Wer Zivildienst leisten will, muss gegenwärtig viel Geduld
aufbringen. Wartefristen bis zu einem halben Jahr und länger von
der Gesuchseinreichung bis zum Entscheid sind zur Zeit nichts
Ungewöhnliches. Grund dafür ist der Personalabbau bei der
Bundesverwaltung, weswegen viel zu wenig Personal zum
Zivildienstvollzug bereitsteht. Eingereicht wurden in den ersten
drei Zivildienstmonaten 933 Gesuche, was sich in etwa im Rahmen
der Erwartungen von Behörden und Beratungsstellen hält. Viele
dieser ersten Gesuche stammen aus sistierten Strafverfahren und
von zurückgestellten Rekruten und Soldaten. Mittelfristig wird
damit gerechnet, dass pro Jahr rund 1000 Gesuche eingereicht
werden.
Bis Dezember 1996 wurde über 112 Gesuche entschieden, 101 wurden
gutgeheissen. Damit hielt sich die Anerkennungsquote mit 90
Prozent im Rahmen anderer Länder wie z.B. Deutschland.
Im neuen Jahr erhielten die Beratungsstellen aber vermehrt
Kenntnis von abgelehnten Gesuchen, insbesondere wenn der
Gewissenskonflikt gegenüber dem Militär zu wenig persönlichen
Bezug hatte und zu allgemein begründet wurde.
Mit den langen Behandlungsfristen der Gesuche entwickelt sich das
Zivildienstgesuch zum Mittel für eine sichere
Dienstverschiebung. Wird das Gesuch nämlich rechtzeitig, also
drei Monate vor einer Militärdienstleistung eingereicht, kann
man davon ausgehen, diese Rekrutenschule oder diesen WK nicht
besuchen zu müssen. Ungemütlicher ist dagegen der herrschende
Vollzugsnotstand für all jene, die ihre Zivildienstleistung
zwischen Matura und Studium unterbringen wollen. Diskutiert
werden deshalb verschiedene Lösungswege, doch dürfte es
unwahrscheinlich sein, dass die Zivildienstbehörde in nächster
Zeit mit Personal aufgestockt wird. Wird keine Lösung gefunden,
dürften sich die Wartefristen schon in nächster Zeit auf ein
ganzes Jahr ausdehnen.
1996 standen noch 96 Militärdienstverweigerer vor einem
Militärgericht. Seit Jahrzehnten gab es nie mehr so wenige
Verurteilungen wie dieses Jahr. Grund dafür ist das kürzlich in
Kraft getretene Zivildienstgesetz, weswegen viele Strafverfahren
vorläufig auf Eis gelegt wurden. 22 Personen wurden zu
unbedingten Gefängnisstrafen verurteilt, müssen also trotz
Zivildienst zumeist mehrere Monate ins Gefängnis, 44 werden
Zivildienst zu leisten haben, die übrigen wurden entweder zum
waffenlosen Militärdienst umgeteilt oder zu bedingten
Gefängnisstrafen verurteilt.
Kontakt:
Ruedi Winet,
Beratungsstelle für Militärverweigerer
Köchlistrasse 3, Postfach 9777
8036 Zürich Tel. 012400742
http://www.zivildienst.ch
Von Willy Spieler
Ruedi Winet, der Verfasser dieses informativen Handbuchs zum
neu eingeführten Zivildienst in der Schweiz, leitet seit 1985
die Beratungsstelle für Militärverweigerer. Selbst
Militärverweigerer, hat er das Thema schon in mehreren
Publikationen bearbeitet, an die das vorliegende Buch anknüpfen
kann. Es enthält auch einen Abriss der 90jährigen
Leidensgeschichte, die mit einer schier unglaublichen
Zeitverzögerung gegenüber der Entwicklung in andern Ländern,
die sich für zivilisiert und friedliebend halten, am 1. Oktober
1996 zum vorläufigen Ende eines noch längst nicht
befriedigenden Zivildienstes gekommen ist.
Immerhin bezeichnet Winet die Erfahrungen mit dem Zivildienst als
«an sich» positiv, da von einer Leistung, die wirklich den
Mitmenschen zugute kommt, eine hohe Motivation ausgeht.
Gleichzeitig warnt er vor Bestrebungen, «im Zuge der staatlichen
Sparübungen einen allgemeinen Zivildienst für Männer und
Frauen einzuführen», da Zwang diese Motivation nicht ersetzen
könne (eine Diskussion über den Obligatorischen Sozialdienst,
den der Sozialethiker Hans Ruh befürwortet, wäre in diesem
Zusammenhang von besonderem Interesse).
Das gut gegliederte Handbuch erlaubt eine rasche und
zuverlässige Orientierung über verschiedene Fragen, die den am
Zivildienst interessierten Militärverweigerer beschäftigen:
Welches sind die Kriterien der Zulassung zum Zivildienst? Wie
könnte der Wortlaut des Gesuchs, wie der beizulegende Lebenslauf
aussehen? Mit welchen Fragen hat der Gesuchsteller bei der
Gewissensprüfung durch die Zulassungskommission zu rechnen? Wer
kommt als Beistand in Frage? Ist es sinnvoll, im Fall
derAbweisung des Gesuchs eine Beschwerde einzureichen? Welches
sind die Einsatzmöglichkeiten im heutigen Zivildienst? Wie steht
es mit Erwerbsersatz und Lohnfortzahlung?
Genannt werden auch Alternativen, vom waffenlosen Militärdienst
bis zur Ausmusterung. Ein informativer Anhang orientiert über
wichtige Organisationen und Publikationen und dokumentiert
ausgewählte Gesetzestexte zum Zivilen Ersatzdienst, wie er
mangels einer freien Wahl zwischen Armee und gemeinnütziger
Arbeit noch immer genannt wird.
Ruedi Winet: Etwas Sinnvolles tun.
Handbuch zum Zivildienst. Limmat Verlag, Zürich 1996. 179
Seiten, Fr. 26.-.