Kosov@/Nato | 24. Mai 1999 |
Zitate-Schnippsel zur Dokumentation und VerwendungBei mir hat sich im Verlauf der zwei Monate Nato-Bombardierung so das eine oder andere Zitat aus der Presse angesammelt, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Die Zitate stehen selbstverständlich zur freien Verfügung für allfälliges Recycling. Roland Brunner ZitateDie Nato, der Westen und der Krieg Carl Bildt, früherer Bosnien-Chefdiplomat hat vor den Bombardierungen gewarnt,
die Luftschläge würden zu einer Million Vertriebener führen. "Die Leidtragenden
der fahrlässigen Politik sind die Kosovo-Albaner."
"Man setzt weiterhin auf seine (Milosevics) Vernunft, will sein Nachgeben und
seine Unterschrift erzwingen bevor er einem Kriegsverbrechertribunal
überstellt wird. (...) Dahinter steckt angeblich die Überlegung, dass man
Milosevic für eine diplomatische Lösung zu einem späteren Zeitpunkt noch
braucht."
"Die Alliierten bombardieren das Land inzwischen rund um die Uhr, doch die
Strategie bewirkt vorerst das, was sie verhindern wollte. (...) Die
Nato-Luftschläge haben die Massenvertreibung beschleunigt."
"Die Nato-Verantwortlichen verstehen, so scheint es, nur die Psychologie der Bombenden, nicht aber die der Bombardierten. Führer sehen nur Führer, nicht aber die Toten und Verletzten." "Der Krieg gegen Milosevic hat sich zu einem Krieg nicht einmal nur gegen das serbische Volk, sondern gegen die Bürger Jugoslawiens ausgeweitet, denn schliesslich machen die Einschüsse in der Wojwodina keinen Unterschied, ob sie einen Serben oder einen Nichtserben treffen. Es ist zu einem Krieg gekommen, dessen Ziel es war, die Gewalt und das Töten zu beenden, aber Gewalt und Töten potenzieren sich nur noch. Das war vorhersehbar. (...) Gemäss der Logik des Grundgesetzes jeglichen Krieges der Eskalation." "Mit diesem vielen Getöse wird der Konflikt in Kosovo nicht gelöst werden. Wo man sich bisher nichts angetan hat, dort wird man sich jetzt gegenseitig umbringen, weil die Bomben jegliche Hemmungen vergessen lassen, alles Handeln von verzweifelten Affekten geleitet wird. War man sich bisher schon fremd, so wird man sich fortan hassen. Und vergessen wir nicht: Sie konnten einmal friedlich zusammenleben." "Indem sie ("die Führung der demokratischen Staaten") als Mittel gegen Gewalttätigkeit den Weg der Gewalt wählte, hat sie die Gewalt nur noch vervielfacht." "Mit militärischen Drohungen lässt sich keine Demokratie installieren."
"Das Land erstarrt unter dem Bombenhagel zusehends in Furcht und Schrecken. Mit
wachsender Intensität der Nato-Luftschläge steigt auch die Gefahr, dass in
Belgrad, Novi Sad und Nis normale Infrastrukturen elektrische Leitungen,
Heizsysteme, Kommunikationswege zertrümmert werden. Die nächtlichen Einschläge
werden für die Menschen zur Qual, vor allem für Kinder und Betagte, die nun
schon seit einigen Nächten in den Luftschutzkellern kauern."
"Die Menschen hier sehen die Intervention nicht gegen den Präsidenten, sondern
gegen ihr Land gerichtet. Die ersten Bomben der Nato sind ja auch in der
Umgebung von Belgrad gefallen. (...) Die Leute hier identifizieren jetzt
westliche Demokratie mit Bomben. Wenn die Europäer oder die Amerikaner nicht
mehr unsere Freunde sind, dann werden das in Zukunft die chinesischen oder
russischen Kommunisten sein. Dies wäre fatal für Serbien, wenn sich eine
Mehrheit auf diese Seite stellen würde. Denn dann haben wir nicht nur die
Gegenwart, sondern auch die Zukunft verspielt. (...) Solange Krieg herrscht,
können wir nicht über Arbeitslosigkeit und die Löhne reden. Wir sind jetzt
praktisch ausradiert. Wären heute Wahlen, würden wir null Prozent gewinnen."
"Mit den ersten Bomben sind alle jene zum Verstummen gebracht worden, die
anders gedacht haben. Diese Anderen, so kommt es am Ende heraus, sind reiner
Überschuss, sowohl auf Milosevic' Rechnung als auch auf der des Westens. Sie
stören die Strategie beider Seiten, und deswegen mussten und müssen sie vor
allen anderen die ersten Opfer sein in den Tagen, Monaten oder auch Jahren,
die vor uns liegen. Die Möglichkeit, dass sie vom Erdboden verschwinden, ist
sehr wahrscheinlich, umso mehr, als sie für keine Seite erwünscht sind. Sie
sind das Hindernis in der leidenschaftlichen Umarmung der Kriegsparteien, die
von der selben Leidenschaft erbebt."
"Haben die westlichen Regierungen die Vertreibung der Kosovo-Albaner bewusst in
Kauf genommen, als sie die Luftangriffe gegen Rest-Jugoslawien anordneten? Es
ist schwer zu glauben, dass die Nato-Strategen diese mögliche Konsequenz ihrer
Pläne übersahen. Statt eine menschliche Tragödie zu verhindern, hjatten die
Bombardierungen das Gegenteil zur Folge."
"Weshalb hat die gewaltigste Militärmacht aller Zeiten es nicht vermocht, einen Krieg zu verhindern? Ein Grund für die Eskalation liegt in der Aufstellung von Forderungen seitens der Nato, die für einen souveränen Staat demütigenden Charakter haben, und das erst noch in der Form von Ultimaten. Der andere Grund liegt in der Konzeptlosigkeit der Nato." "Nicht jeder, der sich über ein Verbrechen entrüstet, ist deswegen auch schon Richter, oder gar Henker, in der betreffenden Sache. Die Nato, die noch nicht einmal von ihren eigenen Statuten her, geschweige denn im allgemein anerkannten Völkerrecht die Befugnis zu solchen Eingriffen hat, gibt sich selbst das Recht dazu. Im innerstaatlichen Bereich spricht man in solchen Fällen von einem Bruch der Rechtsstaatlichkeit, von Willkür und Usurpation." "Das Vorgehen der Nato entspricht innerstaatlich der Berufung auf das gesunde Volksempfinden statt auf das bestehende Recht. Es gibt sich als Operation zur Sicherung der Menschenrechte aus und ist in Wahrheit eine Aktion, die bestehende Ansätze zum Aufbau rechtsstaatlicher Verhältnisse im internationalen System zerstört." "Aktionen wie diejenige der Nato in Jugoslawien sind Bausteine für eine neue
Weltordnung in der Form einer sich permanent auf Moral berufenden Perversion
des Rechts und zugleich Sand in die Augen einer moralsüchtigen
Weltöffentlichkeit."
"Ihr solltet Milosevic bombardieren. Aber wer in Novi Sad die Brücke zerstört,
der hat das Gehirn eines Dinosauriers." (Zitat eines montenegrinischen
Grenzpolizisten). "Jede Nato-Bombe fällt in Montenegro in ein politisches
Kartenhaus."
"Was aber geschieht, wenn das militärische Potential vernichtet ist, die
Industrieanlagen in Trümmern liegen und Milosevic noch immer die Fäden zieht?
(...) Wer wird dem zerstörten, stigmatisierten und von Europa abgekoppelten
Land wieder auf die Beine helfen?"
"Ich finde es einfältig, uns dauernd aufzufordern, zwischen Milosevic und
Clinton zu wählen, als ob es sich um das Tessiner Eishockey-Derby handelte."
