Während des Krieges in Ex-Jugoslawien schlossen sich Menschen in den Kriegsgebieten zu aktiven Friedensgruppen zusammen. Die mediale Öffentlichkeit konzentrierte sich auf das brutale, unmenschliche Kriegsgeschehen.Der zivile Widerstand gegen den Krieg wurde und wird ignoriert, passt nicht ins Bild. Um so wichtiger sind die unabhängigen Medien in Ex-Jugoslawien und in Europa. Radio B92 ist das bedeutendste oppositionelle, unabhängige Radio in Belgrad. Veran Matic ist verantwortlicher Redaktor. Mit ihm führte Roland Brunner für die GSoA- Zitig ein Gespräch.
Roland Brunner: Radio 92 ist die älteste und grösste unabhängige Radiostation in Belgrad. Wie habt Ihr angefangen? Was ist B92 heute?
Veran Matic: Radio B92 sendet seit dem 15. Mai 1989, als politisch noch das Ein-Parteien-System geherrscht hat. Die Station wurde von einer Gruppe von StudentInnen und SchülerInnen gegründet, die zuvor für zwei Programme bei den zwei Lokalradios – Radio Studio B und Radio 202 – gearbeitet hatten. Wir haben auf subversive Art begonnen. Nachdem wir die Bewilligung erhalten haben, fünfzehn Tage ein Jugendprogramm auszustrahlen, haben wir die Feiern für Titos Geburtstag benutzt, um die Sendungen fortzuführen. Wir senden nun bereits sieben Jahre in diesem <halb- piratischen> Zustand.
Du bist direkt aus Genf angereist, wo B92 den ersten Preis für einen Dokumentarfilm gewonnen hat. Wie kommt eine Radiostation zu einem Dokumentarfilm?
Weil wir keine Erlaubnis haben, eine Radiostation zu betreiben, wäre es unrealistisch gewesen zu erwarten, dass wir den Kreis unserer HörerInnen erweitern könnten. Wir haben daher beschlossen, unseren Einfluss in den serbischen Provinzen durch andere Aktivitäten zu vergrössern. Eine dieser Aktivitäten ist die Fernsehproduktion, mit der wir vor zwei Jahren begonnen haben. Wir haben grossen Erfolg. Zur Zeit gewinnen wir die ersten Preise der einheimischen Dokumentarfilm-Festivals – und das gegen die staatlichen Fernsehstationen. Zudem ist bemerkenswert, dass wir auch von internationalen Festivals ausgezeichnet worden sind. Das bedeutet, dass wir die Anerkennung der Welt für die Qualität unserer Arbeit haben. Die Themen unserer Filme haben mit der Tätigkeit des Radios zu tun. Einerseits beinhalten sie dokumentarische Recherchen, andererseits sind sie Darstellungen gewisser Ideen und Gruppen, wie z.B. zwei Filme, die wir kürzlich gedreht haben über das Leben der Roma (Zigeuner) oder Filme über den Minderheitenstatus wie jene drei über die albanische Minderheit in Kosovo. Wir drehen auch Reportagen, die mit dem in Zusammenhang stehen, was wir im Radio produzieren. Speziell erwähnen möchte ich hier die Reportage <Marble Ass>, ein Anti- Kriegsfilm aus aussergewöhnlicher Perspektive, nämlich der Belgrader Transvestie-Szene. Obwohl wir keine Bewilligung für einen Fernsehsender besitzen, haben viele Leute in Serbien die Möglichkeit, unsere Filme zu sehen. Alle Filme werden auf Videokassetten durch Video-Clubs vertrieben und verkauft. Wir haben unsere Dokumentarfilme auch in Kinos gezeigt, u.a. im Rahmen von Veranstaltungen, die wir selber organisiert haben. Über diese Veranstaltungen wurde in anderen Medien ausführlich berichtet, so dass die Information über unsere Aktivitäten und unser Einfluss ständig zugenommen haben.
