Beamtenseele essen Unterschriften auf

Wer glaubt, die Schweizer Beamtenseele sei flach und kariert wie ein Tischtuch, wird anlässlich des Beglaubigens von Unterschriften eines besseren belehrt

Schweizer Beamte sind weder stur noch fantasielos noch unfreundlich. Im Gegenteil: sie sind innovativ, unkonventionell und zuvorkommend. Einige Beispiele: Die Schrift des Gemeindeschreibers auf den beglaubigten Bogen von Essertines-sur-Yverdon sah sehr krakelig aus. Dass er sich aber mit einem Briefchen dafür entschuldigte und schrieb, er habe eben den rechten Arm im Gips, rührte mich wirklich. Gerne hätte ich ihm einen Blumenstrauss zur guten Besserung geschickt, aber es warteten noch 2109 Briefe aus den Gemeinden auf mich. Überhaupt sind die Welschen halt einfach netter. So leitete Eclagnens die Unterschrift eines weggezogenen Einwohners an die neue Wohngemeinde Rolle weiter. Und es gibt Beamte, die gehen noch weiter. Aus Avry-devant-Pont schreibt uns der Beamte: „J’attire votre attention sur le fait que les signatures sont deux fois les mÍmes. Avec nos compliments.” Er beglückwünscht uns sozusagen dazu, dieselbe Person zweimal zum Unterschreiben gebracht zu haben. Er hat die Mehrfach-Unterzeichnung korrekt beglaubigt, obwohl eine gestrichen werden müsste. Dasselbe passierte in Estavannes.
Völlig abgehen tut es aber im Tessin. Der freundliche Beamte in Bidogno hatte klar erkannt, dass zwei der drei Unterschriften auf Bogen Nr.19161 eigentlich zur Gemeinde Lopagno gehören. Flugs kopierte er den Unterschriftenbogen und schickte ihn der Gemeinde Lopagno, wo die kopierten Unterschriften vom segretario communale mit Stempel und Unterschrift beglaubigt wurden, als gäb’s kein Gesetz, das solches untersagte. Wir glauben nicht, dass sich die Bundeskanzlei bei der Erwahrung der Initiative von so gutgemeinten, aber plumpen Rosstäuschermethoden düpieren lässt und haben diese Unterschriften nicht als gültig verbucht.

Wo Licht ist, ist auch Schatten
Wenn wir nun aber von der Beamtenseele sprechen, müssen wir auch in ihre Abgründe blicken. Der durchschnittlich maliziöse Beamten hat leider gerade den Stempel verlegt und schickt deshalb die Bogen ohne Stempelaufdruck zurück, z.B. aus Schmitten FR, Albligen und Fleurier. Schon schwärzere Schattierungen zeigen die Gemüter der Beamten in Ettigen, Schenkon, Rohr und Birwinken, die unseren schönen Initiativ-Text vom blauen ZFD-Bogens abrissen, sodass diese Unterschriften nun in den Augen der Bundeskanzlei ungültig sind.
Es gibt noch unergründlichere Untiefen, wie z.B. Sorens. Am 31. März beglaubigte der dort sein Unwesen treibende Beamte zwei Unterschriften auf dem Schweiz-ohne-Armee-Bogen. In der Folge beschäftigte er sich mit den anderen wichtigen Verpflichtungen seiner Gemeinde, bis er am 29. April zufälligerweise den ZFD-Bogen mit den Unterschriften derselben Personen fand und alsdann konstatierte: P.G. und N.B. sind mittlerweile weggezogen, also sind ihre Unterschriften ungültig. Sprach’s und strich mit fester Hand die Unterschriften durch, als gäb’s kein Gesetz, das die Gültigkeit nach dem Stichtag des Eintreffens der Bogen auf der Gemeinde festsetzt.
Und was sollen wir zu all jenen Beamten sagen, die immer noch nicht gerafft haben, dass wir zwei Initiativen lanciert haben, und die folglich alle Unterschriften auf den Schweiz-ohne-Armee-Bogen als Doppelunterschriften erkennen und also streichen! Besonders weit treibt es diesbezüglich die Beamtenschaft in Belmont-sur-Yverdon, wo selbst der extra nachgeschickte Erklär-Brief keine Erleuchtung bewirkte. Nur folgerichtig adressierten sie ihre Sendung mit der Ortsangabe 8031 Zürick.

Schauergeschichten
Gar keine Hemmungen zeigt interessanterweise der Beamte von Hemmiken. Er betrachtet das Sparen als das oberste Ziel seines Pflichtenhefts und klebt deshalb keine Briefmarke auf sein Couvert. Die GSoA zahlt dafür Fr. 1.20 Strafporto. Listiger geht der Beamte von Golaten vor. Nicht nur, dass er seine Post nicht frankiert, er tarnt sein Vergehen auch noch, indem er einen neutralen Briefumschlag ohne Absender verwendet und ihn in Wileroltigen einwirft.
Richtig nachtschwarz aber wird es in Hüniken im Kanton Solothurn. Wie sehr das Spargebot der Steuerzahler in der Beamtenseele wüten kann, zeigt folgende Rekonstruktion der Ereignisse aus den Indizien: Der Beamte erhält von der GSoA einen Brief mit ein paar Unterschriften. Er öffnet ihn sorgfältig, ohne ihn zu zerreissen, er beglaubigt die Unterschriften gewissenhaft, steckt die Bogen wieder in den GSoA-Briefumschlag, klebt ihn sorgfältig wieder zu, schreibt mit Genugtuung „refusé” darauf und wirft ihn bei Nacht und Nebel in einen Briefkasten, wo genau ist nicht auszumachen, denn auf dem Umschlag sind nur Stempel verschiedener Züricher Postämter zu sehen. Dafür zahlt die GSoA Fr.-.50 Strafporto und die Gemeinde Hüniken hat Fr.-.70 Porto gespart. Lachen Sie nicht, liebe Leserinnen und Leser, ich habe im Telefonbuch nachgeschaut: Hüniken hat 37 Einträge, inklusive Feuerwehrnotruf und Restaurant. Die Fr.-.70 stellen einen nicht unwesentlichen Bruchteil des Steuereinkommens von Hüniken dar.