"Jeder, der die Region kennt, hat gewusst, dass Milosevic nicht nachgeben wird. Seine innenpolitische Machtposition ist sogar stärker geworden." "Es ist ein Fehler, die Bombenangriffe auf ganz Serbien auszudehnen. Damit bringt der Westen die serbische Bevölkerung gegen sich auf." "Die westlichen Verhandlungsführer haben sich selbst in eine Zwangssituation
hineinmanövriert. (...) Mit der Diskussion über eine Fortsetzung des
Dutyfree-Geschäfts hat sich die EU wesentlich ausführlicher beschäftigt als mit
dem Kosovo-Konflikt."
"Hunderte von Bomben haben die Nato dem erklärten Ziel, die Vertreibungen und
Morde in Kosovo zu stoppen, nicht näher gebracht. Im Gegenteil, die Gewalt ist
ins Unermessliche gewachsen, die kosovo-albanische Zivilbevölkerung ist den
serbischen Gewalttaten schutzloser ausgeliefert denn je. Und eine Wende ist
nicht in Sicht."
"Als Beispiel für die falsche Planung braucht man nur die Teilrepublik
Montenegro mit dem sich zu Menschen- und Minderheitenrechten bekennenden
Präsidenten Milo Djukanovic zu nehmen (...) Man zerbombt nicht das Gebiet,
dessen Bevölkerung man helfen oder retten will."
"Der Krieg ist verloren, der Schurke hat gewonnen." "Im besten Fall hat sich die Nato in den Instrumenten vergriffen. Im schlechteren Fall, böser Verdacht, wird die ethnische Trennung billigend in Kauf genommen. Nicht der Schutz der Albaner wäre das Ziel, sondern die Disziplinierung Milosevics." "Clintons Motive für den Kosovo-Krieg sind kaum die verletzten Menschenrechte der Kosovaren." "Washington hätschelte ihn (Milosevic) noch als Mann der Stabilität im Balkan,
als der längst in Bosnien und Kosovo morden liess. Derweil ignorierte die
Supermacht die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gründe, die das
ehemalige Jugoslawien auseinanderrissen."
"Ich stelle meine Dienste zur Verfügung, wo immer das von Nutzen ist', sagte
(Uno-Generalsekretär) Annan, der sich bisher zum Konflikt kaum äusserte. Sein
Schweigen ist beredt: Das erste Opfer des 'gerechten Krieges' war das
Völkerrecht."
"Marschflugkörper und ähnliches Kriegsmaterial haben eine Ablaufzeit wie der
Käse im Selbstbedienungsladen. Wenn er nicht rechtzeitig verbraucht wird, muss
er weggeworfen werden, sonst kann man keinen neuen nachbestellen. Dies scheint
jetzt der Fall zu sein, man muss das Zeug irgendwie los werden."
"Schlimm war, die 'Friedensfronten' bröckeln zu sehen; seit einem Jahr wimmelte
es von Überläufern auf die Seite der Gewalt, erst mit dem Schulterzucken der
Ohnmacht, bald schon mit öffentlich wohlgesetzten Argumenten, die verrieten,
dass es diese Leute gewohnt sind, Überzeugungsarbeit zu leisten. Weisse Fahnen
braucht man nicht mal einzurollen, sie lassen sich wiederverwerten: ein
bisschen Farbe hier, ein Emblem dort, und schon sind Freunde da, Schulter
klopfend, Wärme gebend."
"Die Politik des Westens ist falsch, weil sie auf die irrationale,
verbrecherische Denkweise von Slobodan Milosevic eingegangen ist. (...)
Natürlich trägt Milosevic die Hauptschuld für die Entwicklung. Aber nun ist
auch die Nato dabei, Schuld auf sich zu laden. Ich habe den Eindruck, dass die
Nato mit den Bombardements Milosevic' sehnlichsten Wunsch erfüllt hat."
"Wenn man Bürgerkriege von außen nicht gewinnen kann, so kann man sehr viel
dazu beitragen, daß sie nicht erst entstehen. (...) Wer rechtzeitig politisch
und wirtschaftlich interveniert, vermeidet die Alternative, später entweder
hilflos zusehen oder blind draufschlagen zu müssen. Vorbeugung ist die
Strategie für eine moderne erfolgreiche Außenpolitik. Warum wird sie nicht
betrieben? Der Sicherheitsrat hatte 1992 den UN-Generalsekretär beauftragt,
sich Gedanken über die Prävention zu machen; bedacht haben die Politiker sie
nicht. Sie geben zwar leicht Unsummen Geld für die Zerstörung von
Infrastrukturen aus, drehen aber jeden Pfennig zweimal um, bevor sie ihn in den
Aufbau solcher Strukturen stecken. Man vergleiche nur die Aufwendungen für den
Krieg in Jugoslawien mit denen für den wirtschaftlichen Aufbau in Bosnien-
Herzegowina. Die Diskrepanz läßt sich nicht allein mit dem Kurzzeithorizont
erklären, in dem sich die Politiker notgedrungen bewegen. Sie unterbewerten
noch immer, daß der Adressat von Außenpolitik nicht eine Regierung, nicht
'Milosevic' ist, sondern eine Gesellschaft. Wenn sie nicht zustimmt, gibt es
keinen Erfolg."
"Unmöglich vorherzusehen, wie dieser Krieg weitergehen wird. Alle theoretisch
möglichen Optionen sind unwahrscheinlich und nicht wünschenswert. Es ist
undenkbar, einfach unbegrenzt weiter Bomben abzuwerfen, falls Milosevic bereit
ist, die Zerstörung der serbischen Wirtschaft in Kauf zu nehmen; es ist
undenkbar, dass die Nato mit der Bombardierung aufhört, wenn Milosevic hart
bleibt. Die Regierung Milosevic hat am Ende über Serbien einen kleinen Teil des
Leidens gebracht, das sie benachbarten Völkern zugefügt hat."
"Wenn nicht alles täuscht, herrscht im Verteidigungsdepartement offenbar die
Sorge vor, den Kosovokrieg zu 'verpassen'."
"Voraussehbar war die Entwicklung hin zum Krieg spätestens seit Sommer
vergangenen Jahres. Anstatt den Versuch zu unternehmen, sich mit Russland auf
eine gemeinsame Bearbeitung des Kosovo-Konflikts zu verständigen, drohte die
Nato Miloovic mit Luftangriffen. Diese Drohungen mussten die Regierung in
Moskau schon allein aus naheliegenden innenpolitischen Gründen mehr und mehr an
die Seite Belgrads bringen. Die Zusagen Milosevic' an US-Unterhändler Richard
Holbrooke vom Oktober 1998 (Waffenstillstand, Reduzierung der serbischen Armee-
und Polizeikräfte im Kosovo etc.) wertete die Nato als Beweis für die
Wirksamkeit ihrer Drohpolitik. Die zumindest gegenüber der Weltöffentlichkeit
vertretene Erwartung der Nato, sie könne Miloevic mit derselben Drohung zur
Unterzeichnung des Autonomieplans der Balkankontaktgruppe bringen, erwies sich
- ebenfalls absehbar - als schwere Fehlkalkulation. Andererseits erwecken
einige Artikel aus dem militärischen Implementierungsteil des Autonomieplanes,
die nicht lediglich eine Überwachungstruppe für das Kosovo, sondern ein
Nato-Besatzungsstatut für Restjugoslawien vorsehen, den Eindruck, die Autoren
des Plans hätten es von Anfang an auf die Ablehnung des Planes durch Belgrad
angelegt. Die nächste Fehleinschätzung war die Meinung der Allianz, nach ein,
zwei Bombennächten werde Miloevic schon nachgeben. Das Ergebnis ist bekannt:
Die Nato wurde seither immer mehr zum Gefangenen ihrer eigenen militärischen
Eskalationslogik. Parallel verschärfte Miloevic die Vertreibungsoffensive gegen
die Kosovo-Albaner. (...) Wesentliches Vehikel für diese Entwicklung war die
seit Anfang der 90er Jahre völlig selektiv und eurozentrisch geführte
Diskussion über die Notwendigkeit 'humanitärer Interventionen' mit
militärischen Mitteln - etwa zur Verhinderung oder Beendigung von Völkermord
oder anderen schweren Menschenrechtsverbrechen. Die Frage, ob derartige
'humanitäre Interventionen' nicht zumindest immer einer Mandatierung durch den
UN-Sicherheitsrat bedürfen, wird in weiten Teilen der westlichen Öffentlichkeit
nicht mehr mit Ja beantwortet. Das zeigt die Debatte um den Kosovo-Konflikt."
