Begeisterungswelle am WEF

Das VBS ist begeistert vom diesjährigen WEF-Einsatz der Schweizer Armee. Die GSoA ist es nicht. Denn wir fragen uns, gegen welchen Feind bei solchen Einsätzen eigentlich vorgegangen werden soll.

«Ich bin beeindruckt von der Qualität des Einsatzes der Armeeangehörigen.», so lies sich Samuel Schmid auf der VBS-Homepage nach dem diesjährigen WEF Einsatz vernehmen. Durch ihr diskretes und kompetentes Auftreten hätten die Armeeangehörigen die Wertschätzung der Bevölkerung gewonnen. Die Soldaten selbst würden ihren Einsatz als sinnvoll und besonders motivierend erachten, war da weiter zu lesen.

Wer beeindruckte?

Wer war eigentlich beteiligt, an dieser so hoch erfreulichen Erfolgsgeschichte. Zuerst war da einmal das Parlament, welches dem Bundesrat folgte und damit grünes Licht gab, 6500 Soldaten für die Privatveranstaltung des Herrn Schwab abzukommandieren. 4700 Soldaten erhielten dann auch tatsächlich ein Aufgebot. 3200 von ihnen wurden der sogenannten LTF (Land Task Force) zugeteilt. 1500 der ATF (Air Task Force). Zur Air Task Force gehörten auch die F/A 18 Kampfpflugzeuge, welche im gesperrten Luftraum über Davos eingesetzt wurden. Dieser wurde übrigens 14-mal verletzt. Unter anderem durch Heissluftballone. Und schliesslich war da auch noch die Zusammenarbeit mit den Polizeikräften, die gem. VBS «ausgezeichnet» verlief. Man nutzte gar das von der Armee aufgebaute Kommunikationssystem gemeinsam. Speziell zu erwähnen ist auch noch die der Land Task Force zugehörige Hundeführerkompanie. Diese wurde an der Medienorientierung zum Armee-Einsatz als «effiziente Waffe» bezeichnet. Soldaten, FA/18, Polizei und Hund waren es also, die Bundesrat Schmid so begeisterten.

Wo ist der Feind?

Eine Frage bleibt dennoch offen. Gegen wen oder was standen die Soldaten eigentlich im Einsatz? Tätig waren die Soldaten beim Schutz von Infrastruktureinrichtungen in den Bereichen Verkehr-, Strom-, und Wasserversorgung. Der Luftraum musste abgesichert werden, Personenschutz und Zutrittskontrollen gehörten ebenfalls dazu. Wer aber, so fragt man sich, könnte für all die Objekte und Personen eine Bedrohung darstellen? Die Antwort findet man in der bundesrätlichen Botschaft zum Armeeeinsatz. In seiner darin enthaltenen Risikobeurteilung kommt der Bundesrat zum Schluss, dass «das Risiko eines terroristischen Anschlages oder eines gezielten Angriffs auf die Kongressteilnehmer in Davos als gering zu beurteilen sei». Anders sieht es aus bei der Beurteilung von «gewalttätigen Demonstrationen». Es bestehe «grundsätzlich das Risiko der Beeinträchtigung der inneren Sicherheit in Form von gewalttätigen Demonstrationen». DemonstrantInnen also sind es, die das Grossaufgebot scheinbar nötig machen…

Rules of Engagement

Die Gefahr wurde seitens Bundesrat offensichtlich gravierend genug erachtet, um, gestützt auf Militärgesetz und Verordnung 510.32 (Polizeibefugnisse der Armee), die Soldaten mit scharfer Waffe «verteidigungsfähig» zu machen. In sogenannten «Rules of Engagement» wurde den Soldaten erörtert, in welchen Situationen der Waffengebrauch angezeigt ist. So einfach ist das.

Alles kein Problem…

Und hier, spätestens, wird klar, dass der WEF-Armee-Einsatz sowohl aus sicherheitspolitischen als auch aus staatspolitischen Gründen inakzeptabel ist. Das VBS tat zwar sein möglichstes um sowohl die Ungefährlichkeit der Einsätze zu betonen als auch keinerlei Bedenken betreffend Vermischung von innerer Sicherheit (Polizei) und äusserer Sicherheit (Armee) aufkommen zu lassen. Man tue letztendlich nichts anderes, als der Polizei die Hände frei zu halten, damit sich diese auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könne. Zudem seien die Soldaten auf Ihre Aufgaben gut vorbereitet und gut ausgebildet, lies man sich immer wieder vernehmen. «Die Einsatzverantwortung liege bei den zivilen Behörden». Alles kein Problem, also?

«Plus-Minus»-Ausbildung

Wer sich allerdings, getarnt als Spaziergänger, in Gespräche mit den bewaffneten Soldaten einliess, konnte nicht in die Begeisterungswelle des VBS einstimmen. Ob er sich denn genügend ausgebildet fühle, für die Art von Einsatz, die er hier zu leisten habe, fragte ich den bewaffneten Soldaten beim Eingang des Kommandobunkers oberhalb von Parpan. Das sei eine schwierige Frage. «Plus-Minus», war seine beängstigend vage Antwort. Dies sagte der Soldat just an dem Tag, an dem in Chur und Davos die Demonstrationen stattfanden und im Kommandobunker «erhöhte Alarmbereitschaft» bestand. Was wäre wohl geschehen, wenn die «bösen» DemonstrantInnen laut und in grosser Zahl aufgetaucht wären? Und wer hätte dann bestimmt, wie die «Rules of Engagement» zu interpretieren sind? Zivile oder militärische Behörden? Auf jeden Fall, auch das kann man auf der VBS-Homepage nachlesen, lag die Vorgehensverantwortung für die Planung und Führung des Assistenzdiensteinsatzes auf Stufe Armee beim Führungsstab der Armee…

Der nächste Einsatz kommt bestimmt…

Was vom WEF 2004 aus militärischer Sicht zurückbleibt, ist, neben dem begeisterten VBS, das schlechte Gefühl, dass eine arbeitslose Armee und die zuständigen Behörden einmal mehr in Verkennung aller Gefahren der inneren Einsätze von Soldaten eine staatspolitische Fehlleistung begangen haben. Im VBS ist man fest entschlossen, die inneren Einsätze weiter voran zu treiben. Im Juni kommt der Papst in die Schweiz. Man darf gespannt sein, gegen wen sich das Aufgebot dann richtet. Etwa gegen die Verhütungsmittel-Industrie? Die GSoA weiss: Die Armee wird schon etwas finden – egal, ob sie damit Menschen in der Schweiz gefährdet.