Zweite Internationale Tagung ‹Europe without Armies›

Armeen auf dem Highway

Wer entscheidet über die Zukunft Europas und über seine Armeen? Behörden und Generäle oder die BürgerInnen Europas? Wie versuchen Friedensbewegte, den Kontinent zu zivilisieren? Diese und andere Fragen stellten sich die GSoA und ihre Gäste am 23. November 96 in Bern.

(rs.) Elf TeilnehmerInnen aus Spanien, Italien, Frankreich, England, Kroatien, Japan und Deutschland diskutierten mit zahlreichen GSoAtInnen, über eine entmilitarisierte Zukunft Europas.
Ein militärisches Verkehrschaos in Europa diagnostizierte Tobia Schnebli (GSoA Genf) in seiner Einleitung. Neben dem Gewirr von Allianzen und Zusammenarbeitsprojekten verläuft der «achtspurige Super-Highway» der Nato - die einzige funktionierende multinationale Militärstruktur. Tendenziell werden die Nationalarmeen professionalisiert, aber für ihre Länder nicht billiger gemacht. Ihre Aufgaben definieren sie zunehmend im Bereich von Out-of-aerea-Einsätzen, die als Feigenblatt für die Durchsetzung von Machtinteressen herhalten sollen.

Global versus lokal

Welche Rolle können Friedensorganisationen in diesem Szenario spielen? Einhellig wurde von den TagungsteilnehmerInnen die Vernetzung von Organisationen als Grundlage wirkungsvoller Arbeit genannt. «Alle kennen Toyota, aber wer kennt eine japanische Friedensorganisation?» fragte Yoshioka von der weltweit tätigen Organisation Peace Boat (Tokio). Ebenso klar war aber auch, dass es schwierig sein dürfte, eine gemeinsame Kampagne gegen die Etablierung einer Euro-Armee zu starten. Zu unterschiedlich sei das jeweilige politische Umfeld der Organisationen. Auch hier gelte es, global zu denken und lokal zu handeln, meinte Martin Lindt-Heinemann (International Physicians for the Prevention of Nuclear War, Hamburg). Besonders Vesna Terselic (Anti War Campaign, Zagreb) warnte vor vorschnellen Lösungen: «Die Balkan-Frage ist das Schwarze Loch, in dem manches Projekt der europäischen Friedensorganisationen verschwinden könnte.» Friedensorganisationen müssten zur Kenntnis nehmen, dass sich Menschen, die in gewaltsam geteilten Gesellschaften wie Bosnien lebten, auf Waffen verliessen und die Expansion der Nato begrüssten. Hier seien langfristige Perspektiven in der Menschenrechts- und Demokratisierungsarbeit angesagt.

Out of Aerea ist in

Als gemeinsamer Kritikpunkt und künftiges Arbeitsfeld aller vertretenen Organisationen erwies sich der Anspruch der Armeen, als ‹Friedensengel› in eskalierte Konflikte einzugreifen. Vor allem Organisationen aus Ländern, deren Armeen Kontingente für Blauhelme oder Nato-Einsätze stellten, haben dies zu ihrem Thema gemacht, so zum Beispiel das italienische ‹Comitato Golfo per la Verità sulla Guerra›. Piero Maestri vom ‹Comitato› sagte, die italienische Öffentlichkeit zeige Interesse für Kritik an solchen Einsätzen ihrer Armee. Das ‹Comitato› möchte die Milizarmee langfristig in einen Zivildienst umwandeln.
Anders sieht die Lage für Rafael Ajanguiz (Movimento de Objecion de Consciencia, Bilbao) aus: Spanien hat seine Milizarmee wegen starkem Widerstand der Wehrpflichtigen in eine Profi-Armee umgewandelt. Sie sucht dringend Anschluss an europäische Militärstrukturen, hat jedoch das Problem, das die Mehrheit der Spanierinnen und Spanier Erhöhungen des Militärbudgets strikte ablehnen.

Fortsetzung folgt

Die meisten ausländischen TeilnehmerInnen erachten es nicht als sinnvoll, in ihrem Land die Forderung nach der Abschaffung der Armee so direkt zu stellen, aber alle begrüssten die positive Signalwirkung der GSoA-Diskussion in der Schweiz.
Mit Plänen zu einer Folge-Tagung im März dieses Jahres zwecks Austausch von Informationen und Diskussion gemeinsamer Projekte ging die Tagung zu Ende. Einige Gäste nahmen auch an der Vollversammlung der GSoA am nächsten Tag teil und konnten so die Arbeit an der Entmilitarisierung der Schweiz mitverfolgen.