"Der Nato-Feldzug führte und führt zu einem humanitären Debakel. Er hat Elend
nicht verhindert, sondern miterzeugt. Er hat Vertreibung und Mord im Kosovo
angefacht wie ein Brandbeschleuniger. Niemand kann mehr ernsthaft bestreiten,
das Ausmass heutiger Verwüstung und Vertreibung sei Resultat des Nato-Angriffs.
Die Nato führt keinen Krieg gegen Milosevic, sondern gegen das serbische Volk.
Die albanischen Opfer werden in Kauf genommen."
"Als heuchlerisch nehme ich die Politiker wahr, die der Unterdrückung in Kosova
jahrelang tatenlos zugesehen haben und Abschiebungen dorthin als notwendig
erachteten. Dieselben Menschen sind jetzt zutiefst moralisch entrüstet über die
Greueltaten in Kosova. Wer jetzt einen sofortigen Stopp der Bombardements
fordert, sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, nichts gegen das Morden im
Kosova unternehmen zu wollen welche Perversion."
"Willy Wimmer, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vizepräsident der
Parlamentarischen Versammlung der OSZE und sicher unverdächtig linker
Neigungen, hat unlängst in einem Interview gesagt, dass offensichtlich ein
Erfolg der OSZE-Mission nicht gewünscht war und auf die Frage, wer den Erfolg
verhindert habe, antwortete er wie folgt: 'Zum Beispiel die UÇK. Zum Beispiel
diejenigen, die hinter der UÇK stehen und die Fäden ziehen. Die internationalen
Beobachter, die OSZE-Beobachter, sie haben eindeutig erklärt die
Verantwortlichen wohlgemerkt -, dass die jugoslawische Seite nach den
Oktober-Vereinbarungen sich an diese auch gehalten hat. Und dass hingegen die
UÇK systematisch diese unterlaufen hat. Sie ist in die leeren Räume wieder
eingedrungen, sie hat provoziert und, und, und... Das sind Dinge, vor denen ich
doch meine Augen nicht verschliessen kann. Und deswegen kann ich nur sagen:
Hier haben interessierte Kreise kein Interesse am Erfolg der OSZE gehabt, und
es ist bitter, bitter genug. Denn die OSZE-Beobachter haben in einer gewissen
Zeit auch wieder Ruhe und Stabilität in den Kosovo gebracht. Aber diejenigen,
die Sezession wollen, waren natürlich an der OSZE nicht interessiert, und das
wird auch auf Dauer so sein.'"
"Jede Bombennacht kostet 330 Millionen Dollar. Gemäss einer Aufstellung der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe vom 30. März) haben die USA in der
ersten Kriegsnacht so viel Geld ausgegeben, wie sie insgesamt den vom Hurrican
Mitch zerstörten Ländern Zentralamerikas an Hilfe versprochen haben."
"Der Krieg erzeugt eine eigene Logik. Sie hat nichts mit dem Lösen von
Konflikten zu tun, sondern zielt auf das Zerstören der Ursachen, die jedoch,
wenn man sie nicht ganz zerstören kann, um so stärker werden. (...) Je länger
sich Jugoslawien im Kriegszustand befindet, desto mehr werden die Morde an der
albanischen Zivilbevölkerung von der breiten Mehrheit der Serben,
einschliesslich der Intellektuellen, als legitime Form der Kriegsführung
akzeptiert."
"Fischers 'multiethnisches Kosovo' ist längst tot. Die einzige Frage, die sich
heute stellt: Werden im Kosovo Serben leben oder Albaner?"
"In Novi Sad vernichteten Nato-Bomben das Gebäude der Gebietsverwaltung, einen
wunderschönen, weissen Palast mit einem viereckigen hohen Turm aus den
dreissiger Jahren. Bemerkenswert dabei ist, dass Novi Sad, die Hauptstadt der
Vojvodina, von einer Koalition von Parteien verwaltet wird, die in Opposition
zu der serbischen Regierung stehen. Die Vojvodina ist stolz, das
multikulturelle Zusammenleben der vielen hier angesiedelten Völkerschaften -
Serben, Ungarn, Slowaken, Rumänen, Kroaten, Ruthenen, Roma - trotz aller
Schwierigkeiten bewahrt zu haben. 'Unsere Gemeinschaft wurde getroffen!' sagte
der ungarische Bürgermeister von Subotica, Jozsef Kasza."
"Durch Bill Clintons Brille besehen ist der Balkan schliesslich nichts weiter
als eine exotische Ausgabe von Arkansas, wo weiss sich nicht mit schwarz
vertrug und die Schulen erst integriert wurden, als Präsident Eisenhower in
Little Rock Truppen aufmarschieren liess. In Little Rock sind die Dinge seither
viel besser geworden; man lebt und lässt in gewissen Grenzen leben. Was dort
geschah, muss auch in Pristina geschehen. Oder andersherum: Wenn es in Pristina
nicht klappt, kann es letztendlich auch in Little Rock nicht klappen. (...)
Über dem Krieg in Kosovo flattert also das Banner der Vereinigten Farben und
Ethnien von Benneton. So und nicht anders hat sich Clinton seinen Krieg
gewünscht."
"Fischer wie Schröder gehen davo aus, dass die USA, die annähernd 500 der 715
eingesetzten Flugzeuge stellen, 'noch ein bisschen weiterbomben wollen', wie
ein hochrangiger Beamter des Bonner Aussenministeriums sagt. Wichtigstes
Kriegsziel der Amerikaner seit der vergangenen Woche sei glauben Fischer und
seine Leute nicht mehr die Verhinderung der 'humanitären Katastrophe'; die ist
ja längst geschenen. Statt dessen muss nun, wie es die Nato-Sprecher
formulieren, zuerst 'der Luftkrieg gegen Jugoslawien gewonnen werden'."
"Die Nato ist ein sehr erfolgreiches Sicherheitsbündnis der beteiligten Staaten. Sie garantiert durch die Präsenz der USA die Sicherheit Europas." "Ich glaube, der politische Charakter der Nato wird verkannt, wenn man zu sehr auf die militärische Hardware sieht." "Wir führen keinen Krieg, wir leisten Widerstand, verteidigen Menschenrechte,
Freiheit und Demokratie."
"Kurz vor dem Jubelgipfel zum 50. Geburtstag der Allianz am kommenden
Wochenende versinkt die Nordatlantische Allianz in einem Sumpf, in den sie
sehenden Auges hineinmarschiert ist. Rat- und willenlos bombt der Westen
weiter, weil niemand einen Ausweg weiss aus dieser Spirale der Gewalt. (...)
Nichts könnte die Realität des Grauens, das jeder Waffeneinsatz in sich birgt,
wirksamer demonstrieren als Dutzende Opfer ausgerechnet unter jenen Menschen,
zu deren Schutz und Rettung die Nato vor beinahe vier Wochen angetreten war."
