Kein Problem?
Ideologisch verblendet, oberflächlich und mit Lücken: So
lässt sich der Bericht des Generalstabschefs über Extremismus
in der Armee zusammenfassen
von Reto Moosmann
Das Bekanntwerden von rechtsextremen Vorkommnissen in der deutschen und
Schweizer Armee sowie die Absichten der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission,
extremistische Tendenzen in der Schweizer Armee untersuchen zu lassen,
drängten Adolf Ogi dazu, einen Bericht über Extremismus in der
Armee abfertigen zu lassen. Der oberflächliche Bericht kommt zum
Schluss, dass (Rechts-) Extremismus derzeit kein Problem in der Schweizer
Armee sei, dass die Entwicklung aber aufmerksam verfolgt werden müsse.
Das links- respektive rechtsextreme Potential wird auf je drei Prozent
geschätzt.
Militärische ZurückhaltungÖ
Im allgemeinen Teil des Berichts liefert Generstabschef Hans Ulrich Scherrer
eine Begründung, wieso die Armeespitze öffentlich auftretende
rechtsradikale Offiziere nicht aus dem Dienst entlassen hat oder ihre
Beförderung rückgängig machen will und zeigt, dass die
Armee die Konsequenzen für die militärische Gesinnungsschnüffelei
aus dem PUK-Bericht im Zusammenhang mit dem Fichenskandal noch nicht verdaut
hat: ´Der Rückblick auf die Untersuchungen der PUK EMD im Jahre 1990
ist unabdingbar; nur so ist die merkliche Zurückhaltung der heutigen
Organe der militärischen Sicherheit verständlich und nachvollziehbarª.
Dabei stünde der Armeeführung zurzeit die Möglichkeit
offen, fehlbare Offiziere in ´unsensible Funktionenª zu versetzen oder
sie der Personalreserve zuzuweisen. Die Geschäftsleitung des VBS
hat nämlich im Oktober 1998 beschlossen, die Verordnung über
die Beförderungen und Mutationen in der Armee (VBMA) dahingehend
zu erweitern, dass Beförderungsvoraussetzungen (d.h. Integrität
der Armeekader) für die ganze Dauer einer Funktionsausübung
bestehen müssen. Die Umsetzung dieser Verordnung und damit die zusätzliche
Möglichkeit zur Rückgängigmachung von Beförderungen
lässt noch auf sich warten.
Das GSoA-Mitglied als Gefahr von linksextremistischer Seite?
Eine Umfrage bei Schulkommandanten, die vom Militärsoziologen Karl
W. Haltiner durchgeführt wurde, sollte rechtsextremistische Vorkommnisse
während der Ausbildung klären.
Wie der Bericht selbst festhält, ´spiegeln die Antworten auf die
gestellten Fragen ausschliesslich die Wahrnehmung der befragten Schulkommandanten
wider, beinhalten also bereits per se eine Interpretation der tatsächlichen
Verhältnisseª.
Dies ist nicht unproblematisch: Während einzelne Schulkommandanten
das Tragen eines GSoA-T-Shirts bereits als extremistisch ansehen, bedeutet
für einen anderen ´das Zurschautragen einer Che Guevara-Uhrª kein
Zeichen von linksextremistischer Aktivität. Dazu sei davon auszugehen,
´dass sie (die Schulkommandanten) nicht über alle untersuchungsrelevanten
Vorkommnisse informiert seienª.
Auffallend ist, dass bei der Definition von Rechts- bzw. Linksextremismus
unterschiedliche Massstäbe angewendet werden:
Während ein GSoA-Mitglied grundsätzlich eine Gefahr von linksextremistischer
Seite darstellt, dies aber nicht gefährlich sei, da ´ein GSoA-Mitglied
kaum in eine UOS (Unteroffiziersschule) vorgeschlagen werdeª, werden ´verbale
Äusserungen von Rassismus, namentlich gegen Ex-Jugoslawen, Bosnier,
Kosovo-Albaner, Türkenª eher als ´Äusserungen aus Dummheitª
oder ´unüberlegte Sprücheª bezeichnet.
Ideologische Verblendung; und dies Ende der neunziger Jahre!
Lästige Pflicht
Ganz ausser Acht gelassen wurde die Tatsache, dass es sich bei der Armee
zu weiten Teilen immer noch um einen Männerclub handelt, der eine
eigene Gruppendynamik hat. Nachweisbar ist zudem, dass eben gerade Männer
im RS-Alter zwischen 18 und 20 die höchsten Raten von Verurteilungen
wegen rassistischen Handlungen aufweisen. Die militärischen Strukturen,
in denen sich rechtsextrem Gesinnte zu Hause fühlen, wirken da bestimmt
nicht dagegen. Die Erklärung, Extremismus in der Armee sei ein Abbild
der Gesellschaft, greift zu kurz und kann aufgrund der Methode der Untersuchung
als nicht seriös bezeichnet werden.
Der Bericht zeugt mehr von einer durch die Öffentlichkeit erzwungenen
Erledigung einer unangenehmen und lästigen Aufgabe als von seriöser
Auseinandersetzung mit Extremismus und mit Rechtsextremismus fördernden
Strukturen innerhalb der Armee. Doch genau dies wäre es gewesen,
was die Öffentlichkeit interessiert hätte.
´Extremismus in der Armee' www.vbs.admin.ch/internet/d/armee/PUB/extrem.htm (3.4.2003: link ungültig)
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