Aufrüsten für die Totalzerstörung

Welche Politik braucht es in Kriegszeiten? Klar ist, dass der eingeschlagene Weg in die Aufrüstungsspirale der falsche ist. 

Putin hat die Ukraine überfallen, sät Tod und Verwüstung. Die Hamas überfällt, tötet und entführt Israelis, die ein friedliches Fest feiern. Netanjahu rächt sich mit weitreichender Zerstörung des Gaza-Streifens. In den USA ist ein narzisstischer Präsident an der Macht, der seine persönlichen Interessen über alles stellt und sicher geglaubte Verbindungen kappt, als wären es marode Unternehmensteile. Wir befinden uns in Zeiten, die von Unsicherheit und Verwirrung geprägt sind. Dies macht Angst und ratlos. Angst macht neben diesen Fakten aber auch die Art und Weise, wie zahlreiche Regierungen auf diese Krise reagieren. Ihr Rezept heisst: Aufrüsten, aufrüsten, aufrüsten, «What ever it takes», wie es der deutsche Bundeskanzler Merz definierte. Menschen, welche diese Aufrüstungsspirale in Frage stellen, wird die Gegenfrage gestellt: «Was wollt ihr denn tun? Müssen wir uns jetzt nicht mit Waffen schützen, um potenzielle Gegner abzuschrecken? Wollt ihr einfach zuschauen?» Nein, Zuschauen ist nicht das Rezept. Aber haben nicht gerade die Attentate und Kriege der letzten Zeit gezeigt, dass Waffen nicht die geglaubte Sicherheit bedeuten: Hamas-Terroristen schaffen es, ein hochgerüstetes Land wie Israel ins Chaos zu stürzen, Israel kann trotz wochenlangen Bombardierungen des Gaza-Streifens die Hamas nicht auslöschen. Glaubte man nicht, dass der Ukraine-Krieg zu einem schellen Ende kommt? Wenn man weiter zurück geht: Glaubte man nicht, dass der Irak-Krieg eine kurze Sache sein wird? Und wie war es im Vietnam-Krieg? 

Der zivile Weg ist ein Muss 

Um es klarzumachen: Dies ist kein Plädoyer dafür, dass man Aggressoren machen lässt und kapituliert. Es hat auch nichts mit Fatalismus zu tun. Es ist in Kriegszeiten mehr als nachvollziehbar, dass wir uns schnelle, einfache und gerechte Lösungen wünschen. Das tun wohl die meisten. Jene, die jetzt die Rüstungsspirale befürworten, glauben daran, dass sich diese Gerechtigkeit und auch unsere Sicherheit «herbeirüsten» oder gar «herbeibomben» lässt. Ignoriert wird, dass wir uns einen Planeten geschaffen haben, der mit Waffen bestückt ist, die über ungeheures Zerstörungspotenzial verfügen. Und diese Waffen sind in den Händen aller Konfliktparteien – und alle beanspruchen für sich im Recht zu sein. Dieser Planet kann innerhalb eines einzigen Tags zerstört werden. Diese apokalyptische Situation haben nicht jene herbeigeführt, die ihr Leben lang für Abrüstung und Gerechtigkeit gekämpft haben, sondern jene, die mit ihrer Politik stets in Kauf genommen haben, den Krieg «vorzubereiten». Fakt ist: Wer heutzutage bereit ist, den grossen Krieg in Kauf zu nehmen, der muss ehrlicherweise bereit sein, sein Leben, das Leben seiner Liebsten, ja das Leben von uns allen herzugeben. 

Was es braucht, ist die Einsicht, dass der zivile Weg jener Weg ist, den wir suchen müssen. Es braucht harte Verhandlungen, gescheite Diplomatie, wirksame Sanktionen und Unterstützung derjenigen, die friedliche Lösungen befördern. Keine Frage, es gibt keinerlei Garantie, dass dieser Weg zum Ziel führt. Es ist aber immerhin – im Gegensatz zur Kriegslogik – nicht derjenige Weg, der das Potenzial hat, uns alle zu vernichten. Der zivile Weg ist somit nicht naiv, sondern schlicht und einfach überlebensnotwendig. Und wenn wir schon beim Begriff «Überleben» sind: Wesentliche Teile des russischen Rohstoffhandels, eine Haupteinnahmequelle des Putin-Regimes, laufen nach wie vor über die Schweiz. Die russische Kriegsmaschinerie wird damit am Leben erhalten – damit wird ukrainisches Leben ausgelöscht. Die rechten Politiker schauen weg. Sie machen sich vor allem Sorgen, weil die heimische Rüstungsindustrie weniger Gewinne schreibt, als sie gerne hätten. Ihre Forderung: Waffenexporte erleichtern. Sorgen, die an Zynismus kaum zu überbieten sind. Es gibt Momente, da schämt man sich für dieses Land – oder zumindest für einen Teil der Menschen in diesem Land.