Dialog von unten Das politische Gespräch zwischen SerbInnen und Kosov@-AlbanerInnen muss von Basisbewegungen in Gang gesetzt werden • Von Roland Brunner

Augen auf ! Das «Balkan Peace Team» (BPT) stellt an seine Freiwilligen hohe Anforderungen. Dies ist die Voraussetzung für qualifizierte Friedensarbeit von unten • Von Ueli Wildberger und Roland Brunner

Dialog von unten

Das politische Gespräch zwischen SerbInnen und Kosov@-AlbanerInnen muss von Basisbewegungen in Gang gesetzt werden • Von Roland Brunner

Drei Stunden Busfahrt und politische Welten liegen zwischen Nis (Südserbien) und Pristina (Kosov@*). Aber in beiden Städten gibt es Gruppen, denen der Dialog wichtiger ist als die Gewalt. Das Zentrum für gewaltfreie Konfliktlösung in Nis und die jugendliche Gruppe «Postpessimists» aus Pristina verstehen sich als Nachbarn und als solche wollen sie auch zusammenleben.

Die grossen Probleme ...

Während der Wille zum Dialog mit der «anderen Seite» gute Voraussetzung für eine Verständigung bot, machte der Gruppe in Nis der Druck der «eigenen Seite» zu schaffen. Mit Workshops und Rollenspielen («Wie geh ich mit einem wütenden, aggressiven, nationalistischen Nachbarn um?») half das Balkan Peace Team den beiden Gruppen, sich auf ihr Treffen vorzubereiten. Die TeilnehmerInnen lernten, mit den Aggressionen umzugehen und sich selber auf die Konflikte einzustellen.

Die Situation im Kosov@ ist weiterhin gekennzeichnet von Menschenrechtsverletzungen der serbischen Behörden und Polizeikräfte gegen die mehrheitlich albanische Bevölkerung. In den ersten neun Monaten 1996 wurden 2925 Misshandlungen und 13'226 Verstösse gegen die Menschenrechte dokumentiert. 66 Familien wurden aus ihren Häusern geworfen, 12 Kosov@-Albaner wurden getötet, drei davon im Gefängnis. Obwohl am 1. September letzten Jahres ein Abkommen unterzeichnet wurde, das den albanisch-sprachigen LehrerInnen, StudentInnen und SchülerInnen die Rückkehr in die offiziellen Schulen ermöglichen sollte, ist bis heute nichts davon umgesetzt.

... im kleinen angehen

Diese Kluft galt es zu überwinden. Das erste Treffen fand im Herbst 96 im kleinen Rahmen statt. Die TeilnehmerInnen setzten sich nicht zum Ziel, die Probleme der grossen Politik zu lösen, sondern gemeinsame Ansatzpunkte und Aktivitäten zu finden. Umweltprojekte wie Glasabfuhr und Altpapiersammlung standen dabei im Vordergrund. Vor allem aber brachte das gemeinsame Kochen und Essen, die Pläne für ein gemeinsames Wanderwochenende in den Bergen und die vielen Witze und Anekdoten bis in die frühen Morgenstunden die Menschen einander näher.

Seit dem ersten Treffen haben sich die Kontakte verstärkt. Persönliche Freundschaften entstanden, Briefe werden geschrieben, Besuche gemacht. SerbInnen und Kosov@-AlbanerInnen erleben sich gegenseitig als FreundInnen und widersetzen sich der offiziellen Propaganda und den Feindbildern. Die Vermittlung des Balkan Peace Teams hat die Treffen überhaupt ermöglicht, denn sonst wären die Berührungsängste wohl nie überwunden worden. Das Herstellen der Verbindung, das Begleiten der Gruppen in ihren Treffen, das Animieren von neuen Projekten und Ideen schafft die Atmosphäre, in der gegenseitiges Vertrauen entstehen kann.

Mit diesem hoffnungsvollen Projekt zeigt das Balkan Peace Team, was nötig und was möglich ist: Friedensarbeit erfordert das geduldige und langfristige Engagement zusammen mit den verständigungswilligen Teilen der Bevölkerung. Nur gemeinsam lassen sich die Abgründe des Hasses und Misstrauens überwinden. Über diesen Abgrund kann niemand mit einem Sprung setzen, sondern es braucht viele kleine Schritte auf einer Brücke, die zuerst gemeinsam gebaut werden muss. Internationale Freiwillige können hier wichtige Steine legen.

* Die serbische Schreibweise lautet «Kosovo», die albanische «Kosova». Die Friedensorganisationen benutzen deshalb «Kosov@», um beiden Seiten gerecht zu werden.

 

Augen auf !