Einerseits seid Ihr eine illegale Radiostation ohne legale Frequenz, andererseits holt Ihr die Preise lokaler Festivals im Wettbewerb gegen das Staatsfernsehen. Zudem betreibt Ihr noch ein eigenes Kulturzentrum. Euer Zugang zur Kultur ist ein ausgesprochen politischer. Die Themen, die Ihr aufgreift, haben nicht nur mit Kultur, sondern viel mit Politik zu tun. Wie schafft Ihr die Balance zwischen einer unabhängigen Kultur und einer Oppositionspolitik innerhalb eines von der Regierung vorgegebenen Rahmens, wie man ihn in Serbien vorfindet?
Nach fast drei Jahren Arbeit für Radio B92 haben wir gelernt, dass wir auf allen Ebenen unserer Aktivitäten einen Qualitätssprung machen müssen, d.h. aus einer Bewegung kleine Institutionen zu bilden. Insbesondere wollten wir die Intensität unserer Tätigkeiten vergrössern. Wir achteten darauf, unsere Ideen in konkrete Arbeiten und Aktionen umzusetzen. Aus diesem Grund begannen wir, mit verschiedensten Medien zu arbeiten: CDs, Videos, Theaterstücke usw. Weiter haben wir gelernt, dass wir immer besser sein müssen als staatliche oder staatsnahe Institutionen – einerseits als Motivationsspritze für unsere weitere Arbeit, andererseits um die Grundlage für eine Diskussion mit dem Staat zu schaffen. Es ist sehr wichtig, dass alles, was wir tun, eine Verbindung mit den Trends in der Welt hat. Das zeigte sich, als wir nach der Einführung der Sanktionen gegen Serbien plötzlich doppelt sanktioniert wurden: von der internationalen Gemeinschaft und der serbischen Regierung. Indem wir Internet-Anbieter in Jugoslawien wurden, leisteten wir zwar teure, aber gute Arbeit. Wir konnten so ein Staatsmonopol verhindern. Die NGOs und unabhängigen Medien erhalten über uns einen umfassenden Zugang zum Internet. Das ist, was zählt: für sich eine bessere Position als diejenige des Staates zu schaffen. In diesem konkreten Fall sind wir besser als der Staat, mit der Konsequenz, dass inzwischen sogar staatliche Institutionen und Unternehmen sich bei uns über einen möglichen Internet-Zugang erkundigen. Ausschlaggebend ist, dass man etwas hat, was die anderen brauchen. Ein Gespräch von gleich zu gleich wird realistischer. Aber erst kürzlich hat der Staat einen unabhängigen Fernsehsender geschlossen. Eine vorher unabhängige Zeitung wurde übernommen.
Ist B92 zu harmlos für den Staat? Wie kann B92 dem staatlichen Druck trotzen?
B92 ist harmlos, aber nur, was den Bereich der Radiosendungen betrifft. Das bedeutet, dass die Radiosendungen zwar gestoppt werden können, das ganze Projekt aber unzerstörbar ist. Es besteht aus einem ganzen Spektrum von Aktivitäten, realisiert vom kreativsten Team, das zur Zeit in Belgrad existiert. Würde die Regierung den Sender schliessen, würden alle anderen Aktivitäten weiterexistieren und wir wären zu einem langen und sehr starken Widerstand gegen die Regierung fähig. Ich denke, die Regierung geht davon aus, dass eine Schliessung weit mehr negative Konsequenzen haben würde – nicht zuletzt, weil wir extrem gute und starke Verbindungen zu internationalen Institutionen hergestellt haben, zunächst einmal zu unseren BerufskollegInnen, also JournalistInnen von den grössten Medien der Welt bis zum ganzen Spektrum der kleinen. Weiter pflegen wir intensive Kontakte mit Menschenrechtsorganisationen. Es gibt auch politische Institutionen, die dank der Tatsache, dass über uns oft berichtet wird, von B92 wissen, dass wir nicht nur eine Radiostation sind sondern eine ganze Bewegung, deren Existenz in Belgrad ausgesprochen wichtig ist. Darum zögert das Regime uns anzugreifen. Alle Medien, die von der Regierung attackiert und annektiert wurden, hatten interne Probleme. Sie waren in ihrer Verlags- und Öffentlichkeitspolitik und der internen Organisation nicht homogen genug, was