Ein kleiner Schritt für den ZFD…

Von Jürgen Störk • Weitgehender inhaltlicher Konsens am ersten europäischen Treffen für einen Zivilen Friedensdienst von unten.

Im Bereich internationaler Vernetzung sind Staat und Wirtschaft den BürgerInnen und KonsumentInnen schon seit langem weit voraus. Multinationale Firmen und Holdings bestimmen die Struktur der Märkte und Handelsbeziehungen. Staatliche Zusammenschlüsse (EU, NATO, OSZE) geben den Ton im Diskurs über «Sicherheit», Bürgerpflichten und Bürgerrechte an. Basisorientierte Ansätze für eine Internationalisierung des zivilen Konfliktmanagements von unten (Helsinki Citizen Assembly, Peace Brigades International, Eurotopia) haben demgegenüber politisch noch viel zu wenig Gewicht.

Für die relativ neuen Bemühungen zur Schaffung eines freiwilligen Zivilen Friedensdienstes (ZFD) von unten gibt es bisher noch keine europaweite Interessensvertretung. Deshalb trafen sich am 1. und 2. Juli auf Einladung des «Forums Ziviler Friedensdienst» zwölf Frauen und Männer aus Deutschland, Frankreich, Litauen, Holland und der Schweiz zu einem Arbeitstreffen in Köln. Aus vier weiteren Ländern (Italien, Schweden, Grossbritannien und Dänemark) lagen schriftliche Berichte zum Stand der Diskussion vor.

Unterschiedliche Trägerschaften

Nebst Informationsaustausch und gegenseitigem Kennenlernen strebten die Versammelten vor allem eine gemeinsame Perspektive für die Verbreitung und Realisierung des Projekts ZFD an. Im Zentrum des Austausches standen die Fragen, welche Art von ZFD und was für ZFD-Projekte angestrebt werden sollen, welche Personen für solche Dienste in Frage kommen und wie sie dafür ausgebildet werden können, wie der ZFD finanziert und wie sein Verhältnis zum Staat geregelt werden kann.

Der Diskussionsstand und der Organisationsgrad in den verschiedenen Ländern sowie die Wahl der Mittel, den ZFD politisch zur Diskussion zu stellen, variieren von Land zu Land ebenso sehr wie die TrägerInnen, welche sich für einen ZFD engagieren. In allen Ländern scheint sich eine prinzipielle Unterstützung durch «die Friedensbewegten» abzuzeichnen, doch ob diese konkrete Utopie zu einer breiten Mobilisierung führen wird, bleibt abzuwarten. Zur Zeit befinden sich diese Kräfte in einer Phase der Reorientierung und sind meist zu schwach, um eine ZFD-Kampagne von sich aus zu lancieren - sie können bestenfalls unterstützend wirken. Während sich in Deutschland evangelisch-kirchliche Kräfte stark engagieren, kommt in Frankreich, Italien und der Schweiz der Hauptantrieb von AntimilitaristInnen beziehungsweise Militärverweigergruppen, und in den nordischen und angelsächsischen Ländern stehen vor allem die Institute und Forschungszentren der akademischen Friedensforschung für einen ZFD ein.

Stand-by-Friedensarmeen?

Dennoch und obwohl bisher kaum eine formelle Vernetzung zwischen den Ländern stattgefunden hat, zeigte sich in grundsätzlichen Fragen erstaunlich viel Übereinstimmung: Weitgehender Konsens besteht insbesondere bei der Freiwilligkeit, der Gewaltfreiheit, der Unabhängigkeit von staatlicher Dienstpflicht (mit Ausnahme von Schweden, wo eine allgemeine Friedensdienstpflicht gefordert wird) und der Forderung nach einer seriösen Ausbildung von ZFD-Willigen mit einem Mindest-Einsatzalter von etwa 23 Jahren. ZFD-Einsätze sollen nur auf Anfrage geschehen und grösstmögliche Sensibilität hinsichtlich interkulturellen Fragen üben.

