Ausweitung der Kampfzone

(db) Armeeeinsätze im Innern: Position der GSoA und Entscheide des Parlaments.

Jubiläumsstrasse, im Kirchenfeldquartier mitten in Bern. Auf den Vorplätzen spielen Kinder, Hunde werden spazieren geführt. Doch das Idyll trügt. Mitten im Quartier versperrt ein massives Gittertor die Strasse, links und rechts davon Stacheldraht. Hinter dem Tor patrouillieren Soldaten mit Sturmgewehr und schusssicheren Westen.

Mitten im Wohnquartier steht die US-Botschaft, seit drei Jahren sind die Zufahrtsstrassen abgesperrt. So wie vor dieser Botschaft stehen auch vor anderen Botschaften in Bern Schweizer Milizsoldaten, die so ihren Wiederholungskurs absolvieren. Nach einer halben Woche «Ausbildung» müssen sie mit scharfer Munition Wache schieben. Diese Art Einsätze droht zu einer Dauerbeschäftigung der Armee zu werden (siehe GSoA-Zeitung September 2004). Im VBS gibt es Pläne, einen grossen Teil der Armee ausschliesslich für innere Einsätze auszubilden.

Breiter Widerstand

An einer von der GSoA organisierten Pressekonferenz wurde im Vorfeld der Debatten in National- und Ständerat von verschiedenen Seiten Kritik an den Armeeeinsätzen im Inneren formuliert. Nationalrat Josef Lang argumentierte, die Militarisierung der inneren Sicherheit diene vor allem der neuen Legitimierung einer Armee, der der Feind abhanden gekommen ist. Wenn er dem Chef Armee zuhöre, bekomme er den Eindruck, der «Schwarze Block» müsse den riesigen Platz ausfüllen, den früher die Rote Armee besetzt hat.

Hanspeter Uster, Polizeidirektor des Kantons Zug, stellte fest, dass die Armee in Widerspruch zur Bundesverfassung dauerhaft auch in Friedenszeiten zum Einsatz kommt. Statt viel Geld in teuren militärischen Strukturen zu binden, seien die Finanzmittel den zivilen kantonalen Behörden zur Verfügung zu stellen.

Dominique Rothen, Anwohnerin im oben erwähnten Botschaftsquartiers in Bern, bezweifelte, dass die Soldaten sich für die Botschaftsbewachung eignen. Und der zur Botschaftsbewachung aufgebotene Soldat Dominik Luggen erklärte, er sei nicht bereit, bei allfälligen Auseinandersetzungen gegen DemonstrantInnen vorzugehen.

Im September fand dann im Nationalrat die Debatte statt, in der es um die Verlängerung der Armeeeinsätze für die Botschaftsbewachung um weitere 3 Jahre, die Unterstützung des Grenzwachtkorps und die militärischen Begleiter in Zivilflugzeugen ging. Die GSoA war vor dem Bundeshaus präsent und verteilte Flugblätter an die NationalrätInnen. Wir kritisierten, dass die Präsenz von bewaffneten Soldaten in Wohnquartieren ein Klima der ständigen Bedrohung schafft. Für die sicherheitspolitischen Hardliner ist dies allerdings mehr als ein praktischer Nebeneffekt. Die Bevölkerung soll sich wohl aus ihrer Optik ruhig an die Militärpräsenz im Alltag gewöhnen. Das ebnet den Weg zur militärischen Repression gegen soziale Bewegungen. Wohin das führt, erlebte die Schweiz schon mehrmals, als bei Militäreinsätzen im Inneren Menschen getötet wurden.

Politische Entscheide

Das Parlament stimmte dem Militarisierungskurs am 22. September 2004 zu. Josef Lang rief vergebens in Erinnerung, dass die Trennung von Polizei und Armee eine fundamentale Errungenschaft des liberalen Rechtsstaates ist und dass die Kosten für den Einsatz der Armee im Innern insgesamt gesehen wesentlich höher sind als der von Polizisten, weil die WK-Soldaten während dieser Zeit an ihrem Arbeitsplatz fehlen und durch teure Aushilfskräfte ersetzt werden müssen. Auch die Argumentation der St. Galler Nationalrätin Pia Hollenstein vermochte nicht, die Mehrheit umzustimmen. Sie wies darauf hin, dass der dauerhafte Einsatz der Armee im Inneren nicht verfassungskonform sei. Die Verfassung sieht den Einsatz zur Unterstützung ziviler Behörden «bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen» (Art. 58) vor, was laut dem Freiburger Staatsrechtsprofessor Thomas Fleiner bei jahrelangen Botschaftsbewachungen sicher nicht gegeben ist. Von verschiedener Seite wurde im Rat auch kritisiert, dass sich der massive Eingriff in die persönliche Freiheit der jungen Männer, der durch die Einforderung des obligatorischen Dienstes in der Armee erfolgt, nicht legitimieren lässt, wenn die Soldaten dann Botschaftsbewachungen machen müssen.

Bundesrat Schmid meinte zu den im Vergleich zur Polizeibewachung höheren Kosten der Militäreinsätze, dass «wir diese Diensttage ohnehin leisten».Und Schmid will diese Einsätze leisten, denn er weiss – im Unterschied zu seiner Partei – dass für die Armee mit dem Verteidigungsauftrag alleine längerfristig kein Brot und keine Legitimation mehr zu holen ist. Die Aufgabe der GSoA wird es weiterhin sein, klar zu machen, dass überhaupt keine Diensttage «ohnehin geleistet» werden müssen.