Am 3. März 2024 stimmten 58% der Bürgerinnen und Bürger für den Ausbau der AHV. Dieser war nicht nur vom Kapital und seinen bürgerlichen Parteien bekämpft worden. Auffällig heftig agierten die bürgerlichen Medien. Im Parlament waren sich die Bürgerlichen derart sicher, dass die 13. AHV-Rente keine Chance hat, dass sie auf einen Gegenvorschlag verzichteten.
Keine Mehrheit für Aufrüstung
Laut der vor einem Jahr, also während Putins Ukraine-Krieg, von der Militärakademie (MILAK) gemachten Umfrage, sagten nur 14 Prozent der Befragten Ja zur Aussage, dass die Schweiz „zu wenig“ Geld «für die Verteidigung“ ausgibt. 36 Prozent waren der Ansicht, sie gebe „zu viel“ fürs Militär aus. Und 47 Prozent waren für „gerade richtig“. Da die jüngste Umfrage während einer heftigen Medienkampagne für Mehrausgaben stattfand, dürfte die Aufrüstung etwas gestärkt und die Abrüstung etwas geschwächt worden sein. Dass aber jene, die finden, es werde zu viel und jene die finden, es werde «gerade richtig» viel für die Armee ausgegeben, weiterhin eine klare Mehrheit bilden, dessen bin ich mir sicher. Dabei stütze ich mich abgesehen von der erwähnten Umfrage auf Beobachtungen in Bus und Bahn, auf den Strassen und Plätzen, in den Restaurants und in meiner riesigen – mehrheitlich ländlichen – Verwandtschaft. Die Mehrheit des Volkes ist weiterhin gegen Mehrausgaben.
Wie beim AHV-Ausbau interessieren sich bürgerliche Parteien und Medien bei der Armee-Aufrüstung wenig für die Volksmeinung. Der einzige Vorteil, den sie haben, ist das Fehlen einer Möglichkeit, über die Aufrüstungs-Milliarden abzustimmen. Es gibt kein Rüstungsreferendum. Und eine Initiative braucht Zeit. Zudem starten wir im Frühsommer ein – höchst dringliches – Volksbegehren für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags.
AHV-Ja: Weniger Geld für Waffen, mehr Raum zum Denken
Zwischenzeitlich bleiben noch die Möglichkeit von Protestaktionen, Kundgebungen, Demonstrationen. Was unser Engagement gegen die Aufrüstung erleichtert, ist das Ja zur 13. AHV-Rente. Zweitens weil es den finanziellen Spielraum für Waffenkäufe verengt. Und erstens weil es mit der Relativierung des Militärischen Spielraum schafft für eine nüchterne Bedrohungsanalyse. Mit einem Papier, dessen Entwurf nächstens veröffentlicht wird und das an der Vollversammlung vom 5. Mai abgesegnet werden soll, wollen wir dazu beitragen.
Dessen Hauptinhalte sind:
- Dass die Armee „totgespart“ worden sei, ist ein Märchen. Seit 2014 sind die Militärausgaben stark gestiegen. Zudem gehört die Schweiz zu den europäischen Ländern, die für die Armee pro Kopf der Bevölkerung am meisten ausgeben. Unter Einberechnung der Opportunitätskosten (Wertschöpfungs-Verluste der Wirtschaft wegen der Wehrpflicht) steht sie an zweiter Stelle.
- Die russisch-imperialistische Armee ist eine grosse Gefahr für die Ukraine und möglicherweise für die Baltischen Staaten. Es ist nicht auszuschliessen, dass Putin nach einem – allerdings höchst unwahrscheinlichen – Sieg über die Ukraine versuchen könnte, deren russischen Minderheiten „heim ins Reich“ zu holen. Aber was die Schweiz betrifft, gilt, was der MILAK-Dozent Mauro Mantovani am 9. März 2022 gegenüber der NZZ am Sonntag gesagt hat: „Bildlich gesprochen halte ich das Risiko, dass die Russen jemals am Bodensee oder am Rhein aufmarschieren, für unwahrscheinlicher denn je.“
- Die realen Bedrohungen für die Schweiz sind ziviler Natur, vor allem die Klimaerhitzung.
Echte Solidarität mit der Ukraine
Es gibt keinen Grund, für die Aufrüstung der Schweiz zusätzliche Milliarden zu beschliessen. Es gibt aber viele Gründe, Milliarden für die AHV, die Verbilligung der Krankenkassenprämien und erst recht den Klimaschutz auszugeben. Zusätzlich gibt es die Pflicht, dass die Schweiz Milliarden für die Ukraine ausgibt (ohne deswegen die Hilfe an den Süden zu kürzen). Die Schweiz hat Putins Kriegsmaschine gefüttert. Mit Abermilliarden aus dem Rohstoffgeschäft sowie mit Banken- und Oligarchen-Geldern. Und mit Dual-Use-Maschinen, die jene Raketen, Bomber, Patronen produzieren, die Ukrainer:innen umbringen und die Ukraine zerstören.
Die gleichen bürgerlichen Kreise, die Putin aufrüsteten, nützen nun die kriegerischen Folgen aus, um die Schweiz aufzurüsten. Die gleichen bürgerlichen Medien, die jahrelang beispielsweise all die Protestaktionen vor der Zuger Nordstream verschwiegen haben, machen voll mit – teils übereifrig. Wie bei der AHV-Abstimmung, die wir dann doch gewannen.