Kosov@/Nato MOMA Mai 1999

MOMA 5.99

Friedensbomben, Menschenrechtssoldaten und viele Fragen

Es herrscht Krieg. Krieg der serbischen Polizei und Armee gegen die Bevölkerung im Kosov@, Krieg des serbischen Regimes gegen Oppositionelle, Dissidente, unabhängige Medien, Krieg der Kosova-Befreiungsarmee UCK für die Unabhängigkeit des Kosov@, Krieg der Nato gegen Serbien, den Diktator, die militärische und zivile Infrastruktur und "gegen das Volk". Ein begrenzter Krieg, ein chirurgischer Krieg, ein humanitärer Krieg, ein gerechter Krieg? Nein, einfach ein Krieg. Ein Krieg mit allen Greueln und Exzessen, die zu einem Krieg gehören, mit zivilen Opfern, nationalistischer und militaristischer Propaganda und mit einer Dynamik, die aus einem Krieg immer noch mehr und noch weitere Kriege werden lässt.

Die Ziele dieser Kriege? Milosevic will die Albaner und die Opposition loswerden. Die Albaner wollen Jugoslawien loswerden. Die Nato will Milosevic loswerden (oder vielleicht doch das ganze Land?).

So führen alle Seiten ihren Krieg mit ihren Zielen, mit ihren Waffen, fühlen sich gerechtfertigt durch die Angriffe der anderen Seite und schliessen die eigenen Reihen in zunehmender Militanz und mit abnehmender Rationalität.

Die Sieger dieser Kriege? Alle. Keiner. Man musste kein Prophet sein, um die Konsequenzen der Nato-Bombardierungen vorherzusehen: Die Beschleunigung des Desasters und die Vertiefung der Perspektivelosigkeit. Genauso vorhersehbar ist der Ausgang aus dem Krieg: Wieder einmal wird der Westen, d.h. seine verantwortungslosen aber verantwortlichen Politiker mit Milosevic einen Vertrag unterschreiben.

Die Nato wird sich zur Siegerin erklären, weil sie einige ihrer Ziele militärisch durchgesetzt hat und weil sie aus der Sinnkrise nach den Kalten Krieg als alles bestimmende Kraft internationaler Politik entsteigt. Die radikalen Kräfte der Albaner werden sich als Sieger fühlen, weil sie de facto der Unabhängigkeit des Kosov@ einen grossen Schritt näher kommen und weil sie die neue Politik und Regierung des Kosov@ bestimmen werden. Und Milosevic wird sich im Land selber zum Sieger küren, weil sein Serbien alleine der ganzen Welt und dem stärksten Militärpakt standhielten und weil innenpolitisch Friedhofsruhe herrschen wird.

Wo in den letzten zehn Jahren ziviler Widerstand gegen das serbische Regime und zivile Hoffnung für den Kosov@ aufschien, da wird Schweigen herrschen. Milosevic kann jetzt der Nato die Schuld an allem und für alles geben: Wirtschaftsmisere, zerstörte Infrastruktur, Fabrikanlagen, Familien und Existenzen... Auf Jahre hinaus scheint die Nato mit den Bombardierungen Milosevics Macht gesichert zu haben. Wenn seine Legitimation dann eines Tages wieder angekratzt ist, bleiben ihm noch genügend Ziele: die oppositionelle Regierung in Montenegro, die Überbleibsel demokratischen Denkens in Serbien, die verbleibenden ethnischen Minderheiten (Muslime im Sandzak, UngarInnen und verbliebene KroatInnen in der Vojvodina, Roma im ganzen Land...).

Aber auch auf die Hunderttausenden vertriebener Kosov@-AlbanerInnen wartet keine Rückkehr in Würde und Sicherheit und keine Zukunft in Friede und Demokratie. Die radikalen Kräfte um die UCK haben klar zu erkennen gegeben, dass sie in einem zukünftigen Kosova die bestimmende Kraft sein wollen und sein werden. Ob sie militärisch als Bodentruppe der Nato oder diplomatisch vermittelt in Pristina einziehen, spielt dabei keine grosse Rolle: Der Machtkampf innerhalb der albanischen Gemeinschaft, der heute schon tobt, wird dann voll entbrennen. Auch auf albanischer Seite trägt jeder Tag der Nato-Bombardierungen zu einer Stärkung der Kräfte bei, mit denen Stabilität im Balkan längerfristig undenkbar ist. Auf serbischer wie albanischer Seiten wird die Gesellschaft zerstört, weil militarisiertes Konfliktmanagement sich nicht um die gesellschaftliche Entwicklung kümmert. Hauptsache, man gewinnt den Krieg. Friede herrscht.

Roland Brunner

5. Mai 1999/uh,
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