“Erschossen werden ist weniger qualvoll”

Die Gegner der Initiative für den Schutz vor Waffengewalt bieten im Abstimmungskampf immer wieder Grund zum Kopfschütteln und Stirnrunzeln. Hier haben wir einige der haarsträubendsten Zitate aus Interviews und Leserbriefen zusammengetragen.

 

Frauen

Einige Aufmerksamkeit erheischte Verteidigungsminister Ueli Maurer mit dieser Aussage auf dem Podium einer SVP-Versammlung:

“Ich habe den Eindruck, wir haben komische Frauen in der Schweiz. Sie heiraten Verbrecher, und kaum sind sie verheiratet, werden sie von morgens bis abends mit einer Waffe durch die Wohnung gejagt.”

In einem Interview doppelte Ueli Maurer nach:

“Heute quittieren viele Männer den Dienst bevor sie 30 Jahre alt sind. Die meisten von ihnen sind dann noch nicht verheiratet. Von daher stellt sich das Problem immer weniger.”

Aha, stimmt. Dann ledige Männer haben schliesslich noch keinen Grund, Suizid zu begehen. Und ihre Freudinnen zu bedrohen, kommt ihnen auch nicht in den Sinn.

Noch ein bisschen weiter geht dieser Leserbrief. Nach mehrmaligem Lesen bin ich zum Schluss gekommen, dass es sich nicht um Ironie handelt:

“Andere Länder haben schon die Erfahrung gemacht, dass bei einem Waffenverbot die Morde an Ehefrauen durch Erwürgen in die Höhe schnellten. Erschossen werden ist weniger qualvoll. Bleibt der in diesen Spalten oft geäusserte Vorschlag, dass man einen Kurs absolvieren müsste, um Waffen zu erwerben. Wäre es nicht viel logischer, einen Kurs mit Diplom abzuschliessen, um eine Ehefrau zu erwerben? Die Vermittlung von Kenntnissen über die artgerechte Haltung eines Weibchens könnte nicht schaden.”

Auch dieser Leserbriefschreiber hat gewisse Mühe, sich in die Situation bedrohter Frauen hineinzuversetzen:

“Zum Thema Angst der Frauen möchte ich sagen, dass ich das einerseits verstehe, andererseits aber aus Erfahrung weiss, dass diese Angst unbegründet ist.”

Auf welche Erfahrungen er sich wohl beruft?

Wirklich deutlich wird jedoch erst dieser Mann in der Wiler Zeitung, einem Ableger des St. Galler Tagblatts:

“Ich bin zwar nicht prinzipiell gegen das Frauenstimmrecht, finde aber, dass sich Frauen in Themen einmischen, bei denen sie nichts zu sagen haben. Das zählt zum Beispiel für die Abstimmung am kommenden Wochenende über die Waffen.”

Bedrohung

Immer wieder haben wir uns natürlich gefragt: Wovor haben unsere Gegner eigentlich Angst? Diese Ausschnitte aus Leserbriefen können vielleicht eine Antwort darauf geben:

“Stellen Sie sich mit Ihrem Nein gegen die rot-grüne Koalition, die als Steigbügelhalter für den Weltkommunismus schlechthin gilt.”

Hmm… Eigentlich dachten wird, dass der Weltkommunismus seit 1989 von der politischen Bühne verschwunden ist.

“Ein deutscher General sagte 1941 zu Hitler: «Die Schweiz werden wir militärisch nie erobern können, die Schweiz muss von innen erobert werden.» Heute sind wir fast so weit.”

Eine heimliche deutsche Invasion hat also bereits begonnen!? Nicht eine Bedrohung wie 1989, sondern eine wie 1945?

Oder ist es doch fieser? Sind es etwas nicht nur die Deutschen, die der Eigenossenschaft den Garaus machen wollen – sondern ein ganzer Kontinent?

“Der «Schutz» ist nur ein Vorwand, um anständige Schweizer zu entwaffnen, zwecks Einverleibung in die EU.”

Ui! So ist das also..!

“Als Nächstes kommt die Abschaffung der Armee dran. Ist das vollbracht, ist auch der Wille zur Erhaltung der Eigenständigkeit unserer Heimat gebrochen. Wir können dann mit unserem guten Franken und mit flatterndem Banner in der EU untertauchen, den Franken mit dem serbelnden Euro und die Fahne mit dem blauen EU-Hudel tauschen.”

Ist doch offensichtlich: Von der Lagerung der Armeewaffen im Zeughaus bis zur Abschaffung des Schweizerkreuzes ist es nur noch ein kleiner Schritt.

“Werft nicht den Schlüssel zum Tresor in den unersättlichen grossen Rachen der EU bzw. in den Schlund einer Handvoll Pazifisten, Armeeabschaffern und in den Hals der linken Möchtegerne-EU-Parteien.”