"Das Osterradio spielt The Logical Song von Supertramp und Good Vibrations von
den Beach Boys, dazwischen Kriegsmeldungen: 25 amerikanische
Apache-Hubschrauber sollen die Ost-Comanchen im Kosovo zivilisatorisches
Verhalten lehren. Der Logical Song hat im Text genau die Wortfolge, um die es
im Verhalten der alten Pazifisten geht: radical liberal cynical. Then they
taught me how to be acceptable, respectable ... Die Lehre, die der Rocksong
unausgesprochen enthält: Akzeptiert und respektiert in dieser Gesellschaft ist,
wer letztlich den Krieg annimmt und sich vor den Kriegsherrn beugt bzw. ihr
Agent wird, acceptable, respectable. Das Stück beginnt mit den Worten "When I
was young" und handelt von den Qualen des Erwachsenwerdens: dem Einstieg des
Kinds in die Begriffswelt. Wörter wie 'sensible' und 'natural' werden überdeckt
von langen Wörterketten der Reihe logical, practical, philosophical, cynical,
radical, criminal, fanatical, das Altsaxophon spielt die Rolle der Stimme des
Kindes, es geht am Ende in Schreie und Stöhnen über, bedrängt von der Gewalt
der Begriffssysteme."
Klaus Theweleit, Autor der "Männerphantasien" und des "Buch der Könige",
forscht über Generationenmathematik, Geschlechterpolitik und Körpergeschichte.
"Warum ist der Bombenkrieg der Nato kein Krieg, sondern eine humanitäre Intervention? Die systematische Austreibung der Kosovo-Albaner - nach geltendem internationalem Recht: Völkermord - beantwortet die Frage scheinbar von selbst. Aber eben nur scheinbar. So kurz kann gar kein öffentliches Gedächtnis sein, um nicht mehr zu wissen, dass der Massenexodus erst nach Beginn der Nato-Luftschläge einsetzte. Seit dem 24. März 1999 bis zum 19. April sind laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aus dem Kosovo 602'000 Vertriebene nach Makedonien, Albanien und Montenegro gelangt. Zwischen März 1998 und dem 24. März 1999, der Zeit des reinen Bürgerkrieges, waren es 171'000 Menschen, also durchschnittlich 14'000 im Monat. In den ersten vier Wochen des Bombenkrieges gegen Jugoslawien explodierte die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen also auf das Dreiundvierzigfache der Vormonate. Nur eine zufällige Zeitgleichheit? Selbst wenn sich bestätigen würde, dass der Vertreibungsexzess in Belgrad von langer Hand geplant war, bleibt die Tatsache unübersehbar: Die Bomben und Raketen der Nato haben ihn nicht verhindert und können ihn weiterhin nicht verhindern. Beide Vorgänge laufen mit trotziger Verstocktheit nebeneinander her. Die Zerstörung von Häusern, Fabriken, Kraftwerken, Strassen, Brücken schädigt die Serben, aber sie hilft keinem einzigen Albaner. Eine humanitäre Intervention ist das allenfalls der Absicht nach, nicht jedoch in der Wirkung. Um jedes Missverständnis auszuschliessen: Die Schuld an Verbrechen trägt derjenige, der sie begeht. Nicht die Nato verjagt und misshandelt die Kosovaren, sondern die militärischen und paramilitärischen Schergen unter Belgrader Kommando. Wer aber die Ausführung von Untaten fahrlässig begünstigt, macht sich mitschuldig. Das Versagen der westlichen Politik in der Kosovo-Krise besteht in einer langen Reihe fataler Missgriffe. Sie beginnt mit dem Ingangsetzen der einseitigen Drohspirale im Juni 1998 und endet mit dem Rambouillet-Ultimatum vom März 1999. Nicht nur Miloevic, auch kein anderer jugoslawischer Politiker irgendeiner Couleur hätte diesen Vertrag unterschrieben. (...) Um einen komplexen ethnonationalen Konflikt hoher Gewaltvirulenz erfolgreich
eindämmen zu können, bedarf es der ganzen Bandbreite erfolgsfähiger
Instrumente: der politischen Krisenprävention, der friedlichen Streitbeilegung,
der Schlichtung und Vermittlung sowie auch der Unterbindung bereits
ausgebrochener Gewalt, notfalls durch Gegengewalt. Zweifellos verfügt Europa,
verfügt der Westen über sämtliche dieser Instrumente und zusätzlich über ein
breites Reservoir an positiven wie negativen ökonomischen Sanktionsmitteln. Die
Nato hingegen hat nur ein einziges Mittel, dieses jedoch im Übermass:
militärische Macht. Sie ist ein Bündnis, sie denkt und sie handelt wie ein
Bündnis: parteilich und nach den Maximen der höchstwirksamen Bekämpfung eines
Gegners. In politischer Konfliktmoderation mit Augenmass und Stehvermögen hat
sie weder Kompetenz noch Erfahrung. Als Monopolist für Krisenbewältigung in
Europa ist sie eine Fehlbesetzung.
"Auf Dauer kann die Allianz keinen Krieg führen, der das bewirkt, was er zu
verhindern vorgibt, und in dem nur unschuldige Zivilisten die Opfer sind. (...)
Die gegenwärtig geführten Luftangriffe gründen immer noch nur auf der Hoffnung,
dass Milosevic schliesslich einlenken wird."
"Die Nato ist zum Erfolg verdammt. Wir können uns nicht leisten zu verlieren.
Wir haben zu viel Zeit, Anstrengungen und Mittel investiert, um nachzugeben,
bevor unsere fünf zentralen Forderungen erfüllt sind."
"Die Nato, die in keinem Fall zulassen will, dass Präsident Milosevic auch noch den Frieden diktiert, kann von ihren Forderungen nicht abrücken. Sie ist zum Siegen verurteilt und scheint sich auf einen längeren Krieg einzustellen. (...) Ein gefährlicher Herd politischer Instabilität wird ein zerstörtes, besiegtes und gedemütigtes Serbien sein, das erst noch Gefahr läuft, in seine ethnischen Bestandteile zu zerfallen. Das sollte auch die Nato bedenken." Leitartikel in der Neuen Zürcher Zeitung NZZ vom 24.4.1999
"Die durch die Nato verursachten Zerstörungen werden Serbien teuer zu stehen
kommen. Sie werden die Bemühungen mehrerer Generationen zunichte machen, eine
Infrastruktur im Land aufzubauen. Aber sie zerstören auch die Rudimente
demokratischer Institutionen. Im Ergebnis wird entgegen den Erwartungen sowohl
im Westen als auch in der Region ein Auflehnen gegen Milosevic immer
unvorstellbarer. Herauskommen wird dagegen wahrscheinlich dies: Milosevic'
Überleben und seine uneingeschränkte Alleinherrschaft, ein Staatsstreich und
eine Militärdiktatur oder Machtkämpfe zwischen einzelnen Warlords und totales
Chaos. Keine dieser Alternativen würde einen positiven Politikwechsel in
Belgrad bringen."
"Es sei ein Hohn, das Leben von Nato-Piloten aufs Spiel zu setzen, um
Ölraffinerien zu zerbomben, wenn Belgrad den Treibstoff importieren könne,
heisst es in Washington. Allerdings hat man nicht nur das Leben der
Nato-Piloten, sondern auch jenes unschuldiger Zivilisten aufs Spiel gesetzt
für ein Ziel, das sich, wie sich jetzt zeigt, eher mit politischen denn mit
militärischen Mitteln erreichen lässt. In Sachen Öl haben die Nato-Schläge
letztlich ins Leere getroffen."
