Gruppe für eine Schweiz ohne Armee

Demo-Rede

 

Samir, Schweizerisch - Irakischer Filmemacher.

Rede gehalten an der Demonstration gegen den Irak-Krieg vom 2. Nov. 2002

"Es kommt nicht zum Krieg!" Das sagen im Moment viele meiner Schweizer Freunde. "Schau mal, der Weltökonomie geht es sehr schlecht und Bush kann es sich nicht leisten, Krieg zu führen und Schröder und Chirac und die Russen und die Chinesen sind auch dagegen!"
Ein altes Sprichwort sagt: "Singen die Herren vom Frieden, dann bereite dich auf den Krieg vor!" Wer während der letzten Monate aufmerksam die Politik verfolgte, weiss: Die Bush Administration hat angekündigt, dass die USA, egal was die UNO beschliessen wird, den Krieg gegen den Irak führen werden… Ich bin in Baghdad geboren, doch dank Saddam Hussain habe ich Schweizerdeutsch gelernt. Ich habe also genügend persönliche und familiäre Gründe, um den Diktator tot sehen zu wollen.

Leider musste ich, wie viele Irakis in der Emigration, über dreissig Jahre hinweg ohnmächtig zusehen, wie die Baath-Diktatur von Saddam Hussain von den westlichen Ländern gestützt wurde. Auch die Schweizer Wirtschaft machte gute Geschäfte mit dem Regime, welches seine Macht mit unmenschlicher Gewalt durchsetzte und tausende von Oppositionellen umbrachte.

Damals konnte Saddam Hussain tun und lassen, wie es ihm gefiel. Alles wurde ihm geliefert, damit er seine Atommacht aufbauen und mit eigens hergestelltem Kampfgas hilflose kurdische Frauen und Kinder ermorden konnte. All dies war keinen Krieg wert gegen den Diktator. Dafür gibt es ein Wort: Scheinheiligkeit!

Oft wird in den westlichen Medien behauptet, dass es keine Opposition im Irak gebe, oder dass sie gespalten sei. Eigentlich läuft dies nur auf eines hinaus, dass die irakische Opposition offensichtlich den westlichen Interessen nicht genehm ist. Ein eigenartiges Verständnis von Demokratie...
Zur Erinnerung: Auch in Italien und Frankreich gab es im Kampf gegen die Nazis verschiedene Fraktionen unter den Oppositionellen. Das änderte nichts am Ziel, nämlich die Nazi-Okkupation zu beenden.

Wir stehen am Beginn eines neuen Jahrhunderts. Es stellt sich die Frage: Für welche Ziele wollen wir uns einsetzen?

Das letzte Jahrhundert kannte die schrecklichsten Weltkriege und schlimmsten Diktaturen, die die Menschheit je erlebt hat. Es ist aber auch das Jahrhundert der Entwicklung eines umfassenden humanitären Menschrechts und vor allem eines Völkerrechts, welches auf dem Prinzip der Gewaltvermeidung basiert.

Seit dem letzten Golfkrieg versuchen die USA ihren Willen der Weltgemeinschaft aufzuzwingen. Es ist kein Zufall, dass just jetzt, wo ein Internationaler Gerichtshof etabliert werden soll, die einzig verbliebene Supermacht sich von von dieser Gerichtsbarkeit ausnehmen will und Sonderkonditionen verlangt.

Eine zentrale Norm des humanitären Völkerrechts ist, die strenge Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen. Mit ihrer Strategie des Flächenbombardements und der sogenannten 'smarten' Bomben aber haben die USA im Golfkrieg und zuletzt in Afghanistan massiv gegen das humanitäre Völkerrecht verstossen. Das alles passt zur 'Politik des Stärkeren'.

Dass die USA gedenken, nach einem allfälligen Sieg gegen den Irak, für Jahre einen amerikanischen General in Baghdad als Statthalter einzusetzen, ist das I-Tüpfchen in einem schon fast vergessenen Wort: Neo-Kolonialismus!

Die einzige Strategie zur Befreiung des Irak ist die Respektierung der Souveränität des Volkes und damit auch die Unterstützung der irakischen Opposition, mit all ihren demokratischen Organisationen.

Mit unserer Teilnahme an den Anti-Kriegsaktivitäten arbeiten wir mit an einer zukünftigen zivilen Weltgesellschaft, die uns alle etwas angeht, auch uns Schweizer!


Samir hielt diese Rede vor den etwa 4'000 Teilnehmern der Antikriegsdemo vom 6.11.2002 in Bern.

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