Kosov@/Nato 8. Mai 1999

SZ vom 08.05.1999

Neue PR-Truppe der Nato weckt Misstrauen

Journalisten fragen sich, ob das MCC der Vermittlung von Informationen dient oder der Beeinflussung von Meinungen

Von Peter Blechschmidt

Brüssel – Sie sitzen in zwei Konferenzräumen hinter der Sicherheitsschleuse; Journalisten, für die sie eigentlich da sind, haben Zugang nur nach Anmeldung. Sie sollen die Öffentlichkeitsarbeit der Nato verbessern, aber sie sind öffentlich nicht wahrnehmbar, und das rund um die Uhr.

Bis zu vierzig Leute bemühen sich seit einer Woche im MCC, dem "Media Coordination Center", hinter den Kulissen des Brüsseler Nato-Hauptquartiers darum, die Public-Relations-Kampagne der Allianz im Kosovo-Krieg zu orchestrieren. Der Plan dazu wurde im Weissen Haus in Washington und in der Londoner Downing Street ausgeheckt, im Umfeld des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und des britischen Premiers Tony Blair. Sie haben ihre besten Leute zur Verfügung gestellt, allen voran den fast schon legendären Blair-Berater Alastair Campbell, dem es im letzten Wahlkampf sogar gelang, das konservative Revolverblatt The Sun ins Blair-Lager zu ziehen.

Was genau die PR-Truppe tun soll, ist noch nicht klar erkennbar. Amtliche Sprecher sagen, sie solle Hintergrundmaterial für die Informationsveranstaltungen (Briefings) des offiziellen Nato- Sprechers Jamie Shea erarbeiten. Sie soll die von Shea schon ziemlich gut ausgebaute Methode des Themensetzens, also der offensiven Beeinflussung der öffentlichen Meinung, verfeinern. Sie soll die Medienaktivitäten in den Hauptstädten der Allianz-Staaten koordinieren, so dass nicht Tony Blair und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder womöglich zur gleichen Zeit auftreten und, was noch schlimmer wäre, vielleicht in Nuancen voneinander abweichen.

Shea lobt diese Initiative. "Ich weiss, ich bin ein guter Sprecher," sagt Shea. "Aber ich habe nie behauptet, dass ich der beste Manager der Welt bin." Tatsächlich ist das Wirken des Nato-Pressestabs eher kümmerlich. Er ist sympathisch in seiner unkonventionellen Art – kein Sprecher einer deutschen Minderheitspartei würde so ungehinderten Zugang zu seinem Büro gewähren wie Shea im Nato-Hauptquartier. Aber der Stab ist letztlich auch ineffizient. Der Kosovo-Krieg hatte die Organisation der Nato, vor allem ihre Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, kalt erwischt.

"Als sich herausstellte, dass dieser Konflikt länger dauern würde, wurde sehr schnell klar, dass wir schlicht nicht über die Strukturen verfügen, so etwas angemessen zu handhaben," räumt Shea ein. Als Ausdruck des Misstrauens gegenüber seiner Arbeit mag Shea den anglo-amerikanischen Vorstoss nicht sehen. "Ich bin noch da, ich gebe nach wie vor meine Briefings. Diese Leute helfen mir. Wir reden nicht davon, dass eine Seite die andere übernimmt," sagt Shea tapfer. In anderen Nato-Hauptstädten wurde dies anders gesehen. Deutsche, Franzosen, Italiener reagierten alarmiert auf die Nachricht, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Nato in Brüssel nun "professioneller" gestaltet werden solle. Sie argwöhnten, dass vor allem die militanten Töne aus Washington und London künftig die Melodie des Nato-Marsches bestimmen könnten. Alarmiert von Mitarbeitern in Brüssel, merkten die Regierungen in Bonn, Paris und Rom, dass hier eine weitere Keimzelle der anglo-amerikanischen Dominanz im Bündnis zu entstehen drohte.

Flugs meldeten sie ihren Anspruch an, im MCC mitzuarbeiten. Inzwischen sind die Deutschen mit fünf Experten aus Bundespresseamt, Aussenamt und Verteidigungsministerium im MCC vertreten. Ihre Aufgabe ist es, so der Sprecher der deutschen Nato-Botschaft Ingo von Voss, in der Meinungsbildung auch das unterschiedliche öffentliche Klima in den einzelnen Nato-Ländern besser zu berücksichtigen. Auch Frankreich und Italien haben, so Shea, "Freiwillige" in das MCC entsandt.

Die gewieften Brüsseler Nato-Korrespondenten haben inzwischen Witterung aufgenommen. "Wir wissen nicht, wer diese Leute sind. Wir haben sie nie gesehen," sagt ein altgedienter Reporter. "Plötzlich kriegst du einen Anruf, jemand erzählt dir etwas höchst vertraulich, und als Quelle darfst du nur Nato-Kreise angeben. Aber kannst du sicher sein, dass nicht ein paar Stunden später offiziell genau das Gegenteil gesagt wird?" Da kann der Journalist natürlich nicht sicher sei. Umso grösser ist das Misstrauen, dass MCC nicht mehr der Vermittlung von Informationen gilt, sondern der Beeinflussung von Meinungen.

Immerhin ist eines offensichtlich: Der bisher freie Zugang zum Büro Jamie Sheas ist jetzt optisch blockiert, indem ein grosser Schaltertisch vor Sheas Sekretariat gerückt wurde. Und ein Mitarbeiter Sheas hat plötzlich einen aufgeräumten Schreibtisch und Zeit zum Zeitunglesen.

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25. Mai 1999/uh,
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