Newsletter Ukraine 30

Der Newsletter Nummer 29 war eine Leser*innenumfrage

Liebe Leser*innen

Vor genau einem Jahr ist Wladimir Putins Armee im Osten der Ukraine einmarschiert. Dieser Einmarsch hat bisher Schätzungen zufolge über 100 000  Tote gefordert (mit einer potentiell riesigen Dunkelziffer) und unvorstellbares Leid über die Ukraine gebracht. Vor ca. 363 Tagen haben wir schweizweit mit Tausenden von Menschen auf der Strasse unsere Solidarität bekundet und die Schweiz zum Handeln aufgefordert. Zu unserer Schande müssen wir dies auch 363 Tage später noch. 

Die Waffenfrage als Nebelpetarde

Sollten Sie in den letzten Wochen in die Zeitung geschaut, das Radio eingestellt oder die Parlamentsdebatten mitverfolgt haben, werden Sie wohl kaum an der Diskussion um indirekte Waffenlieferungen vorbeigekommen sein. Hier daher unsere Einschätzung zur Debatte um die Aufhebung von Nichtwiederausfuhrerklärungen:

Die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern streut mit der Diskussion über Waffenlieferungen Nebelpetarden und nutzt den Krieg, um den Interessen der Rüstungsindustrie zuzudienen und gleichzeitig von anderen Schauplätzen abzulenken. Schweizer Waffen indirekt an die Ukraine zu liefern, würde automatisch eine starke Verwässerung des Kriegsmaterialgetzes darstellen. Dagegen wehrt sich die pazifistische und antimilitaristische GSoA grundsätzlich. Die Vielfalt an Vorstössen (es sind mittlerweile fünf an der Zahl) sorgt für Verwirrung, ist aber gleichzeitig auch gefährlich. Während nämlich die Motion Burkart Tür und Tor für Waffenexporte nach Saudi Arabien ermöglicht hätte und im alleinigen Interesse der Rüstungylobby wäre, sind andere Vorstösse wie derjenige der SP enger gefasst. Gleichwohl muss genau beobachtet werden, welche Gesetzesänderung schlussendlich vorliegen wird – und wer sie sich zu Nutze macht. Eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes auf Kosten von Menschenrechten in autoritären Staaten werden wir nicht dulden, so viel sei hier gesagt.

Der Hauptschauplatz

Die enorme Präsenz der Waffenfrage in der öffentlichen Debatte hat jedoch bis jetzt vor allem eines bewirkt: Ein massives Ablenkungsmanöver davon, was die Schweiz als Rohstoffdrehscheibe und Zentrum des Kreml-nahen Finanzkapitals eigentlich für eine Verantwortung inne hätte. Laut dem finnischen Forschungsinstitut für Energie und Saubere Luft Crea nimmt Russland täglich 640 Millionen Dollar mit dem Export von Öl, Gas und Kohle ein (Stand 04.02.2023). Mit den Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Energieträger wird dieser Krieg wortwörtlich angeheizt – sie füttern die Kriegsmaschine Putins. Es sind Konzerne wie Lukoil, Trafigura, Glencore oder Vitol, die ihr Geschäft hier in der Schweiz in Zug, Luzern oder Genf abwickeln, und dabei aufgrund der Verknappungen zusätzliche Milliarden einstreichen. Die Aufrüstung und Mitfinanzierung des russischen Regimes aus der Schweiz ist eine Schuld, die schwer lastet. Deshalb wäre es mehr als nur angemessen, die Kriegsprofite dieses dreckigen Geschäfts angemessen zu besteuern und sie der Ukraine für den sozialen und ökologischen Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. 

Dieser wird noch Jahrzehnte dauern und Milliarden kosten. Hier kann und muss die Schweiz grosszügig sein und diejenigen zur Kasse bitten, die für die Aufrüstung der Kriegsmaschinerie mitverantwortlich sind. Dass als Quelle hierfür auch konfiszierte Oligarchengelder herangezogen werden können, ist für uns sonnenklar. Nur müssen diese zunächst einmal aufgespürt werden. Noch immer wurden gerade Mal 8 der schätzungsweise 200 Milliarden an russischen Geldern auf Schweizer Konten eingefroren. Umso wichtiger ist es daher, den politischen Druck aufrechtzuerhalten. . Wenn Sie in den nächsten Tagen Ihre Solidarität kundtun und ein Zeichen gegen Putins Regime setzen möchten, bieten sich hierfür unzählige Anlässe, Aktionen und Mahnwachen an. 

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