Das «Balkan Peace Team» (BPT) stellt an seine Freiwilligen hohe Anforderungen. Dies ist die Voraussetzung für qualifizierte Friedensarbeit von unten • Von Ueli Wildberger und Roland Brunner

Das Balkan Peace Team (BPT) entstand als Koalition verschiedener nationaler und internationaler Friedensorganisationen. Gemeinsam sollten die Erfahrungen und Ressourcen eingesetzt werden, um einen aktiven Beitrag gegen den Krieg zu leisten.

Wer sich für einen Einsatz beim BPT interessiert, muss sich erst einem «Assessment» stellen (siehe Spalte rechts). In mehreren Trainings werden die BewerberInnen anschliessend geprüft, ausgewählt und auf ihre Aufgaben vorbereitet. Während des ersten Einsatzmonates absolvieren alle Freiwilligen einen Intensiv-Sprachkurs vor Ort.

BPT-Freiwillige erhalten während ihres Einsatzes keinen Lohn, sie müssen sogar gewisse Kosten selber tragen. Nur die Reisekosten, Trainings- und Unterhaltsspesen werden vergütet und sie erhalten ein «Sackgeld» von 200 Franken pro Monat. Bescheidene Verhältnisse und Voraussetzungen, verglichen mit den hochbezahlten staatlichen Missionen, obwohl die Aufgaben nicht weniger anspruchsvoll sind.

Offene Augen in Kroatien

Seit Februar 1994 sind in Kroatien zwei Teams des BPT von je 2-3 Freiwilligen aktiv. Sie arbeiten unter dem Namen «Otvorene Oci» («offene Augen») in Karlovac (Nordkroatien) und Split (Dalmatien). Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die einheimischen Menschenrechtsgruppen in ihrer Arbeit zu unterstützen und damit der schleichenden ethnischen Säuberung entgegenzutreten, wie sie von der kroatischen Regierung betrieben wird.

In Split beispielsweise werden Hunderte von nicht-kroatischen BewohnerInnen, die während Jahrzehnten in ihren - früher staatlichen - Wohnungen gelebt haben, von Räumungsbefehlen bedroht. Ihre Wohnung soll einem Ex-Soldaten oder Armee-Veteranen übergeben werden. Die lokalen Menschenrechts-AktivistInnen versuchen, die Fälle der verzweifelten WohnungsinhaberInnen rechtlich abklären zu lassen und über die Medien der staatlichen Willkür einen Riegel zu schieben. Die BPT-AktivistInnen unterstützen sie darin, indem sie internationale Öffentlichkeit herstellen, die lokalen AktivistInnen begleiten, sie ermutigen, ihnen Kontakte zu internationalen Hilfsorganisationen, zu Botschaften und PolitikerInnen vermitteln - kurz: indem sie die Aufmerksamkeit der Welt auf die staatlichen Menschenrechtsverletzungen lenken.

Die Teams besuchen aber auch Menschen auf dem Lande, die nach den kroatischen Eroberungszügen im Mai 1995 in fast verlassenen Dörfern leben. Sie dokumentieren und berichten über Plünderungen, Brandstiftungen und Morde an verbliebenen SerbInnen. Sie helfen mit, lokale und regionale Menschenrechtszentren einzurichten, um Nothilfe und Beratung der Zivilbevölkerung zu gewährleisten.

Momentan versuchen die zwei BPT-Teams vor allem, zur Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen beizutragen: durch demonstrative Präsenz in Dörfern mit Spannungen und Feindseligkeiten gegen Rückkehrende, durch Publikation von Übergriffen und durch Berichte über gelungene Gruppenrückkehren.

Gewaltfrei für Veränderung in Serbien

Anfang November 1994 versuchte BPT, auch im Spannungsgebiet Kosov@ ein Dreier-Team zum Einsatz zu bringen. Bereits während das Team in Belgrad auf die offizielle Registrierung durch die Regierung wartete, haben die BPT-AktivistInnen viel zum Dialog zwischen SerbInnen und Kosov@-AlbanerInnen beigetragen. Durch ihre Unparteilichkeit konnten sie das Vertrauen beider Seiten gewinnen und wurden von einer lokalen Friedensgruppe im südserbischen Nis gebeten, Vermittlungsarbeit zu leisten. Inzwischen fanden mehrere Treffen in Pristina und Nis statt. Ein hoffnungsvolles Zeichen für die festgefahrene Situation (vgl. Artikel oben).

Aber auch in anderen Regionen Serbiens ist das BPT aktiv. Während der monatelangen Kundgebungen der Opposition und der StudentInnen vermittelten die BPT-Leute Erfahrungen über gewaltfreie Verhaltensweisen und sozialen Widerstand. Viele der kleinen, oft isolierten Menschenrechts- und Friedensgruppen in ganz Serbien konnten so vernetzt werden, um voneinander zu lernen und erfolgreicher aktiv zu sein.