Inhaltlicher Diskussionsbedarf besteht vor allem bezüglich der anzustrebenden Grösse von Zivilen Friedensdiensten (Tausende oder Hunderttausende) und zur Frage, ob und in welcher Weise eigene Projekte verwirklicht werden sollen. Die Vorstellungen reichen von Masseneinsätzen bis zu professionalisierten Fachdiensten, von der Unterstützung bestehender Projekte von Friedensorganisationen bis hin zur Schaffung von «Stand-by-Friedenskorps» gut ausgebildeter KonfliktarbeiterInnen, die in Krisensituationen rasch für gewaltfreie Einsätze bereitgestellt werden könnten.

In Nordrhein-Westfalen läuft zur Zeit ein viermonatiges, vom Forum-ZFD ausgearbeitetes und vom Bundesland finanziertes Pilotprogramm für ziviles Konfliktmanagement mit 15 TeilnehmerInnen. Die Erfahrungen sollen bis zum kommenden Frühling ausgewertet und in eine erste Überarbeitung des Curriculums eingearbeitet werden. Schon jetzt aber steht fest, dass das Programm im nächsten Jahr weitergeführt wird (ausländische TeilnehmerInnen sind willkommen). Schweden steht vor der Realisierung eines ersten Kurses, der in etwa dem deutschen Modell entsprechen soll. In den Niederlanden setzt sich eine Gruppe in Zusammenarbeit mit einem privaten Uni-Institut für ein einjähriges universitäres Ausbildungsprogramm ein. Etwa Ende Jahr soll eine breite Öffentlichkeitskampagne für dieses Projekt starten.

In diesem Kontext fand der ZFD-Vorschlag der GSoA in mehrfacher Hinsicht viel Beachtung. Wie so oft «beneideten» uns unsere europäischen KollegInnen um das Mittel der Volksinitiative, mit dem ein Thema ohne Lobbying in Regierungskreisen direkt von unten auf die politische Agenda gesetzt werden kann. Die in der Initiative vorgesehene, freiwillige und kostenfreie Grundausbildung in gewaltfreier Konfliktlösung, die allen offensteht, sowie die darauf aufbauende einsatzspezifische Weiterbildung bilden eine Forderungskombination, welche in anderen Ländern mangels Zugang zu politischen Kanälen gar nicht öffentlich formuliert wird. Auch das von der GSoA vorgeschlagene Scharnier zwischen Staat und Zivilgesellschaft - eine unabhängige, pluralistisch zusammengesetzte Kommission - wurde sehr gut aufgenommen.

Wie weiter?

Wenn auch in einzelnen Ländern die Vorarbeiten für die Schaffung eines ZFD unterschiedlich weit gediehen sind, so waren sich die TeilnehmerInnen des Treffens über die Notwendigkeit einer europäischen Vernetzung einig. Zunächst sollen deshalb Kontaktadressen von interessierten Personen und Organisationen aus möglichst vielen europäischen Ländern zusammengestellt werden. Das Angebot der GSoA, eine entsprechende Homepage einzurichten und die Links zu den Einzelorganisationen herzustellen, kam deshalb wie gerufen. Darüber hinaus wurde die Schaffung eines europäischen Kalenders zu ZFD-Aktivitäten sowie eine Datenbank mit themenrelevanten Texten angeregt.

Die Diskussion über die zentralen Inhalte des ZFD führte zur Einsicht, dass - ähnlich dem bekannten Ärztekodex - so etwas wie eine ZFD-Charta geschaffen werden sollte, die sowohl den ZFD-Willigen als Leitplanke dienen als auch zur Akzeptanz von ZFD-Leistenden beitragen könnte. Schliesslich wurde auch die Frage der Schaffung einer ZFD-Lobby in Brüssel andiskutiert, um auf dieser Ebene eine zivile, gewaltfreie Alternative zum Militär zu fordern. Statt Armeen dann einzusetzen, wenn es bereits knallt, könnten präventive Einsätze für eine gewaltfreie Lösung von Konflikten den Ausbruch von Gewalt verhindern. Für ein wirksames Lobbying sind die Kräfte gegenwärtig noch nicht vorhanden.