vom Staat ausgenutzt wurde. B92 ist hier anders. Wir sind ein extrem homogenes Team – im Sinne einer Generation, aber auch bezüglich unserer Ideen und kulturellen Vorstellungen. Für den Staat ist es so schwierig, einzudringen und uns zu spalten. Einmal haben wir einen ganzen Tag lang ein Programm ausgesendet, wie wenn die Radiostation vom Staate übernommen worden wäre: Nachrichten, Musik, Kommentare . alles wie die offizielle Staatspropaganda. Das hat unglaubliche Proteste hervorgerufen. Die Reaktionen zeigten dem Staat, dass bei einer Schliessung von Radio B92 Probleme zu erwarten wären. Wir bedienen uns oft der gleichen Taktik wie das Regime. Nicht selten lässt dieses zunächst einen Versuchsballon steigen: Das Regime versucht, ein paar unabhängige Medien zu schliessen, und wartet dann, um zu sehen, was geschehen wird. Passiert nichts, beginnt es mit der richtigen Schliessung. So liessen auch wir unseren Testballon in Sachen Selbstschutz und Schliessung steigen. Das war eine recht erfolgreiche Aktion. In der lokalen aber auch in der internationalen Presse wurde darüber ausführlich berichtet. Zudem verlieren wir keine Zeit damit, zu erklären, wir seien keine VerräterInnen, wenn wir vom Staat angeklagt werden. Im Gegenteil: Wir produzieren entweder einen Ansteckknopf mit der Aufschrift <Ich bin ein Verräter>, der in Belgrad populär wird, oder wir klagen die KlägerInnen selber an, sie seien die VerräterInnen: Alles was sie tun, sei gegen die serbischen Interessen gerichtet.
Vier Jahre lang wurde das Regime in Serbien als hauptverantwortlich für den Krieg und für die meisten Kriegsverbrechen bezeichnet. Ich weiss, dass Radio B92 beispielsweise über den Sender jungen Leuten in gewissen Stadtteilen zur Zeit der grossen Zwangsmobilisierung riet, die Tür nicht zu öffnen. Radio B92 hat auch zu Demonstrationen gegen den Krieg aufgerufen. Aber dieser gewaltlose Widerstand gegen den Krieg hatte keinen grossen Effekt. Er verhinderte weder den Krieg noch führte er zum Sturz der Regierung. Was kann ein Radio tun, oder was kann gewaltfreier Widerstand überhaupt tun in einer solchen Situation?
Ich denke, wir taten viel. Natürlich beendeten wir nicht den Krieg, das kann von uns auch nicht erwartet werden, da wir verglichen mit der staatlichen Propaganda und dem staatlichen Fernsehen völlig ungleiche Möglichkeiten haben. Wenn aber diese Anti-Kriegs-Bewegungen in Serbien nicht existieren würden, so hätten die Klagen auf kollektive Kriegsschuld einer Nation, eines Volkes – nämlich der Serben – viel mehr Raum. Anderereits würde ich nicht sagen, dass wir überhaupt nichts beitrugen, den Krieg zu beenden. Ich glaube, das grösste Resultat des Widerstandes gegen den Krieg in Belgrad sind die 200000 bis 300000 jungen Männer, alles potentielle Soldaten, die das Land verliessen, statt am Krieg teilzunehmen. Unter anderem stützten wir sie sehr stark in ihrer Entscheidung. Während des ersten Kriegsjahres in Kroatien waren weder in Belgrad noch in den meisten anderen serbischen Städten weitere Mobilisierungen erfolgreich. Das Regime verlagerte sich auf paramilitärische Einheiten und Freiwillige, d.h. auf Leute, die von nationalistischem Hass befallen waren. Das war bereits ein erstes Signal für das Regime, dass es den Krieg kaum gewinnen würde. Bestimmt gibt es Grenzen der Einflussnahme, aber man kann in der konkreten Situation nicht darüber grübeln. Man muss soviel tun, wie man tun kann. Die einzige Grenze, die es wirklich gibt, ist die eigene physische Belastbarkeit. Dass das, was erreicht wurde, nicht wirklich das Maximum ist, könnte auch damit erklärt werden, dass während der ersten zwei Kriegsjahre die internationale Unterstützung der Anti-Kriegs-Aktivitäten relativ schwach war. Wäre sie stärker ausgefallen, so