"Wir haben natürlich das Ziel, Milosevic zur Annahme der gesetzten Bedingungen
zu bringen, noch nicht erreicht. Es ist uns auch noch nicht gelungen, das
nachträglich formulierte Ziel zu erreichen, den Vertreibungen und der
humanitären Katastrophe in Kosovo Einhalt zu gebieten. Das müssen wir offen und
ehrlich zugeben. Aber es ist uns gelungen, in den inzwischen über dreissig
Tagen der Luftoperationen den Militär- und Polizeiapparat erheblich zu
schwächen. Der Zeitpunkt des Erfolgs wird in entscheidendem Masse davon
abhängen, wieviel Verantwortungsbewusstsein Milosevic noch für sein Volk
empfindet. (...) Wenn ein Land dermassen grosser Schaden zugefügt wird, dann
muss jede realistisch denkende Person erwarten, dass Milosevic einlenkt. (...)
Es stelle sich die Frage, ob Milosevic das Wohlergehen eines ganzen Volkes mit
dem Anspruch auf ethnische Dominanz, das mit keinerlei internationalem Recht
mehr vereinbar ist, wirklich aufs Spiel setzen will."
"We must do more to reach out our children and teach them to express their
anger and to resolve their conflicts with words, not weapons."
"Dieser Krieg, so sagen die westlichen Politiker, wird für Demokratie und
Menschenrechte, gegen Diktatur und Barbarei geführt. Die schärfsten Befürworter
des Krieges waren früher gegen den Vietnamkrieg, Skeptiker der
Nato-Osterweiterung und sind eher befremdet, wenn vom nationalen Interesse die
Rede ist. Ohne diese "68er" wäre dieser Krieg politisch unmöglich. Fast scheint
es, als hätte amnesty international die Nato zu ihrem militärischen Werkzeug
gemacht. Der politische Idealismus scheint die selbstsüchtige Realpolitik
besiegt zu haben. Ist das kein Grund zum Jubeln? Einen Moment! Denn durch die
moralische Legitimierung des Krieges bringt sich der Westen selbst in einen
Zugzwang, dem er kaum genügen können wird. Der Vorwurf, scheinheilig zu sein,
wird ertönen, eine Glaubwürdigkeitskrise die Folge sein. Der Widerwillen,
Bodentruppen einzusetzen und das Leben westlicher Soldaten aufs Spiel zu
setzen, ist der erste offenkundige Bruch mit jener hochfliegenden moralischen
Kriegslegitimation. Zudem wird der Westen künftig moralisch verpflichtet
werden, in ähnlichen Sitationen zu intervenieren - und sich zu Recht den
Vorwurf der Doppelmoral (wenn nicht des Rassismus) einhandeln, wenn er sich
weigert einzugreifen. Vorstellbar ist, dass Führer ethnischer Minderheiten
versuchen werden, die Mehrheit zu Gewalttätigkeiten zu provozieren - in der
Hoffnung, dass dann die Nato auf ihrer Seite interveniert. Das bedeutet: nicht
weniger, sondern mehr gewalttätige Konflikte. Und der Westen wird 'gerechte
Lösungen' für ethnische Konflikte und Unabhängigkeitskämpfe finden müssen, in
denen es keine gerechten Lösungen geben kann - sondern nur ein Entweder-Oder.
Ausserdem beansprucht der Westen mit dieser Aktion die Position moralischer
Überlegenheit gegenüber dem Rest der Welt. Der Westen führt einen einsamen
moralischen Kreuzzug und wird damit antiwestliche und berechtigte Ressentiments
ernten. Glaubt man den Politikern, kämpft der Westen gegen die Barbarei. Das
bedeutet: Der Westen beansprucht neuerdings alleine, die Zivilisation zu
verkörpern - und er glaubt, diese Mission mit Bomben durchsetzten zu dürfen,
wenn es ihm angemessen erscheint."
"Die Hoffnung auf ein Einlenken Milosevics scheint vor allem dem Wunschdenken
westlicher Politiker zu entspringen, die sich an jeden aus Belgrad gereichten
Strohhalm klammern."
"Die Nato, die heute Krieg führt, hat mit der ursprünglichen Organisation fast
nichts mehr gemein. Das jetzt in Washington verabschiedete Konzept einer
künftigen Bündnisstrategie ist deshalb auch viel mehr als eine
Weiterentwicklung der ursprünglichen Allianz es ist in der Substanz die
Gründung eines neuen Militärpaktes. (...) Es ist kein Zufall, dass diese neue
Nato, noch bevor sie amtlich richtig registriert ist, bereits bombt. Im
Gegensatz zu der alten Organisation, die bei Strafe ihres Untergangs eine
Kriegsverhütungsorganisation war, ist die neue Nato eine Organisation, die
Krieg führen können soll. Dies ist keine moralische Wertung, es beschreibt
lediglich die veränderte Funktion."
"Dieser Krieg ist ein Desaster, niemand hat ihn mehr in der Hand. Wer dafür
zahlt, sind die einfachen Leute."
Mai 1999"Wie können Leute, die noch die Zerstörung der Brücke von Mostar als Barbarei
bezeichnet haben, jetzt diese Bombardierungen der Nato befürworten?"
"Die verschiedenen Kompromisssignale, die Milosevic in den letzten Tagen
gegeben hat darunter die Freilassung der drei gefangenen US-Soldaten -, wertet
Washington als Versuch, die Nato-Länder zu spalten. Der stellvertretende
US-Aussenminister, Strobe Talbott, tat sie als 'PR-Trick' ab und erklärte, die
Nato bombardiere Serbiens Regierung, sie verhandle nicht mit ihr."
"Die Allianz stehe kurz vor dem Erreichen der 'Ziele ihrer Luftkampagne'. Die
selbstzufriedene Äusserung des Nato-Generalsekretärs lässt Fragen offen. Welche
Ziele sind gemeint? Anfangs waren es drei. Politisch sollte die Unterschrift
Belgrads unter Rambouillet erzwungen werden. Jetzt muß wohl ein neuer Vertrag
ausgehandelt werden, der die veränderte Lage nach den Vertreibungsgreueln
berücksichtigt. Der Schutz der Kosovo-Albaner galt als zweites und humanitäres
Ziel. Dieses ist ebenfalls nicht erreicht. Das Elend, das man verhindern
wollte, ist vielmehr schreckliche Realität. Ein drittes, militärisches Ziel
wurde nachgeschoben, die Zerschlagung der Fähigkeit der jugoslawischen Armee,
Gewaltakte im Kosovo zu verüben. Angesichts der anhaltenden Vertreibungen ist
auch dies gescheitert. Nüchtern bilanziert, besteht das Resultat von etwa
12.000 Einsätzen der Nato insofern vor allem in der Zerstörung der
jugoslawischen Infrastruktur."
"In Belgrad drängt sich die Frage auf: Wie soll die Auflösung einer
humanitären Katastrophe in Serbien, die tragische Situation der
kosovo-albanischen Flüchtlinge in Makedonien, Albanien und Montenegro
verbessern? Und wenn das schon nicht funktioniert, was ist dann der Sinn dieser
systematischen Zerstörung Serbiens?"
"Der Krieg der Nato um das Kosovo hätte nur gewonnen werden können, wenn
Jugoslawien bereits nach den ersten Bomben kapituliert hätte. Denn dann hätte
niemand gemerkt, daß er in Wahrheit schon verloren war. (...) Die für die
Weltgesellschaft wesentliche Unterscheidung lautet nicht gut oder böse, sondern
kalt oder warm. Wer lernt, und zwar in jeder Situation lernt, das heisst nicht
nur gelernt hat, ist kalt. Der jugoslawische Präsident ist in diesem Sinne
kalt, denn er kennt seinen Westen. Er hat ihn dort studiert, wo er am
westlichsten ist, als Banker in New York. Und er treibt die Nato zur
Verzweiflung, weil er täglich neu lernt und bereits aus den ersten Bomben
gelernt hat, daß er den Krieg politisch gewonnen hat, sosehr er ihn auch
militärisch verlieren mag. Unsere linken Politiker dagegen sind warm. Sie
wenden die Idee der 'atlantischen Wertegemeinschaft' gegen einen Feind, den sie
einer archaischen Gemeinschaftsideologie bezichtigen. Unsere Politiker sind
warm, denn sie müssen nicht mehr lernen, sondern nur noch dem Richtigen zum
Durchbruch verhelfen. Aber sie sind hilflos, wenn ihnen nicht Wärme, sondern
Kälte begegnet."
