischen Parlament vergeben. Er gilt als Auszeichnung für Menschen, die sich in Bereichen wie Umweltschutz, Menschenrechte, Friedensarbeit und für das Wohl der Menschheit eingesetzt haben.

Wir gratulieren Vesna ganz herzlich und wünschen ihr und der ARK viel Erfolg.

siehe auch: http://www.rightlivelihood.se/


Zivildienst-kolumne

Die zivilen Ressourcen würden nicht mehr ausreichen, um die Flüchtlinge zu betreuen, bedauerte Bundesrat Arnold Koller. Deshalb müsse die Armee ran. Wären Zivildienstleistende nicht weit besser geeignet, Flüchtlinge zu betreuen? Viele haben sich in den letzten Wochen diese Frage gestellt. Bisher leisteten rund 60 Zivildienstler ihren Einsatz im Asylbereich. Der Zivildienst in seiner heutigen Form ist aber nur schlecht dafür geeignet, bei der Lösung akuter Probleme mitzuhelfen. Einerseits hat der Zivildienst keine eigenen Strukturen. Zivildienstleistende werden fast ausschliesslich in bestehenden Institutionen eingesetzt. Wer wo eingesetzt wird, hängt weitgehend von den Interessen der Zivildienstleistenden und den Werbeanstrengungen der Einsatzbetriebe ab. Andererseits ist die Zahl der anerkannten Zivildienstleistenden bisher zu gering. Seit der Einführung des Zivildienstes vor zwei Jahren sind 3520 Gesuche eingereicht worden, 1893 Personen wurden zugelassen, 560 Gesuche zurückgezogen oder abgewiesen, die übrigen Antragssteller warten auf einen Entscheid. Leider ist der Eingang der Gesuche rückläufig.

An sich würden Zivildienstleistende gute Voraussetzungen für den Einsatz im Asylbereich mitbringen. Sie könnten dadurch, dass sie meist mehrmonatige Einsätze leisten, eine kontinuierliche Betreuung gewährleisten. Aber vor allem: Sie haben einen anderen Hintergrund. Die Armee geht grundsätzlich mit einer defensiven Haltung an die Betreuungsaufgaben heran. Dies zeigte sich etwa daran, dass einer der ersten Ausbildungspunkte für die künftigen «Betreuungssoldaten» Selbstverteidigung war – auf gut schweizerisch mit einem Spitzenschwinger. Es ist auch psychologisch unklug, wenn Menschen, die vor Soldaten geflüchtet sind, wieder in die «Obhut» von Uniformierten zu geben. Was müsste getan werden, um den Zivildienst vermehrt auch in akuten Problemsituationen einzusetzen? Erstens müsste die Zulassung zum Zivildienst deutlich erleichtert werden. Viele Männer, die sich an sich für den Zivildienst interessieren, lassen sich durch Gewissensprüfung und die deutlich längere Zivildienstdauer abschrecken. Ein erster, wenn auch sehr zaghafter Schritt wurde vom Bundesrat kürzlich getan: Angehörigen religiöser Gemeinschaften können auch ohne persönliche Anhörung zum Zivildienst zugelassen werden. Zweitens müssten Strukturen geschaffen werden, die einen raschen und gezielten Einsatz von Zivildienstleistenden ermöglichen.

Dann müsste Bundesrat Koller nicht mehr bedauernd auf die Armee zurückgreifen und die Flüchtlinge würden besser – nämlich von freiwilligen Zivildienstleistenden und nicht von abkommandierten Soldaten – betreut.

Ruedi Winet


Gegen Langeweile und andere Militärkrankheiten

Musst Du im nächsten Frühjahr in die RS oder demnächst in einen WK einrücken? Ein heisser GSoA-Tip: Teile uns Deine Adresse mit, wir werden Dich regelmässig mit Material beliefern. Das hilft gegen Langeweile, unter Umständen gegen’s Weitermachen, schützt vor Denkfaulheiten und Verblödung usw. Selbstverständlich kannst Du uns auch beauftragen, einem oder mehreren Kollegen eine Freude zu machen. Du lieferst die Adresse, wir verschicken das Material und die Feldpost übernimmt das Porto. Alles klar?

Kontakt: GSoA, Postfach 324, 4127 Birsfelden, Tel./Fax 061 313 09 95.


GSoA - Zitig, Nr. 78, November 1998
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