Kosov@/Nato 20. Mai 1999

SZ vom 20.05.1999

Mehrere tausend Serben protestieren gegen Milosevic Demonstranten in drei Städten fordern Ende des Krieges / Angriff auf Zentrale der oppositionellen Demokraten

Von Bernhard Küppers

Belgrad – Nach acht Wochen Nato-Luftangriffen regt sich in der Bevölkerung Widerstand gegen das Regime des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. In Serbien wurden Demonstrationen gegen einen Wehrdienst im Kosovo fortgesetzt. Das Fernsehen und die Zeitungen des Belgrader Regimes verschwiegen die Protestkundgebungen in den Ortschaften Krusevac, Aleksandrovac und Cacak. Die Armee drohte "Organisatoren" mit harten Strafen wegen "Untergrabung der Verteidigung des Landes, Verrat und direkter Zusammenarbeit mit dem Feind". In Krusevac, 200 Kilometer südlich von Belgrad, wuchs die Zahl der Protestierenden von 3000 am Montag auf bis zu 6000 am Dienstag. Sechs Personen wurden verhaftet, wie die Belgrader Agentur V.I.P. meldete. Sie forderten erneut, keine Soldaten mehr in den Kosovo zu entsenden und den Krieg mit der Nato zu beenden. Steine und Eier wurden gegen das Rathaus geworfen. Später schritt die Polizei ein. Eine kleinere Menge versammelte sich noch einmal und richtete Zerstörungen am Haus des Bürgermeisters Miloje Mihajlovic an, eines Vertreters der Sozialistischen Partei von Milosevic. Er hatte den Demonstranten geraten, sich an die Militärbehörden zu wenden.

Auch in Aleksandrovac, westlich von Krusevac, demonstrierten am Dienstag wieder tausend Menschen. Am Montag waren der sozialistische Bürgermeister des Orts und seine Sicherheitsleute attackiert worden. Auslöser der Proteste war, daß am Freitag zehn gefallene Soldaten und eine größere Anzahl von Verwundeten nach Krusevac und Aleksandrovac gebracht worden waren. Angehörige von Soldaten hatten daraufhin am Montag gegen deren Entsendung oder Rückkehr zum Kriegsdienst protestiert. Auch forderten sie mehr Informationen aus dem Einsatzgebiet der Soldaten.

In Cacak soll am Dienstag für eine Beendigung des Kriegs mit der Nato demonstriert worden sein. Das Garnisonskommando der Armee in Krusevac erklärte im lokalen Fernsehen, am Montag und Dienstag sei in der Kleinstadt eine "Ansammlung von Bürgern mit der Forderung nach einer Heimkehr der Angehörigen von Kriegseinheiten organisiert" und in eine "zerstörerische Demonstration" verwandelt worden. Die Organisatoren hätten "die besten Gefühle von Eltern mißbraucht". Gegen Organisatoren und Anstifter sei ein Verfahren eingeleitet worden, wie es das Gesetz über den Kriegszustand vorschreibe.

Mehrere Dutzend Regime-Anhänger demonstrierten am Mittwoch gegen die oppositionelle Demokratische Partei von Zoran Djindjic vor deren Sitz in Belgrad. Am Tag zuvor hatten Unbekannte Scheiben der Villa eingeschlagen und die Fassade mit roter Farbe besudelt. Organisiert wurde die Demonstration von einem "Patriotischen Bund". "Das ist euer Blut", steht an der Villa geschrieben. Djindjic hält sich in Montenegro auf. Mit einer Befragung von angeblich zufällig ausgewählten Passanten unterstützte das staatliche Fernsehen die Übergriffe. "Das geschieht ihnen recht nach all ihren Erklärungen", sagte eine Passantin im Fernsehen. "Hier sollten serbische Flüchtlinge aus dem Kosovo untergebracht werden."

Die Staatsmedien steigerten indessen ihre Angriffe auf Djindjic und den prowestlichen Präsidenten von Montenegro, Milo Djukanovic, und berichteten über Forderungen nach einem Hochverratsprozeß gegen die beiden.

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25. Mai 1999/uh,
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