Die Armee hilft sich sofort!

Seit Anfang Oktober stehen Schweizer Soldaten in Kosovo im Einsatz. Dabei leisten sie vielmehr Soforthilfe für eine arbeitslose Armee als Soforthilfe vor Ort

Am vergangenen 23. Juni hat der Bundesrat die Schweizer Beteiligung an der Kosovo Force (Kfor) beschlossen. Zur Swiss company (Swisscoy) gehören Spezialisten für Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser, maximal 50 Personen aus dem Bau- und Geniesektor, 12 Lastwagenchauffeure, sechs medizinische Fachpersonen, drei Köche, zwei Übermittlungsspezialisten, ein Reparatur- und Kommandozug sowie zur Bewachung der bunten Truppe rund 30 FestungswächterInnen. Im Klartext: Keine der Aufgaben, die die Swisscoy übernimmt, ist militärischer Natur, abgesehen davon, dass sich die Militärs selber bewachen. Im Schweizerischen Katastrophenhilfekorps stünde für Trinkwasseraufbereitung eine eigens geschaffene Fachgruppe zur Verfügung, ebenso für den Aufbau von Kommunikationsnetzen sowie Fachkräfte für den Wiederaufbau. Wenn die Aufgaben zivil sichergestellt würden, käme das Engagement erst noch um ein Vielfaches billiger: 55 Millionen Franken darf der Einsatz von maximal 160 Soldaten bis Ende 2000 kosten. Zum Vergleich: Mit insgesamt 27 Millionen Franken hat das Schweizerische Katastrophenhilfekorps 1998 in 46 Ländern über 270 Einsätze durchgeführt. Wenn es darum gehen würde, einen möglichst wirksamen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation in Kosovo zu leisten, dann wäre die Swisscoy nicht über das Reissbrett der Militärstrategen im VBS hinausgekommen. Doch die Armee weiss: Sie braucht neue Aufgaben und neue medienwirksame Bilder. Soldaten im humanitären Einsatz geben beides ab.

Innenpolitik
Der Presseoffizier der Swisscoy brachte den Stellenwert des Armeeeinsatzes auf den Punkt: ´Wir sind hier, damit wir hier sind, das ist Innenpolitik”, liess er gegenüber der NZZ verlauten. Und gleichzeitig bedauerte er, dass der Einsatz der Swisscoy zu wenig medienfähig sei. „Schweizer Soldaten als Tankwarte der Österreicher?”, das gäbe doch kein gutes Bild her. Telegen seien Checkpoints, Fahrzeugkontrollen, Schweizer Soldaten bei der Mafia-Bekämpfung… tja, Probleme hat der arme Mann. Die Armeeangehörigen sitzen oft im Lager fest, angeblich, weil es zu gefährlich sei, sich unbewaffnet im Kosovo zu bewegen. Und zur gleichen Zeit arbeiten zahllose zivile HilfswerkvertreterInnen in Kosovo, unbewaffnet und nicht mal im Tarnanzug.
Innenpolitisch will die Schweizer Regierung beim Auslandeinsatz kein Geschirr zerschlagen. Bühnenreife Pirouetten drehte die Armeespitze, als sie die Kommandostruktur des Kfor-Einsatzes erläuterte: Swisscoy werde von einem Schweizer Offizier befehligt und bloss einem österreichischen mechanisierten Bataillon angegliedert. Dieses werde wiederum die Deutsche Brigade unterstützen. Aber selbstverständlich sei kein Schweizer Soldat einem fremdem Befehl unterstellt, obwohl die Swisscoy natürlich entsprechend den Vorgaben der Nato ihren Beitrag leiste und die Verbandsausbildung auch nach Nato-Order erfolgt. Alles unklar? Um den Ärger der nationalkonservativen Neutralitätsgläubigen zu dämpfen, zündet das VBS ein paar verbale Nebelpetarden.

Keine Nebensache
Man könnte einwenden: Es ist doch sinnvoller, wenn sich die Armee im Kosovo nützlich macht, als wenn sie in Schweizer Wäldern einem militärischen Feind nachrennt. Aber: Das ist schlicht die falsche Fragestellung. Geht es denn darum, der Armee eine Beschäftigung zu organisieren? Ziel muss vielmehr sein, einen sinnvollen Beitrag der Schweiz für den Wiederaufbau im zerstörten Kosovo und anderswo zu definieren. Realität ist, dass der Krieg und die jetzige Militärpräsenz bisher insgesamt 100 Milliarden gekostet haben. Für den Stabilitätspakt in Südosteuropa ist in den nächsten Jahren eine einzige Milliarde vorgesehen. So betrachtet ist der Schweizer Armeeeinsatz absurd.
Für die friedens- und entwicklungspolitisch engagierten Kräfte wird in den kommenden Jahren entscheidend sein, dass die Diskussion über einen schweizerischen Beitrag zur Friedensförderung nicht von den Legitimationsinteressen der Armee bestimmt wird. Wenn die Frage im Zentrum steht, in welchen Bereichen die Armee allenfalls noch etwas beitragen könnte, selbst wenn die Leistungen sehr teurer erbracht werden und sie nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehören, einfach nur, weil es die Armee ja sowieso gibt, dann werden auf zivile Bundesstellen, Hilfswerke und andere Nichtregierungsorganisationen eine Reihe von Problemen zukommen. Warum sollen Hilfswerke Wiederaufbauarbeit leisten, wenn die Armee das doch auch kann? Warum soll man ein Katastrophenhilfekorps weiterführen, wenn die Armee teure Parallelstrukturen aufbaut? Vorerst sind das hypothetische Fragen. Aber wenn die Diskussion weiter so verkehrt läuft wie bisher, dann werden diese Fragen schneller real als uns lieb ist. Darum: Nicht Soforthilfe für die Armee, sondern für krisengeplagte Regionen ist gefragt, mit zivilen Strukturen und ohne Armee.