Kosov@/Nato MOMA Mai 1999

MOMA 5.99

Die anderen Stimmen

Zum Glück gibt es in der Schweiz nicht nur die Meinung (rot-grüner) PolitikerInnen. Einige Zitat und andere Stimmen zum Krieg, dokumentiert gegen das Vergessen in kurzlebigen Zeiten.

Carl Bildt, früherer Bosnien-Chefdiplomat hat vor den Bombardierungen gewarnt, die Luftschläge würden zu einer Million Vertriebener führen. "Die Leidtragenden der fahrlässigen Politik sind die Kosovo-Albaner."
Tages-Anzeiger 6.4.99

"Jeder, der die Region kennt, hat gewusst, dass Milosevic nicht nachgeben wird. Seine innenpolitische Machtposition ist sogar stärker geworden." – "Es ist ein Fehler, die Bombenangriffe auf ganz Serbien auszudehnen. Damit bringt der Westen die serbische Bevölkerung gegen sich auf." – "Die westlichen Verhandlungsführer haben sich selbst in eine Zwangssituation hineinmanövriert. (...) Mit der Diskussion über eine Fortsetzung des Dutyfree-Geschäfts hat sich die EU wesentlich ausführlicher beschäftigt als mit dem Kosovo-Konflikt."
Tages-Anzeiger 14. April

Angelo Gnädinger, Generaldelegierter des IKRK für Europa
"Das Land erstarrt unter dem Bombenhagel zusehends in Furcht und Schrecken. Mit wachsender Intensität der Nato-Luftschläge steigt auch die Gefahr, dass in Belgrad, Novi Sad und Nis normale Infrastrukturen - elektrische Leitungen, Heizsysteme, Kommunikationswege - zertrümmert werden. Die nächtlichen Einschläge werden für die Menschen zur Qual, vor allem für Kinder und Betagte, die nun schon seit einigen Nächten in den Luftschutzkellern kauern." Tages-Anzeiger 7.4.99

György Konrad, ungarischer Schriftsteller und Theoretiker
"Die Nato-Verantwortlichen verstehen, so scheint es, nur die Psychologie der Bombenden, nicht aber die der Bombardierten. Führer sehen nur Führer, nicht aber die Toten und Verletzten."
"Der Krieg gegen Milosevic hat sich zu einem Krieg nicht einmal nur gegen das serbische Volk, sondern gegen die Bürger Jugoslawiens ausgeweitet, denn schliesslich machen die Einschüsse in der Wojwodina keinen Unterschied, ob sie einen Serben oder einen Nichtserben treffen. Es ist zu einem Krieg gekommen, dessen Ziel es war, die Gewalt und das Töten zu beenden, aber Gewalt und Töten potenzieren sich nur noch. Das war vorhersehbar. (...) Gemäss der Logik des Grundgesetzes jeglichen Krieges – der Eskalation." "Mit diesem vielen Getöse wird der Konflikt in Kosovo nicht gelöst werden. Wo man sich bisher nichts angetan hat, dort wird man sich jetzt gegenseitig umbringen, weil die Bomben jegliche Hemmungen vergessen lassen, alles Handeln von verzweifelten Affekten geleitet wird. War man sich bisher schon fremd, so wird man sich fortan hassen. Und vergessen wir nicht: Sie konnten einmal friedlich zusammenleben."
"Indem sie ("die Führung der demokratischen Staaten") als Mittel gegen Gewalttätigkeit den Weg der Gewalt wählte, hat sie die Gewalt nur noch vervielfacht."
"Mit militärischen Drohungen lässt sich keine Demokratie installieren."
Tages-Anzeiger, 6. April 99

"Man setzt weiterhin auf seine (Milosevics) Vernunft, will sein Nachgeben und seine Unterschrift erzwingen – bevor er einem Kriegsverbrechertribunal überstellt wird. (...) Dahinter steckt angeblich die Überlegung, dass man Milosevic für eine diplomatische Lösung zu einem späteren Zeitpunkt noch braucht."
NZZ 6.4.99

"Ihr solltet Milosevic bombardieren. Aber wer in Novi Sad die Brücke zerstört, der hat das Gehirn eines Dinosauriers." (Zitat eines montenegrinischen Grenzpolizisten). "Jede Nato-Bombe fällt in Montenegro in ein politisches Kartenhaus."
Der Bund 9.4.99

