Umfassende Friedenspolitik auf den Punkt gebracht

Alternativen in Sicht?

Braucht es nebst der Abschaffungsinitiative noch ein weiteres GSoA-Initiativprojekt? Und bringt der zivile Friedensdienst (ZFD) die umfassende Friedenspolitik politikfähig auf den Punkt? Martin Brunner von der GSoA Basel fordert mehr Zeit zur Diskussion.

Von Martin Brunner

Dem Vorschlag ZFD liegt der ernsthafte Versuch zugrunde, umfassende Friedenspolitik in symbolischer Form auf den Punkt zu bringen. Er geht einerseits davon aus, dass dadurch eine Qualität der Diskussion ausgelöst wird, welche den zukünftigen Abschaffungsdiskurs in idealer Weise ergänzt, und anderseits dass dadurch zivilgesellschaftliche Elemente sowohl in der Schweiz wie ausserhalb gestärkt werden könnten.

Zu forsches Tempo

Die Regionalgruppe Basel ist der Meinung, dass der ZFD ein denkbarer Vorschlag ist. Aber sie vermisst sowohl eine GSoA-interne wie auch eine externe Diskussion um die Frage, ob es neben dem ZFD auch andere Möglichkeiten gäbe, welche - mehr als symbolisch - einen realpolitischen Beitrag zum Abbau struktureller Gewaltverhältnisse leisten könnten. Ebenso vermisst sie die Diskussion um die Frage, welche ein Tessiner GSoAt an der Herbst-Vollversammlung aufgeworfen hatte und die in knapp einer Minute abgehandelt worden war: Wäre es nicht sinnvoller, sich auf jene Frage zu beschränken, welche ohnehin die zukünftige Debatte bestimmen wird, die Armeeabschaffung? Oder liesse sich gar ein zeitlich gestaffeltes Vorgehen vorstellen?
Dass diese Debatten nicht oder nur im engsten Rahmen stattgefunden haben, hat massgeblich mit dem Tempo zu tun, mit dem die Initiativergreifung vorangetrieben wurde. Insofern kann es niemanden erstaunen, dass nun zu diesem ‹späten› Zeitpunkt plötzlich Einwände kommen, die zudem nicht einmal in der Lage sind, dem ZFD ausgearbeitete Alternativen entgegenzustellen. Margrith von Felten und Karin Haeberli kommen in ihrem Gutachten (vgl. S.5) zum Schluss: «Eine Neuorientierung der GSoA erfordert viel Zeit für interne Diskussionen. Wir meinen, es wäre eine gute Investition, wenn sich die GSoA die notwendige Zeit dafür nimmt». Dem ist nichts weiteres beizufügen.

Welche Richtung?

In welche Richtung könnte die Suche nach Alternativen gehen? Zwar ist richtig, dass es den Ausdruck umfassender Friedenspolitik wohl nicht gibt (und vielleicht auch gar nicht zu geben braucht). Um so wichtiger erscheint es mir aber, für den zweiten Teil des Initiativpaketes möglichst viele politische Kriterien zu nennen, welche ein ‹umfassendes› Friedensprojekt erfüllen sollte.
Ein wichtiges Kriterium hat die Arbeitsgruppe, welche den Initiativtext vorbereitet, bereits geliefert: Die Stärkung zivilgesellschaftlicher Elemente. Aber es gibt weitere. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nenne ich einige: Im Rahmen der Herbst-VV forderten Gewerkschaftsvertreter dezidiert eine Verbindung der antimilitaristischen mit der sozialen Frage und ernteten dafür einhelligen Applaus. Bei diesem ist es allerdings geblieben. Das Verhältnis der Schweiz zu den Ländern der 3.Welt ist weit davon entfernt, unbelastet zu sein. Daraus ergibt sich eine zusätzliche Option: Unser Land trägt momentan eher zum Auf-, denn zum Abbau struktureller Gewaltverhältnisse bei. Ein nachhaltiger Beitrag auf dieser Ebene wäre inhaltlich gut mit der Abschaffungsforderung zu verbinden. Er würde zudem eine weitere Bedingung erfüllen, welche die AG Lenk auch für den ZFD in Anspruch nimmt, nämlich die mögliche Verbindung der inneren Verfassung der Schweiz mit ihrer globalen Beziehungsfähigkeit (H.Hartmann).
Aus dem feministischen Gutachten geht im weiteren deutlich hervor, dass weder die Abschaffungsforderung in der vorgelegten Form (hier sehe ich allerdings geringen Spielraum), noch viel weniger der ZFD einer geschlechterbewussten Analyse standhalte. Hier ist offensichtlicher Nachholbedarf gegeben.

Politischer Reifeprozess

Im übrigen wäre auch zu überlegen, was ein wirksames Friedensprojekt kosten darf, resp. muss - finanziell, aber auch auf einer gesellschaftlich-psychologischen Ebene. Es gibt Aussagen, wonach die verfassungsmässigen Grundlagen für einen ZFD bereits bestehen. Müsste ein Projekt mit diesem Anspruch nicht ‹spürbarer› sein für den Staat? Die in diesem Zusammenhang geäusserte Idee eines Schuldenerlasses für Länder der 3. Welt ist von der AG offensichtlich geprüft und verworfen worden. Es wäre lohnenswert gewesen, im Sinne eines breiten Inputs auch verworfene Ideen zu veröffentlichen. Vielleicht hätte dies die Debatte in andere Richtungen führen können.
Die hier genannte Liste der politischen Bedingungen, die in einen Vorschlag einfliessen müssten, ist natürlich noch nicht berauschend. Aber ich vertraue darauf, dass in einem breiten Diskussionprozess auch noch weitere Elemente entwickelt werden. Die Ausführungen im genannten Gutachten bestätigen diese Hoffnung. Und wenn sich nach diesem Prozess der ZFD immer noch als das konsensfähigste und kohärenteste Projekt herausstellen sollte, dann haben wir nicht einfach Zeit verloren, sondern sind politisch gereift. Der Verlauf der Diskussion in den nächsten Wochen sowie die Rezeption des feministischen Gutachtens werden massgeblich bestimmen, inwieweit obige Überlegungen in einen konkreten Antrag an die Frühlings-VV einmünden werden.