Da bleibt uns Armeeabschaffern nichts mehr anders übrig, als einmal leer zu schlucken – ohne Schlüssel im Rachen.

Demokratieverständnis

Der Respekt vor der direkten Demokratie scheint im Lager der Initiativgegner leider auch noch nicht so überragend zu sein, wie man es sich vorstellen könnte.

“Die Waffen-Initiative ist überflüssig und hätte dem Souverän gar nicht vorgelegt werden dürfen.”

Ein anderer Leserbriefschreiber geht nicht ganz so weit:

„Diese Initiative ist keine Initiative im eigentlichen Sinne, sondern ein schwerer Missbrauch der Gefühle von Menschen.”

“Ein strammer Schweizer missbraucht keine Gefühle, sondern nur Schusswaffen!”, würde man beinahe anmerken wollen. Auch mit dem Respekt vor den politischen KonkurrentInnen hapert es teilweise ein wenig:

„Persönlich habe ich das Gefühl, dass dies eine rein emotionale Initiative unwissender, ängstlicher Menschen ist.”

In den meisten Leserbriefen werden uns Hinterhältigkeit und böse Absichten unterstellt. Von daher sind Unwissenheit und Ängstlichkeit schon fast eine wohltuende Abwechslung.

“Für all die jungen Menschen, die in strenger, anspruchsvoller Dienstzeit ihre Pflicht der restlichen Bevölkerung gegenüber treu erfüllen, ist die Entwaffnungsinitiative ein schmutziger Schlag ins Gesicht.”

Eine kurze Umfrage unter den Militärdienstleistenden in der GSoA hat ergeben: Keiner hat durch den schmutzigen Schlag in unsere Gesichter einen bleibenden Schaden davon getragen.

Realitätsverweigerung

Viele Leserbriefschreiber hatten einige Mühe, sich an Tatsachen zu halten. Vorallem zu den Suizidstatistiken haben wir viele Behauptungen gelesen. Aber diese hier stellt alles in den Schatten:

“Die Behauptung, dass die Armeewaffe zuhause eine Gefahr darstellt, ist falsch. Das Oberauditorat in Bern erfasst sämtliche Vorfälle, wobei die Resultate sogar die Initiativgegner erstaunen. Die Militärjustiz gab folgende Resultate bekannt:

2009: null Tötungen, null Suizide, null Körperverletzungen, 13 Missbräuche.
2010: null Tötungen, null Suizide, null Körperverletzungen, vier Missbräuche.”

Während zwei Jahren nicht ein einziger Mord, nicht einziger Suizid, kein einziger Verletzter. Wenn es doch nur so wäre…

Ebenfalls viel Phantasie beweist der Verfasser dieses Leserbriefes:

„Bei der Annahme der Initiative entstehen Kosten von mehreren hundert Millionen. Und zwar nicht nur jährlich, sondern auch wiederkehrend!”

Sie wundern sich, wofür das viele Geld gebraucht würde? Ein anderer Leserbrief versucht eine Antwort darauf zu geben:

„Für die Umsetzung der Initiative werden mehr als 500 neue Staatsstellen geschaffen.”

500 Stellen? Wie würde man die wohl alle beschäftigen? Das VBS fände sicher eine Lösung: 1 Angestellter verwaltet die Sturmgewehre und 499 zählen rund um die Uhr nach, ob immer noch gleich viele Waffen wie am Vortag im Zeughaus sind.

Faszinierende Argumente

Immer wieder überraschten uns die Initiativgegner auch mit Argumenten, mit denen wir wirklich nicht gerechnet hatten:

„250 000 Schusswaffen sollen also in den Schweizer Zeughäusern eingelagert werden. Ist diese grosse Zahl gelagerter Waffen nicht eine Einladung, sich mit Einbrüchen zu bedienen? Chaoten und Terroristen wird es freuen.”

Stimmt, bisher lagern in Schweizer Zeughäusern erst Handgranaten, Munition, Plastiksprengstoff und Flugabwehrraketen. Einbrüche von Terroristen in diese Gebäude müsste man aber erst fürchten, wenn auch noch die Sturmgewehre dort aufbewahrt würden.

“Die trauernde Mutter mit ihrem ermordeten Kind hat nichts mit der Armeewaffe direkt zu tun, sondern damit, dass unsere Gesellschaft krank geworden ist. Krank durch die kranken Gedanken der 68er-Generation.”

Die 68er bereiten erstaunlicherweise auch anderen Leserbriefschreibern Kopfzerbrechen:

“Ist es den 68ern und deren Nachwuchs tatsächlich gelungen, aus einem verantwortungsvollen Volk eine verantwortungslose Lottergesellschaft zu züchten, welcher der Staat nicht einmal mehr eine Waffe anvertrauen kann?”

