Gute Argumente für einen Zivilen Friedensdienst ...
Einfache Lösungen
Sind bewaffnete Interventionen und anschliessende materielle Hilfe
nicht viel wirkungsvoller?
Der Krieg in Ruanda, in Bosnien, die Spannungen in Aserbeidschan ñ sie
alle sind für uns schwer zu begreifen. Und es wäre so befreiend,
mit einem gezielten Schlag die Konfliktparteien endlich zur Vernunft zu
bringen. Nur: So einfach geht es leider nicht ñ schon gar nicht mit militärischen
Mitteln. In wenigen Fällen haben Interventions-Truppen mittels massiver
Repression einen Konflikt ´eingefrorenª ñ so etwa in Bosnien. Frieden
schaffen müssen hier zivile Strukturen. Häufiger waren solche
Truppen jedoch dafür verantwortlich, dass die Situation noch verfahrener
wurde. Das Debakel, das die ´Friedenstruppenª in Somalia angerichtet haben,
ist ein trauriges Beispiel. Mit zivilen Friedensdiensten geht es darum,
Konflikte möglichst früh zu erkennen und gewaltfrei zu bearbeiten.
Nach einem bewaffneten Konflikt ist materielle Hilfe wichtig, aber ´Ingenieureª,
so Hans Koschnick, ehemaliger Bremer Bürgermeister und EU-Verwalter
der geteilten bosnischen Stadt Mostar, können keine ´Brücken
zwischen den Menschen bauen. Dazu braucht es Friedensdienste. (...) Nicht-Regierungs-Organisationen
haben viel dazu beigetragen, Vertrauen bei der Bevölkerung zu schaffen.
Unsere europäischen Regierungen sind gut beraten, diese Organisationen
besser zu unterstützen.ª
Naiv und unvernünftig ist der Glaube der Armeen,
die aktuellen Konflikte liessen sich militärisch lösen. Und
materielle Aufbauhilfe allein schafft keinen Frieden. Wer den Frieden
will, muss den offenen Dialog fördern: Der freiwillige Zivile Friedensdienst
(ZFD) bietet dafür den geeigneten Rahmen.
Vermittlung
Kann ein Ziviler Friedensdienst mehr als die offizielle Diplomatie?
Angesehenen Persönlichkeiten gelingt es immer wieder, in einem Konflikt
zu vermitteln. So spielt Bischof Ruiz bei den Friedensverhandlungen in
Chiapas seit 1994 eine wichtige Rolle. Auch Staaten können jenseits
von eigennütziger Interessenpolitik erfolgreich vermitteln, wie Norwegen
bei der Verhandlung des Friedensabkommen zwischen Israel und der PLO von
1993 bewiesen hat. Andererseits stösst diese offizielle Diplomatie
schnell an Grenzen: Staaten dürfen sich nicht in die ´inneren Angelegenheitenª
anderer Länder einmischen. Im Kosov@ z.B. war die Zuspitzung des
Konfliktes seit Jahren offensichtlich. Die offizielle Diplomatie blieb
draussen. Auf beiden Seiten gab es aber Gruppierungen (unabhängige
Gewerkschaften, Medien, StudentInnenorganisationen, Bürgerrechts-
und Jugendgruppen), die an einer friedlichen Lösung arbeiteten. Sie
hätten internationale Unterstützung dringend gebraucht. Es gab
zwar Ansätze: Internationale Nichtregierungsorganisationen entwickelten
eine ´Graswurzel-Diplomatieª zwischen Serbien und Kosov@: Sie luden VertreterInnen
serbischer Organisationen in den Kosov@ ein und organisieren Treffen,
um gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zu fördern. Diese
Ansätze stärker zu unterstützen hätte die Chancen
für eine gewaltfreie Lösung deutlich verbessert.
Der freiwillige Zivile Friedensdienst verbessert die
Voraussetzungen für Vermittlung. Er kombiniert dabei die Vorteile
offizieller Diplomatie und zivilgesellschaftlicher Vernetzung.
Konfliktbearbeitung
Ist gewaltfreie Intervention in bewaffneten Auseinandersetzungen eine
Illusion?