Ungarns "Aussenminister Martonyi wiederholte am Dienstag, dass Ungarn einen von
seinem Territorium ausgehenden Angriff mit Bodentruppen strikt ablehne und
ausschliesse, da eine solche Operation in der Vojvodina die Gefahr von
Vertreibungen und einem neuen Völkermord mit sich brächte."
"Heute sind die Kosovo-Albaner Opfer der serbischen Angriffe, so wie es vor
einigen Jahren die bosnischen Muslime waren. Aber die Herren von der Nato, die
grossen Strategen und Spezialisten in Sachen chirurgisch genauem Krieg ein
Krieg, an dem auch Flugzeuge meines Landes teilnehmen bombardieren die
Zivilbevölkerung und zerstören die Brücken. Vielleicht wissen sie nicht, dass
sie dadurch jegliche Hoffnung auf einen Dialog zwischen den Völkern des Balkans
zerstören."
"Als eine grosse Nation, als die einzige Supermacht darf sich Amerika nicht der
Arroganz der Gewalt und der Vergötterung der Macht hingeben."
"Da wochenlange Bombardements die ethnischen Massaker und Deportationen durch
das serbische Regime nicht stoppen konnten, ist die humanitäre Schlacht auf dem
Balkan für das Bündnis jetzt die grosse Chance, das lädierte Image wieder auf
Hochglanz zu polieren. Im Brüsseler Hauptquartier hat man aus den
Interventionen in Rwanda und Somalia oder aus dem sudanesischen Bürgerkrieg
gelernt: Die humanitäre Hilfe ist eine Kriegsressource und die Kontrolle der
Flüchtlingsströme von strategischer Bedeutung. (...) Die von der Nato immer
wieder genannten logistischen Probleme beim Transport von mehreren
hunderttausend Kosovari in den Süden Albaniens seien in Wahrheit nur ein
Alibi', glaubt inzwischen auch ein Sprecher von EU-Kommissarin Bonino. 'Uns
kommt es so vor, als wolle die Nato die Präsenz der Flüchtlinge an der Grenze
als zusätzliches Druckmittel gegen Belgrad einsetzen.'"
"Ob Saddam oder Slobodan, Adolf Hitler ist immer dort, wo der Westen hinbombt.
(...) Weil es so viele Hitler gibt, fällt mit jeder Bombe auf Belgrad dem
kollektiven Gedächtnis der Deutschen ein Stein vom Herzen."
"Junge Frauen, die aus Kosovo geflüchtet sind, werden nach Angaben der
Uno-Hochkommissarin (Sadako Ogata) insbesondere in Albanien von Banden zur
Prostitution gezwungen. (...) Weiter heisst es in dem Bericht, es bestehe die
reale Gefahr, dass Flüchtlinge von der Kosovo-Befreiungsarmee UCK
zwangsrekrutiert würden."
"In diesem doppelgesichtigen Krieg sieht die Bilanz für den Westen gegenwärtig
nicht gut aus. Besser wird sie auch nicht, wenn die Nato in Brüssel es nicht
unterlassen kann, sich angesichts strategischer Fehlschläge mit den Erfolgen
neuer Waffen zu brüsten."
"Dass die Nothilfe so spät zustande kommt, obwohl jahrelang auf jede
Verhandlung neue Menschenrechtsverletzungen folgten, und dass die zur Hilfe
aufgeforderten Staaten überdies aus wirtschaftlichen Interessen Öl- und
Waffenlieferungen duldeten, ist ein Skandal. (...) Dass sich die
Aussenpolitiker des Westens auf die Schwierigkeiten Jugoslawiens nach dem Tode
Titos nicht vorbereitet hatten und dass sie nach vielen Jahren erfolgloser
Verhandlungen anscheinend ohne durchdachte Strategie eingreifen, ist wohl ein
zweiter Skandal. (...) Militärische Handlungen, die vorhersehbar Unschuldige
treffen und das sich alle Zivilisten -, sind nicht bloss politisch unklug,
sondern rechtsethisch unzulässig. Soll eine humanitäre Intervention berechtigt
sein, dann gewiss nicht um der Rechthaberei, sondern ausschliesslich um dem
Recht zu dienen."
"Es gibt Hinweise dafür, dass die lohnenden Ziele allmählich ausgehen. In
letzter Zeit wurden vermehrt Anlagen erneut bombardiert, welche die Nato schon
früher getroffen hatte."
"Am Sonntag räumte aber ein General ein, dass der Allianz langsam die
lohnenswerten Ziele ausgehen könnten. Sie kann ja, überspitzt formuliert, nicht
jedes Transformerhäuschen zerstören; der 'Grenznutzen' der Zerstörungen droht
zu sinken."
"Die Luftangriffe der Nato haben in einem einzigen Tag das erreicht, wofür
Milosevic jahrelang gekämpft hat: Die unabhängigen Medien wurden zum Schweigen
gebracht denn es ist Krieg; alle Bürgerrechte wurden ausser Kraft gesetzt
denn schliesslich haben wir Krieg: die ohnehin grosse Zahl der Leichen, die
sich hier seit Jahren türmen, wurden noch grösser denn, sollten Sie es
vergessen haben, wir befinden uns im Krieg! (...) Nach 20 Tagen fürchterlicher
Luftangriffe, die das ganze Land umgepflügt, Menschen getötet, Städte zerstört
haben, ist der Staat noch immer derselbe. Das offensichtliche Versagen der
Nato-Politik, die die Bürger dieses Landes mit Bomben bestraft, zeigt sich
darin, dass sich die Obrigkeit um keinen Deut geändert hat. Das Land ist
verwüstet, die Obrigkeit hingegen stärker denn je."
"Der Luftkrieg, mit dem die Nato den Vertreibungsplan unterbinden wollte,
verfehlte diesen Zweck. Die Inkongruenz von politischen Zielen und den Mitteln
eines auf High-Tech setzenden Militärapparates wird immer deutlicher. Die
Bombardierung der Infrastruktur zerstört auch die industrielle Zivilisation
die Lebensgrundlage der Bevölkerung. (...) Luftkrieg darf keine willkürliche
Kriegshandlung sein, sondern in Demokratien bedarf jedes Ziel der öffentlichen
Erklärung."
"In diesem Krieg und wir benutzen dieses Wort bewusst zwischen Jugoslawien
und der Nato ist eine beispiellose Vermischung der Rollen der humanitären und
militärischen Akteure zu beobachten. In der Kosovo-Krise übernehmen die Truppen
mehr und mehr Verantwortung für humanitäre Aufgaben. Aufgaben, bei deren
Erfüllung sie naturgemäss zwar mitwirken, die sie jedoch nicht in vollem Umfang
wahrnehmen können. Das grundlegende Prinzip des Humanitarismus ist es, den
Bedürfnissen der Verletzlichsten gerecht zu werden, ohne in einem Konflikt
Partei zu ergreifen. (...) Die Zerstörung von Wasser- und
Stromversorgungsanlagen in Serbien hat viele Menschen der Gefahr von Epidemien
ausgesetzt. (...) Ich habe die Nato-Führung an die Pflicht erinnert, Angriffe
auf Objekte oder Einrichtungen zu beschränken, die für die Wirksamkeit der
militärischen Operationen des Gegners von Bedeutung sind."