Zita Affentranger
"Hunderte von Bomben haben die Nato dem erklärten Ziel, die Vertreibungen und Morde in Kosovo zu stoppen, nicht näher gebracht. Im Gegenteil, die Gewalt ist ins Unermessliche gewachsen, die kosovo-albanische Zivilbevölkerung ist den serbischen Gewalttaten schutzloser ausgeliefert denn je. Und eine Wende ist nicht in Sicht."
Kommentar auf der Titelseite Tages-Anzeiger 15.4.99

Peter Fürst
"Die Alliierten bombardieren das Land inzwischen rund um die Uhr, doch die Strategie bewirkt vorerst das, was sie verhindern wollte. (...) Die Nato-Luftschläge haben die Massenvertreibung beschleunigt."
Tages-Anzeiger 6.4.99

Oliver Fahrni
"Der Krieg ist verloren, der Schurke hat gewonnen." – "Im besten Fall hat sich die Nato in den Instrumenten vergriffen. Im schlechteren Fall, böser Verdacht, wird die ethnische Trennung billigend in Kauf genommen. Nicht der Schutz der Albaner wäre das Ziel, sondern die Disziplinierung Milosevics."
– "Clintons Motive für den Kosovo-Krieg sind kaum die verletzten Menschenrechte der Kosovaren." – "Washington hätschelte ihn (Milosevic) noch als Mann der Stabilität im Balkan, als der längst in Bosnien und Kosovo morden liess. Derweil ignorierte die Supermacht die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gründe, die das ehemalige Jugoslawien auseinanderrissen."
Weltwoche 15. April

Armin Guhl
"Ich stelle meine Dienste zur Verfügung, wo immer das von Nutzen ist", sagte (Uno-Generalsekretär) Annan, der sich bisher zum Konflikt kaum äusserte. Sein Schweigen ist beredt: Das erste Opfer des "gerechten Krieges" war das Völkerrecht."
Weltwoche 15. April

"Was aber geschieht, wenn das militärische Potential vernichtet ist, die Industrieanlagen in Trümmern liegen und Milosevic noch immer die Fäden zieht? (...) Wer wird dem zerstörten, stigmatisierten und von Europa abgekoppelten Land wieder auf die Beine helfen?"
NZZ-Editorial 10.4.99

Zoran Djindjic, Demokratische Partei Belgrad
"Die Menschen hier sehen die Intervention nicht gegen den Präsidenten, sondern gegen ihr Land gerichtet. Die ersten Bomben der Nato sind ja auch in der Umgebung von Belgrad gefallen. (...) Die Leute hier identifizieren jetzt westliche Demokratie mit Bomben. Wenn die Europäer oder die Amerikaner nicht mehr unsere Freunde sind, dann werden das in Zukunft die chinesischen oder russischen Kommunisten sein. Dies wäre fatal für Serbien, wenn sich eine Mehrheit auf diese Seite stellen würde. Denn dann haben wir nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft verspielt. (...) Solange Krieg herrscht, können wir nicht über Arbeitslosigkeit und die Löhne reden. Wir sind jetzt praktisch ausradiert. Wären heute Wahlen, würden wir null Prozent gewinnen."
Interview von Stephan Israel, Basler-Zeitung 8.4.99

Dragan Velikic, Schriftsteller, aus Belgrad nach Budapest geflohen
"Mit den ersten Bomben sind alle jene zum Verstummen gebracht worden, die anders gedacht haben. Diese Anderen, so kommt es am Ende heraus, sind reiner Überschuss, sowohl auf Milosevic' Rechnung als auch auf der des Westens. Sie stören die Strategie beider Seiten, und deswegen mussten und müssen sie vor allen anderen die ersten Opfer sein - in den Tagen, Monaten oder auch Jahren, die vor uns liegen. Die Möglichkeit, dass sie vom Erdboden verschwinden, ist sehr wahrscheinlich, umso mehr, als sie für keine Seite erwünscht sind. Sie sind das Hindernis in der leidenschaftlichen Umarmung der Kriegsparteien, die von der selben Leidenschaft erbebt."
Tages-Anzeiger, 8.4.99

5. Mai 1999/uh,
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