Konflikte wird es immer geben ñ aber sie müssen nicht gewalttätig
verlaufen. Die Stärke des ZFD liegt in der Früherkennung und
Prävention bewaffneter Auseinandersetzungen. Aber auch wenn ein Konflikt
ausbricht, bestehen Möglichkeiten gewaltfreier Intervention. Besuchen
und beobachten: Bereits die Anwesenheit neutraler BeobachterInnen erhöht
den Spielraum für lokale Friedensbemühungen. Zusammen mit der
lokalen Kirche trägt zum Beispiel die Schweizer Organisation CORSAM
mit internationaler Präsenz dazu bei, die Friedenschance im bewaffneten
Konflikt in Chiapas (Mexiko) zu wahren. Begleiten: Die Begleitung der
Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchu aus Guatemala durch Freiwillige
von ´Peace Brigades Internationalª (PBI) ermöglichte ihr erst, Aktivitäten
zu entfalten. Berichten: Die ständige Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit
schützt die Menschenrechte am besten. Kontinuierliche Berichterstattung
unabhängiger Organisationen ist deshalb wichtig. Bilden: In Konfliktsituationen
ist das Erlernen gewaltfreier Konfliktbewältigung zentral. Die von
PBI in Haiti angebotenen Konfliktbearbeitungskurse stiessen auf ein so
grosses Interesse, dass sie schliesslich von der zivilen Uno-Mission unterstützt
wurden.
Besuchen, beobachten, begleiten, berichten und bilden
sind bewährte zivile Handlungsmöglichkeiten, um Konflikte gewaltfrei
zu bearbeiten. Diese Ansätze verdienen endlich offizielle Unterstützung.
Solidarische Einmischung
Was heisst schon ´Solidaritätª?
´Solidaritätª heisst das neue Zauberwort der alten Landesverteidiger.
Die Schweiz solle ´Frieden produzieren und nicht nur konsumierenª, fordert
Verteidigungsminister Ogi. Schöne Worte ñ und die Realität?
Weil Ogi beim Chinabesuch im Herbst 98 die Werbetrommel für Sion
2006 rühren und Schweizer Versicherungen den chinesischen Markt öffnen
wollte, hat er kein Wort zu den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen
der Regierung gesagt. Und gleichzeitig sollen Schweizer Soldaten weltweit
für die Einhaltung der Menschenrechte kämpfen? Echte ´Solidaritätª
zielt darauf ab, Gewaltverhältnisse abzubauen ñ wirtschaftliche Interessen
hin oder her. ´Frieden machenª ist ein anspruchsvoller und langfristiger
Prozess. Patentrezepte gibt es nicht. Nur wenn alle beteiligten Konfliktparteien
ñ auch die Bevölkerung ñ bei der Lösung ihrer Konflikte mitreden
können, entstehen gerechte und somit tragfähige Friedensprozesse.
Die Unterstützung von lokaler Friedensarbeit schafft mehr Spielraum
für ziviles Handeln und kann eine militärische Eskalation verhindern.
Wichtig ist dabei: Der ZFD soll nur im Einverständnis mit den Menschen
vor Ort aktiv werden und darf nicht von staatlicher Interessenpolitik
geleitet sein.
Friede kommt nicht aus den Gewehrläufen. Mit ´Solidaritätª
haben die angestrebten Auslandspaziergänge der Schweizer Armee nichts
zu tun. Echte Solidarität zielt darauf ab, Gewaltverhältnisse
abzubauen. Dafür steht der ZFD ein.
Freiwillige Ausbildung
Ist Frieden lernbar?
Gewalt ist auch in der Schweiz alltäglich, beispielsweise gegen
Frauen, Kinder und AusländerInnen. Die Auseinandersetzung mit Gewaltverhältnissen
ist nötig, um Gewalt abzubauen. Die Initiative für einen freiwilligen
Zivilen Friedensdienst fordert eine kostenfreie Grundausbildung in gewaltfreier
Konfliktbearbeitung, die allen in der Schweiz wohnhaften Personen offen
steht.
Konkrete Einsätze in Konfliktsituationen ñ im In- oder Ausland ñ
bedingen eine intensivere Ausbildung. Auch diese soll der ZFD ermöglichen.