"Ich möchte betonen, dass humanitäre Aktionen nur glaubwürdig sind, wenn sie
neutral, unparteiisch und unabhängig von politischen Kräften durchgeführt
werden. Eine Armee ist nicht unabhängig. Sie kann versuchen, unparteiisch zu
sein. Neutral ist sie nie."
"Jahrelang habe ich vor dem Konfliktpotential in der Region gewarnt. Statt
dessen hat die Europäische Union ausführlicher über die Fortsetzung des
Duty-free-Geschäfts diskutiert als über das Kosovo."
"Leider haben erst die Nato-Luftschläge die Voraussetzungen und Möglichkeiten
zu den ethnischen Säuberungen geboten. (...) Jetzt bombardieren wir Jugoslawien
und zerstören alles, was Leute, die nie zu Milosevic gehört haben, mühsam
aufgebaut haben. Wir zerstören das, weil wir angeblich Milosevic treffen
wollen. Aber der Präsident selbst ist kein Ziel. Wir sagen zwar, dass wir den
Menschen im Kosovo helfen wollen, aber wir machen genau das Gegenteil. Wir
verkünden die allgemeinen Menschenrechte und verletzen sie selbst. (...) Seit
dem Beginn des Balkankonflikts handelt der Westen total verantwortungslos. Die
Nato-Luftschläge sind der letzte Beweis dieser Verantwortungslosigkeit. (...)
Montenegros Präsident MiloDjukanovic sagte mir: 'Die internationale
Gemeinschaft hat seit 1989 einen Fehler nach dem anderen begangen, und jetzt
strafen sie uns für ihr eigenes Versagen.' Wir sind mitten im Teufelskreis der
Gewalt. Einen Asweg finden wir nur, wenn wir akzeptieren, dass wir diese
Schlacht verloren haben, weil wir die falschen Instrumente benutzten."
Jiri Dienstbier, Uno-Sonderbeauftragter für Menschenrechtsfragen, in:
"Frieden zu schaffen ist komplizierter als Krieg zu führen. Wir müssen uns auf
den Frieden besser vorbereiten, als wir, die internationale Gemeinschaft, auf
den Krieg vorbereitet waren."
"Die amerikanische Politik war Russland gegenüber erschreckend unsensibel. Nach
dem Wegfall der Machtbalance zwischen Ostblock und Nato spielen die Amerikaner
ihre Vormachtstellung völlig unbekümmert aus. Sie benehmen sich wie ein Elefant
im Porzellanladen. Dieses Porzellan ist nicht so ohne weiteres wieder zu
kitten. Der Westen hat sich als schlechter Sieger des Kalten Krieges erwiesen,
vor allem in psychologischer Hinsicht. (...) Es wäre gefährlich, die Nato nun
weiter nach Osten auszudehnen. Die Allianz muss ihre Struktur überdenken. Sie
ist eine Organisation aus dem Kalten Krieg. (...) Russland ist viel zu schwach
geworden, als dass es noch eine Gefahr für seine Nachbarn darstellen könnte.
Mit der Osterweiterung der Nato destabilisiert man Russland, schürt die
nationalistischen KJräfte und fällt den mehr oder minder demokratisch gesinnten
Politikern in den Rücken. Ich fände es auch paradox, wenn der Westen jetzt die
Dienste Russlands in Kosovo in Anspruch nimmt und anschliessend Rumänien,
Bulgarien oder gar Albanien durch einen Nato-Beitritt belohnen würde."
"Now, allied troops will be confronting a ruined landscape and shattered
population. Just figuring out where to house a peacekeeping force has become
more problematic. 'Four month ago, we assumed we'd move into Serb barracks when
Yugoslav forces left,' a senior administration official said. 'Well, we've
destroyed all the Serb barracks.' (...) A sudden massive surge of ethnic
Albanians back into the province could disrupt the deployment of the
internationale peacekeeping force and overwhelm efforts to clear away mines and
booby traps. On the other hand, U.U. officials recognize the practical
impossibility of forcibly impeding refugees from going back. Soe one idea being
persued is to start advising refugees now who are camped in Albania and
Macedonia of the potential dangers of rushing home and promise them help in
resettling if they await the green light."
"Die Uno wurde marginalisiert, das IKRK musste abziehen, und die meisten
Hauptakteure der internationalen Gemeinschaft können im humanitären Bereich
nicht agieren, weil sie Konfliktpartei sind."
"Die gefährlichsten Kriegstreiber unserer Zeit sind nicht die Konservativen,
sondern eine regierende Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen, weil sie die
Einzigen sind, die Kriege führen und gleichzeitig den Protest auf der Strasse
lähmen."
"Milosevic, der Hauptverantwortliche der Tragödie in Kosovo, versucht nun auch
noch, die Bedingungen für den Frieden zu diktieren oder zumindest der Nato
einige Zugeständnisse abzuringen. Der Westen darf sich auf einen solchen Handel
nicht einlassen. Im Falle eines Nachgebens wird sich Milosevic erst recht als
Held und Verteidiger Kosovos feiern lassen, der dem mächtigsten Militärbündnis
der Welt die Stirne geboten hat wie einst der serbische Fürst Lazar in der
Schlacht auf dem Amselfeld den heranstürmenden Osmanen. Dass Serbien zerstört
ist und um Jahrzehnte zurückgeworfen wurde, stört Milosevic wenig. Seine
Propagandisten werden auch weiterhin dafür sorgen, dass die Bevölkerung die
westlichen Werte mit Bomben gleichsetzt. (...) Der dürstere Albtraum serbischer
Regimegegner könnte schon bald Wirklichkeit werden: Kosovo ist verlorenm,
Serbien ist zerstört und Milosevic ist noch immer an der Macht."
"Die albanischen Kämpfer (UÇK) sollen die Dreckarbeit verrichten, während die
Nato aus der Luft bombardiert. Eine bequeme Lösung für den Westen ein
Bodenkrieg, ohne eigenes Blut zu vergiessen. Das klingt logisch und sieht auf
dem Papier ganz einfach aus. Die Realität sieht etwas anders aus. Gestern
musste die Nato zugeben, dass sie am Donnerstag eine Stellung der UÇK
bombardiert hat."
Nie wieder Auschwitz!" 'Nie wieder Auschwitz.' Das ist ideologisch im übelsten Sinne des Wortes: die
Rationalisierung eigener Mitschuld am Verbrechen durch 'moralische' Verklärung,
die Vertugendung eigenen Verhaltens. Ob sich Auschwitz für solche Zwecke
eignet, darüber werden Aussenminister Fischer und seine Kollegen früher oder
später Rechenschaft ablegen müssen."
"Es liegt auf der Hand, dass die gegenwärtigen Bombardierungen Serbiens nicht
als Ersatz für die vergangenen Versäumnisse in Auschwitz dienen können. Denn
anstatt das Morden zu stoppen, bewirken sie das Gegenteil."
"Die ethnische Säuberung ist juristisch gesehen kein Genozid, weil sie nicht
auf die Zerstörung aller einzelnen Individuen eines Volkes oder einer Gruppe
zielt. Die ethnische Säuberung operiert aber mit einer symbolischen Zerstörung.
Männer im wehr- und zeugungsfähigen Alter lässt man verschwinden. Den
Deportierten nimmt man die Papiere ab, Gemeindearchive mit standesamtlichen
Dokumenten werden verbrannt."