Folgetreffen im kommenden Jahr

Insgesamt waren die Berichte sehr ermutigend. Sie halfen, die Bemühungen der Basisorganisationen in einen internationalen Kontext zu stellen und legten die Sicht auf eine gemeinsame Perspektive von unten frei. Bereits festgelegt wurde ein Nachfolgetreffen am 15. und 16. Mai 1998 in Köln, wo hoffentlich offene Fragen mit VertreterInnen aus weiteren Ländern Europas diskutiert werden können.

 

Europäisches Friedenskorps?

Von Michel Monod • Zwei internationale Treffen von Militärverweigerer-Organisationen beschäftigten sich mit dem Projekt «Ziviler Friedensdienst».

Auf Einladung des europäischen Büros der Militärdienstverweigerer (eine vom Europarat unterstützte Institution) trafen sich vom 15. bis zum 20. Juni dieses Jahres etwa 30 AktivistInnen aus 12 europäischen Ländern im europäischen Jugendzentrum von Strassburg. Diskutiert wurde das Thema «Zivile Intervention», konkret ein Vorschlag der europäischen Grünen, den sie im EU-Parlament eingebracht haben: Personen, die gezielt für friedliche Konfliktbearbeitung und Mediation ausgebildet werden, sollen im Auftrag der EU in Spannungsgebieten vermitteln. Dieses europäische zivile Friedenskorps soll die Blauhelm-Einsätze ersetzen oder zumindest ergänzen. Die SpezialistInnen würden von Freiwilligen begleitet, die etwa für Menschenrechts- oder Wahlbeobachtungen eingesetzt werden könnten. Kriegsdienstverweigerer sollen sich als Freiwillige für solche Friedenseinsätze melden können.

Staatliche Einmischung …

Vom 21. bis zum 27. Juni führte der Rat von War Resisters International (WRI) in Carmaux (Frankreich) sein jährliches Treffen durch. Die rund 30 Delegierten standen den Projekten für staatliche oder offizielle Friedensdienste skeptischer gegenüber.

Anlässlich der Vorstellung des GSoA-Initiativprojektes wurde deutlich, dass die Anwesenden eine Einmischung des Staates in die zivilen Friedensdienstaktivitäten befürchten. Staaten seien vielmehr mitverantwortlich für die Konflikte. Die Idee eines europäischen Friedenskorps als staatliches Projekt lehnen die WRI-VertreterInnen ab. Nichtstaatliche Organisationen wie das Balkan Peace Team sind ihre Vorbilder.

… oder Unterstützung

Doch: Der chronische Geldmangel schränkt den Handlungsspielraum solcher Graswurzelinitiativen drastisch ein. Hier liegt auch das Dilemma. Meiner Meinung nach besteht die Herausforderung darin, einen Weg zwischen den Projekten für ein europäisches Friedenskorps und dem Balkan Peace Team zu finden. Ein ziviler Friedensdienst soll von offizieller Seite unterstützt werden, damit er langfristig und kontinuierlich arbeiten kann. In seiner konkreten Friedensarbeit muss er aber von staatlichen Stellen unabhängig sein.

 

hinsehen: ACT: Netzwerk für gewaltfreies Handeln

Die GSoA bietet auf ihrer Homepage eine neue Dienstleistung: Ein Netzwerk von Gruppen, Menschen und Organisationen, die wie die GSoA zivile Friedensdienste betreiben oder fördern. Weltweit wächst die Zahl der Menschen, die mit konkreter Friedensarbeit Erfahrungen machen und der Gruppen, die Projekte betreiben, wie sie die GSoA mit ihrer Initiative für einen Zivilen Friedensdienst auch in der Schweiz möglich machen will. Um den Austausch dieser Erfahrungen zu erleichtern und um auch dir eine Möglichkeit zu geben, mit solchen Gruppen in Kontakt zu kommen, haben wir ACT ins Leben gerufen: das Netzwerk für Active Conflict Transformation, für aktive Konfliktbearbeitung. Auf dieser Homepage findest du eine umfangreiche Adressliste und direkte Links und E-Mail-Adressen. Die Liste wird laufend erweitert und erneuert. Für zusätzliche Hinweise sind wir dankbar. Den Einstieg in ACT und zum eigenen friedenspolitischen Handeln mit der GSoA findest du unter: http://www/ gsoa/ACT .