GSoA - Zitig, Nr. 78, November 1998
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Leserbrief

In Kosovo herumlaufen mit der Armeepistole?

Wie Deppen seien sie sich vorgekommen, sagten Schweizer Offiziere in der Fernseh-Arena (17.10.98). Als sie in Ex-Jugoslawien Abstimmungsmaterial transportieren mussten, seien zu ihrem Schutz französischen Panzer mit ihnen gefahren. Anstatt eigene Schweizer Waffen mitführen zu dürfen, seien sie sich als Unbewaffnete wie Deppen vorgekommen.

Gerade so schlecht hätten die enttäuschten Offiziere sagen können: Wie Carla del Ponte seien sie sich vorgekommen. Ist die Bundesanwältin deppert, weil sie sich keine Pistole umhängt, sondern sich von professionellen Bodyguards begleiten lässt?

Bewaffnete Selbstverteidigung der Miliz in Auslandmission oder professioneller Geleitschutz, gestellt von internationalen Ordnungstruppen, so lautet die Frage. Weil beide Aufgaben, besonders aber der (mit dem Risiko des Notwehrexzesses befrachtete) defensive Umgang mit tödlichem Gerät, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Beauftragten erfordern, ist der bewaffnete Selbstschutz der schweizerischen Hilfskorps als Alternative zur Begleitung durch professionelle Schutztruppen abzulehnen.

Ein Beispiel möge das erläutern. Hochseeschiffe unter Schweizer Flagge mit Hilfsgütern sind Übergriffen der Kriegsführenden ausgesetzt und wurden im Zweiten Weltkrieg auch tatsächlich angegriffen. Wären die Schweizer Schiffe, wenn sie Hilfsgüter und – was immer wieder vorkam – Kriegsschiffbrüchige transportierten, zur Selbstverteidigung mit Bordwaffen ausgestattet gewesen, statt wie «Deppen» die Maschine zu stoppen oder sich zwischen kriegsführende Geleitschiffe zu ducken – die Weissmützen der Schweizer Hochseeflotte wären schnell von der Bildfläche verschwunden und die Schweiz ins Kriegsgeschehen verwickelt gewesen.

Edouard Wahl, Brissago


Lesehinweise

In den letzten Monaten ist eine Vielzahl von Büchern über Friedenspolitik und ziviles Engagement erschienen. Ein paar Büchertips für kalte Winterabende.


Dieter Senghaas (Hg.), Frieden machen, Suhrkamp Verlag Frankfurt/Main 1997.

30 Aufsätze sind gegliedert in sieben Kapitel, von den «Friedenspolitischen Perspektiven» bis zum «Beitrag der Wissenschaft». Nur schon das zwanzigseitige Vorwort des Herausgebers lohnt den Kauf. Dieses Taschenbuch bietet den momentan wohl besten Einstieg in die heutige Diskussion um friedenspolitische Zukunftsperspektiven.


Martin van Creveld, Die Zukunft des Krieges, Gehring Akademie Verlag München 1998.

Van Crefeld, der als Militärhistoriker in Jerusalem lehrt, thematisiert die Realität heutiger Kriegsführung: «Low intensity wars» durchbrechen völkerrechtliche Konventionen, entziehen sich der politischen Kontrolle und missachten die Trennung von organisierter Armee und unbewaffneter Bevölkerung. Crefeld zeigt, dass noch so viel und moderne Armeen uns vor diesen Kriegen nicht beschützen kann.


Edmund Cairns und Dörte Pommerening, Frieden in Sicht. Schritte in eine konfliktärmere Welt, Herausgegeben von Oxfam Deutschland 1998.

«Schritte in eine konfliktärmere Welt» nennt die 1942 gegründete internationale Hilfsorganisation Oxfam die Erfahrungen, die sie in ihrem Buch dokumentiert. Ein engagiertes, aufmüpfiges, zum Teil wütend geschriebenes Buch von Menschen, die sich vor Ort einsetzen.


Jacques Semelin, Ohne Waffen gegen Hitler. Eine Studie zum zivilen Widerstand in Europa, dipa-Verlag Frankfurt/Main 1995.

Eine Studie, die den unbewaffneten Kampf gegen den Nationalsozialismus in Europa dokumentiert und analysiert. Semelin liefert damit die Voraussetzungen für Konzepte gewaltfreien zivilen Widerstandes gegen totalitäre Herrschaft und stösst in eine Leerstelle der pazifistischen Diskussion vor. Jacques Semelin hat an zahlreichen Strategiepapieren für verschiedene europäische Regierungen mitgearbeitet. Eine nicht zu unterschätzende Antwort auf wichtige Fragen.


Peter Strutynski (Hg.), Friedenspolitik im Zeitalter der Globalisierung. Europa zivil gestalten, Verlag Jenior & Pressler Kassel, 1998.

Seit 1994 finden die «Friedenspolitischen Ratschläge» an der Universität Kassel statt und dienen als Diskussionsforum an der Schnittstelle von Politik, Friedensbewegung und Friedenswissenschaft. Die Dokumentation des «Ratschlages 97» bietet einen Überblick über den Stand der friedenspolitischen Diskussion und der Aktionsorientierung der Friedensbewegung.


I. W. Zartman and J. L. Rasmussen (editors), Peacemaking in international Conflict. Methods & Techniques, U. S. Institute of Peace Press Washington D.C. 1997.

400 Seiten dick ist dieses Handbuch über Methoden und Techniken internationalen Konfliktmanagements. Das U. S. Institute of Peace, gegründet 1984 vom amerikanischen Kongress, bietet einen imposanten Überblick darüber, was in den USA bisher erarbeitet wurde. Wer nicht daran glaubt, dass das Gute im Menschen von alleine an die Macht kommt, findet in diesem Buch formuliert, was an Herausforderungen und Möglichkeiten für offizielle Politik und gesellschaftliche Kräfte möglich und gefordert ist.


Impressum

Redaktion, Satz & Layout: Marcel Hänggi (mh) (verantw.), Nico Lutz (nl), Hans Hartmann (ha), Renate Schoch (rs), Roland Brunner (rb), Tobia Schnebli (ts), Martin Käser (mk), Marco Tackenberg (mt), François Chalet (fc).

Belichtung: Salinger Zürich; Druck: Ropress Zürich

Auflage: 22’500, erscheint mind. vier mal jährlich

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Mitgliederbeitrag (inkl. Zitigs-Abo): Nichtverdienende Fr. 50.-, Verdienende Fr. 100.-, PC 40-37315-5

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