Doch ZFD-Einsätze sind keine Abenteuerferien. Gefragt sind Frauen
und Männer mit einer gefestigten Persönlichkeit und einer starken
Motivation. Vor allem aber soll niemand zu Friedensarbeit gezwungen werden
ñ das wäre ein Widerspruch in sich. Umgekehrt sollen zum ZFD nicht
nur diejenigen Zugang haben, die sich finanziell einen Einsatz leisten
können. Die GSoA-Initiative sieht eine Entschädigung für
die Dienstleistenden vor.
Konflikte gewaltfrei bearbeiten ñ das ist lernbar. Der Zivile Friedensdienst
fördert diese Lernprozesse. Er garantiert professionelle Vorbereitung
für Friedenseinsätze.
Der freiwillige Zivile Friedensdienst verzichtet auf
Zwang. Eine angemessene Entschädigung soll allen ermöglichen,
beim ZFD mitzutun.
Geld
Können wir uns einen Zivilen Friedensdienst überhaupt leisten?
FriedensdienstlerInnen leisten nicht nur viel sinnvollere Arbeit, sie
sind auch günstiger als Militärs: Im deutschen Bundestag wurde
1996 ein ambitioniertes ZFD-Projekt, das eine viermonatige Ausbildung
und einen anschliessenden Zweijahres-Einsatz in Bosnien von 200 Freiwilligen
beinhaltete, diskutiert. Die Kosten von 30 Millionen Mark erschienen den
ParlamentarierInnen aber als zu hoch ñ lieber bewilligten sie 700 Millionen
Mark für die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-Intervention.
Das ZFD-Ausbildungsprojekt wurde 1997 in redimensionierter Form vom Bundesland
Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Vergleicht man die Kosten mit jenen
50 Millionen Franken, die VBS-Chef Ogi als zusätzliches Sold-Zückerchen
für die Offiziere aufwirft, zeigt sich: Für diese Summe könnten
1665 Menschen während vier Monaten zu FriedensarbeiterInnen ausgebildet
werden.
Für die geforderte freiwillige Grundausbildung in gewaltfreier Konfliktbearbeitung
lässt die GSoA-Initiative bewusst alle Möglichkeiten offen:
Sie könnte beispielsweise als Freifach in einer Mittelschule oder
als Abendkurs für Erwachsene angeboten werden. Die Kosten wären
bescheiden.
Der freiwillige Zivile Friedensdienst leistet im Gegensatz
zur Armee nicht nur sinnvolle Arbeit, er ist auch entschieden kostengünstiger.
ZFD-International
Ist der Zivile Friedensdienst wieder einmal eine helvetische Extrawurst?
Mit dem freiwilligen Zivilen Friedensdienst kann die Schweiz an ihre
humanitäre Tradition anknüpfen. Die Idee ist aber nicht am Gotthard
entstanden; beigetragen haben Friedens-, Frauen-, Demokratie- und Menschenrechtsgruppen
aus aller Welt. Sie alle haben in verschiedenen Konfliktsituationen die
Erfahrung gemacht, wie stark die gewaltfreie Beilegung von Konflikten
von der Präsenz und Solidarität internationaler Freiwilliger
abhängt.
Ein erstes ZFD-Modell legte die Evangelische Kirche von Berlin-Brandenburg
schon im Oktober 1991 vor. Inzwischen werden in vielen Ländern ZFD-Konzepte
diskutiert: In Frankreich, Italien und Österreich machen sich friedensbewegte
BürgerInnenbewegungen dafür stark; in den nordischen und angelsächsischen
Ländern sowie in den Benelux-Staaten steht vor allem die akademische
Friedensforschung für einen ZFD ein. Verschiedene gesamteuropäische
Treffen diskutierten die Möglichkeit eines ZFD auf europäischer
Ebene, und die Fraktion der Grünen brachte bereits einen entsprechenden
Vorschlag ins EU-Parlament ein.
Wenn Probleme und Herausforderungen die nationalen Grenzen
sprengen, müssen auch die politischen Antworten international abgestimmt
werden. Die Annahme der GSoA-Initiative durch das Schweizer Volk wäre
ein wichtiges Signal für diese internationale Debatte.
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