Interessant ist auch diese Logik:

“Es kann doch nicht sein, das[s] unter dem momentan grassierenden Sicherheitswahn alles verboten oder massiv eingeschränkt wird. Zuerst die Promille-Grenze, die z. B. den Weintrinker auswärts einschränkt. Dann das Rauchverbot. Und nun diese Initiative.”

Zuerst verbieten sie uns, besoffen Auto zu fahren, dann nehmen sie uns das Sturmgewehr weg. Am Schluss werden sie uns noch verbieten, in einer Tankstelle ein offenes Feuer zu machen, diese elenden Freiheitsfeinde!

Mein persönlicher Liebling ist jedoch dieser Leserbrief:

„Die Waffeninitiative verlangt die Aufbewahrung der Waffen im Zeughaus, wie dies auch im Iran 1979 der Fall gewesen ist. Als Zivilisten haben damals die kommenden Revolutionsgardisten angeblich friedlich gegen den Schah demonstriert, und da die Menschenrechte der EU und UNO den Soldaten des Schah verbaten, auf diese Revolutionsgardisten zu schiessen, konnten diese ungehindert in die Zeughäuser/Arsenale der Armee eindringen und sich der hier deponierten kleinen und grossen Waffen bemächtigten.

Die Folge dieser scheinbar sicheren Aufbewahrung der Waffen im Zeughaus ist die, dass heute im Iran Ehebrecherinnen gesteinigt werden, und dass diese ehemals friedlichen Demonstranten an der Atombombe herumbasteln können, um damit den Staat und das Volk Israel auslöschen zu können.”

In einem Satz von der Aufbewahrung des Sturmgewehrs im Zeughaus direkt zur Atombombe gegen Israel – das muss man erst einmal schaffen. Um die ganze Absurdität dieses Leserbriefes geniessen zu können, muss man sich den Ablauf der Ereignisse im Iran 1979 vor Augen halten. Die Revolution gegen den Shah wurde damals – ähnlich wie heute in Ägypten – von der ganzen Bevölkerung getragen, die Mullahs kamen erst nachher wirklich an die Macht.

Dieser Leserbriefschreiber beklagt sich nun darüber, dass die Soldaten des Shahs nicht die friedlichen Demonstrationen der Opposition zusammengeschossen haben. Und das bloss, weil diese verdammten Menschenrechte sie daran gehindert haben… Gleichzeitig forderte er aber, dass genau diese Zivilisten bewaffnet werden sollen… Wer diesen Widerspruch auflösen kann, wende sich bitte vertrauensvoll an gsoa@gsoa.ch.

Gefährliche Scheinsicherheit

Haben Sie vor diesem Winter schon einmal von “gefährlicher Scheinsicherheit” gehört? Nein? Kein Wunder, der Ausdruck ist vor Dezember 2010 auch in keiner Zeitung je aufgetaucht. Aber dann, ganz plötzlich…

  • Solothurner Zeitung: “Die Initiative täuscht eine gefährliche Scheinsicherheit vor”
  • St. Galler Tagblatt: “…, dass diese Initiative eine gefährliche Scheinsicherheit vortäuscht.”
  • Urner Zeitung: “Die Initiative täuscht eine gefährliche Scheinsicherheit vor.”
  • Zuger Zeitung: “… vermittelt eine gefährliche Scheinsicherheit.”
  • Limmattaler Tagblatt: “…, verspricht eine gefährliche Scheinsicherheit.”
  • Willisauer Bote: “Die Initiative schafft eine gefährliche Scheinsicherheit”
  • Zürichsee-Zeitung: Titel – “Gefährliche Scheinsicherheit”
  • Die Südostschweiz: “Es ist eine gefährliche Scheinsicherheit.”

Plötzlich, ab dem 4. Dezember ging in den Leserbriefseiten aller Schweizer Zeitungen die Scheinsicherheit los. Schlussendlich tauchte die Scheinsicherheit fast achtzig Mal in den Zuschriften der Initiativgegner auf.

Ich würde meinen: Es hat nichts mit Schein-, aber sehr viel mit Sicherheit zu tun, wenn man Schnellfeuergewehre statt in Schweizer Kellerabteilen in gesicherten Räumen der Armee lagert. Und etwas anderes bin ich auch sicher: Nicht alle diese Leserbriefschreiber sind auf eine Schlag selber auf die Idee gekommen, den Ausdruck “gefährliche Scheinsicherheit” zu verwenden.

Es gibt definitiv bessere Aufbewahrungsmöglichkeiten für eine Waffe als Zuhause!

 

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