Das Recht, nicht hin zu gehen

Auch für pragmatische Antimilitarist*innen gibt es durchaus Gründe, das Recht auf Selbstverteidigung eines angegriffenen Landes anzuerkennen. Ob sich jemand daran beteiligen will, muss jedoch immer ein individueller Entscheid ohne Zwang sein – egal ob in der Schweiz, in Österreich oder der Ukraine.

«Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.» Dieser ebenso utopische wie pragmatische Leitsatz galt und gilt in vielen Situationen. Für US-Soldaten in Vietnam, für französische Truppen im algerischen Unabhängigkeitskrieg oder nun für russische Militärs in der Ukraine. Würden sie sich weigern zu kämpfen, wäre der Krieg vorbei, und zwar sofort.

Weder Russland noch die Ukraine anerkennen derzeit das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. In beiden Ländern werden Männer willkürlich auf der Strasse zum Wehrdienst eingezogen und mit Gefängnis bestraft, wenn Sie sich weigern, in den Krieg zu ziehen. Beispielsweise Vitaliy Aleksienko, den ein Berufungsgericht in Iwano-Frankiwsk zu einem Jahr Gefängnis verurteilte, obwohl sowohl die Verteidigung als auch die Anklage auf Freispruch plädiert hatten, da Vitaliy religiöse Gewissensgründe geltend machte. In einem anderen Fall wird einem Rekrutierungsbeamten vorgeworfen, gezielt zwei junge Sportler eingezogen zu haben, die in seinen Augen zum falschen Handballverein gewechselt waren.

In der Ukraine können solche Praktiken weiterhin in Frage gestellt werden. Selbst hohe Militärs kritisieren in der Presse, dass die Zwangsrekrutierten für die Front nicht geeignet seien. In Russland wird Widerstand gegen die Wehrpflicht hingegen zunehmend kriminalisiert. Diesen Juni wurde die «Bewegung der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen in Russland» zum «Ausländischen Agent» erklärt. Die Organisation berät junge Russen, die sich gegen die Rekrutierung zum Militärdienst wehrten und ist wie die GSoA Mitglied der War Resisters’ International.

Botschaftsasyl

Während sich in der Ukraine gemäss der deutschen TaZ einige Zehntausend Wehrpflichtige weigern, Militärdienst zu leisten, sind es in Russland Millionen, die sich von den Rekrutierungsbehörden verstecken oder sich ins Ausland abgesetzt haben.

Menschen aus Russland, welche sich dem Dienst in der Armee verweigern, haben in der Schweiz keine Chance, Asyl zu erhalten. Dabei sollte die Schweiz Asyl nicht nur für Russen gewähren, die bereits in die Schweiz gelangt sind, sondern das auch in Schweizer Botschaften ermöglichen. Nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch weil wir alles Interesse daran haben, dass keine*r mehr hingeht.

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