UÇK"Längst hat sich die UÇK zum unverzichtbaren Nato-Partner gemacht, liefert
täglich militärische Hinweise an das Bündnis. In den Brüsseler Lageberichten
('Nato Confidential') machen die UÇK-Informationen das Gros aus. Diplomaten
plädieren für Zurückhaltung. Sie sorgen sich, dass die UÇK nach Kriegsende die
Macht völlig an sich reissen wird. Der Anfang ist gemacht: Die UÇK hat eine
neue Regierung ausgerufen, als Ministerpräsident agiert jetzt Hashim Thaçi, der
Führer der politischen Abteilung der UÇK. Auch die Ministerposten für
Verteidigung, Finanzen, öffentliche Ordnung und Information hat die UÇK für
sich beansprucht. Rugovas Partei hat sich dagegen ausgesprochen die LDK sei
nicht gefragt worden."
"Dass es den UÇK-Rebellen inzwischen gleichwohl gelungen ist, die bisherige,
gewaltfreie Politik des Präsidenten Ibrahim Rugova in die achtziger Jahre
zurückzuschiessen und sich der Welt als neue Herren in Kosova zu präsentieren -
das ist schon Tragödie genug. Den Westen hatte Rugova seit acht Jahren bekniet,
seine gewaltfreie Politik zu unterstützen. Doch der Westen schien sich selbst
dann nicht zu wundern, als die militanten Herren ohne jegliche Legitimation in
Rambouillet mit am Verhandlungstisch sassen. Nun muß er die Geister wieder
loswerden, die er rief."
"In Kukes zeigt sich die UCK ganz offen, und zwar an der Seite der regulären
albanischen Armee."
"Wir sind die Bodentruppen der Nato. Noch halten wir uns zurück. Wir warten auf
den Moment, bis die serbischen Truppen so weit geschwächt sind, dass sie ihre
militärische Überlegenheit nicht mehr ausspielen können."
"Sollte sich eines Tages gar, was gewisse Strategen im Westen offenbar hoffen,
die Befreiungsarmee Kosovo gegen die durch die Luftangriffe geschwächten
serbischen Truppen durchsetzen, dann müsste die Nato wohl erneut eingreifen;
diesmal allerdings, um Massaker albanischer Extremisten an den Serben zu
verhindern."
"Die radikaleren Kräfte unter den Kosovo-Albanern haben die Macht übernommen.
Armee und Regierung im Exil rüsten von Albanien aus für eine neue Offensive. In
kleineren Gruppen sind Freiwillige aus Westeuropa Richtung Albanien unterwegs,
um sich dem bewaffneten Kampf anzuschliessen. Auch das Heer der Zehntausenden
Kosovo-Flüchtlinge in Albanien ist ein ideales Rekrutierungsfeld. Während die
Hilfswerke die ankommenden Flüchtlinge zählen, zählen die Rebellenführer
kampfbereite Männer."
"Baton Haxhiu, der Chefredaktor von 'Koha Ditore', der wichtigsten
kosovo-albanischen Tageszeitung, die seit wenigen Tagen im mazedonischen Exil
wieder erscheint, beschreibt die gegenwärtige Lage der Kosovo-Albaner mit
ungeschminkten Worten: 'Wir befinden uns im politischen, militärischen und
moralischen Bankrott.' Der ökonomische Zusammenbruch ist mit der Plünderung und
Zerstörung in Kosovo ohnehin offensichtlich, auch wenn es wenig Fernsehbilder
davon gibt. Ein Kommentar in Haxhius Zeitung trug allerdings den verzweifelt
zweckoptimistischen Titel: 'Dieser Krieg hat nur einen Sieger Kosovo'. Viele
Kosovo-Albaner klammern sich an die Hoffnung, dass die Nato schliesslich doch
noch eine Entscheidung zu ihren Gunsten erzwingen werde."
Derzeit gibt es drei politische Gruppen, die die Führung im Kosovo übernehmen
möchten: der gewählte Präsident Ibrahim Rugova und seine Demokratische Liga
Kosova (LDK), die Exilregierung unter Premierminister Bujar Bukoshi und Ihre
Exilregierung unter Hashin Thaci. Wie könnten Sie sich miteinander arrangieren?
Eine Zusammenarbeit ist unmöglich. Rugova hat acht Jahre lang behauptet, er
habe die Unabhängigkeit des Kosovo in der Tasche. Bukoshi sagte, er habe eine
Armee. Nichts davon war wahr. Es ist ja wohl kein Zufall, daß sich die
Vertreter der Kosovo-Albaner auf Thaci als Verhandlungsführer in Rambouillet
geeinigt haben. Im übrigen haben Rugova und die LDK mittlerweile die
Unterstützung des Volkes verloren. Durch das Treffen mit Miloevic und anderen
Serben hat er uns verraten. Er ist auch keine Geisel der Serben, wie es in den
Medien berichtet wurde.
"Unser Ziel ist klar: In Rambouillet haben wir ein Dokument unterzeichnet, das
uns die Unabhängigkeit nicht verbürgt. Mit den Vertreibungen wurde das Abkommen
von Rambouillet hinfällig. Wir wollen ein freies, unabhängiges Kosova, das sich
als moderner, demokratischer Staat in ein friedliches Europa einfügen kann."
"Wenn die Stunde der Bilanz kommt, werden die BellizistInnen von links die
Kosten vom 'humanitären' Standpunkt aus dann ehrlich auflisten wollen?"
"Es ist nicht ein Krieg, es sind zwei. Es ist ein grausamer Bürgerkrieg mit
einer langen Vorgeschichte in einer vom Hass paralysierten europäischen Region,
und es ist ein cooler, aus der Luft geführter Hightech-Krieg, der mit dem
primitiven Bürgerkrieg am Boden nur insofern zu tun hat, als er der Nato
Vorwand und Legitimation liefern soll.
"Rugova war schon immer ein Präsident ohne Land; nun hat er auch noch einen
grossen Teil seines Volkes verloren und das im wörtlichsten Sinn. Was immer
Rugova in der nächsten Zeit zur Beendigung des Krieges zu tun gedenkt, die
radikalen Kosovo-Albaner werden ihn als 'Verräter' und als 'Marionette
Belgrads' brandmarken. Anders als Rugova waren sie bereit, viele Tote und
grosse Zerstörung in Kauf zu nehmen, um die serbische Herrschaft abzuschütteln.
Heute sind sie ihrem Ziel um vieles näher, als Rugova es je war."
"Solange das 'kriminelle Regime' des jugoslawischen Präsidenten Milosevic an
der Macht ist, wird die UÇK keine Entwaffnung akzeptieren."
"Heute ist unbestreitbar, dass Rambouillet offenbar nur als Vorspiel zur
Nato-Bombardierung diente. (...) Clinton fühlte sich bemüssigt zu erklären,
dass die Nato nicht gegen das serbische Volk sondern gegen Milosevic Krieg
führe. Tatsächlich aber war kein Duell zwischen Milosevic und Clinton im Gange.
Beide waren nicht in Gefahr, den Bomben und Raketenangriffen ausgesetzt zu
sein. Wie immer traf auch dieser Krieg von der ersten Minute an die
Zivilbevölkerung. (...) Nato-Bomben sind keine Bomben sui generis, sie wirken
nicht anders als andere Bomben. Trotzdem begrüssen die meisten Medien den Krieg
als wäre er nicht ein Verbrechen sondern so etwas wie eine ultima ratio. Die
gängigen Medien in Westeuropa und den USA sind geradezu zur kriegsführenden
Nato-Partei geworden. (...) Die 'humanitäre Intervention' ist jedoch nur eine
Erfindung der Zweckpropaganda und kein Institut des geltenden Völkerrechts."
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Mai 1999/uh, info@medienhilfe.ch, http://www.medienhilfe.ch/ ,gsoa@gsoa.ch, http://www.gsoa.ch |