würden die Ergebnisse bestimmt viel besser ausschauen. Sehr wichtig war, dass es die kleinen Bewegungen schafften, sich zu etablieren, sich zu institutionalisieren. Nur wenige schafften dies. Einer der Gründe liegt im Mangel an Unterstützung – und zwar nicht nur im materiellen und finanziellen Sinn, sondern auch im Sinn von Öffentlichkeit. Es dauerte sehr lang,e bis die Leute uns wahrnahmen. Ein Problem war das Pauschal- und Kollektivurteil über die Serben. Viel Zeit war notwendig, um zu erklären, dass auch in Serbien Widerstandsgruppen und -institutionen existieren. Während zweier Jahre haben wir erfolglos versucht, Leute von auswärts für Unterstützung zu gewinnen. Viele gaben auf, verliessen das Land oder verharrten in innerem Exil. So war beispielsweise die gesamte Unterstützung von deutschen NGOs in den fünf Jahren seit Beginn des Krieges kleiner als die einer Gruppe von einigen alten Damen in einer kleinen Stadt in Holland, Dodrecht, die einen <Club der Freunde von Radio B92> gründeten. Das ist nur ein Beispiel, das die Wirklichkeit klar veranschaulicht.
In Bosnien fallen heute keine Bomben mehr. Manche nennen das Dayton- Abkommen einen Frieden. Anscheinend brachten das Militär und die NATO den Frieden, während Zivilgesellschaft und Opposition versagten. Was bedeutet das für Euch? Wo liegt der Schlüssel, um die Sache nächstes Mal besser zu machen?
Die NATO hat Bosnien-Herzegowina nicht erobert und besetzt, sondern sie kam ins Land nach der Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens durch die Kriegsparteien. Das allein zeigt schon, dass nicht die NATO den Frieden brachte. Zudem war die Unterschrift unter dieses Abkommen selber die offengelegte Unfähigkeit seitens der bosnisch- serbischen Armee, dass sie nicht mehr über die Stärke und die Motivation der Soldaten verfügte, um die langen Fronten zu halten. Strategisch war es eine Fehlannahme von Radovan Karadzic und Ratko Mladic, sie könnten 60 -70 Prozent der Gebiete halten. Denkt nur an die Situation, als US- Soldaten in Äthiopien eintrafen und wie komisch ihre Aktion in den ersten Tagen war, als sie in den Sand fielen. Bald darauf scheiterte ihre Aktion, obwohl ihre Bewaffnung derjenigen der äthiopischen Truppen weit überlegen war. Ich glaube nicht, dass die NATO im Moment oder auch später die Schlüsselrolle spielen wird. Zuviele andere Interessen spielen mit. Es geht erst in dritter, vierter oder fünfter Linie um den Frieden. Zuvor kommen die Interessen der verschiedenen Staaten am Waffenhandel und ihren eigenen Waffenexporten. Auf dem Hintergrund von Bosnien-Herzegowina werden heute auch die Machtkämpfe und politischen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der europäischen Politik und im Konflikt mit den USA ausgetragen. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien begann nicht 1991. Er fing bereits 1988 oder 1989 an, als klar war, dass ein Krieg ausbrechen würde. Einige intelligente Leute verkündeten bereits in den siebziger Jahren – bevor Tito starb und besonders nach seinem Tod -, dass die Struktur der Gesellschaft und der Politik in einen Krieg münden werde. Damals hätte mit den Vorbereitungen gegen den Krieg begonnen werden müssen. Niemand unternahm etwas, bis am 26. Juni 1991 der Krieg in Slowenien ausbrach. Zwei oder drei Tage zuvor sagte der US- Aussenminister James Baker, dass Jugoslawien erhalten werden müsse, aber nichts wurde unternommen. Jugoslawiens Premierminister Ante Markovic erhielt keine finanzielle Unterstützung, mit der er die wirtschaftlichen Bedingungen der BürgerInnen hätte verbessern und die existierende nationalistische Euphorie hätte zurückbinden können. Auch nach der Unterschrift unter das Abkommen von Dayton hatte der zivile Wiederaufbau nicht erste Priorität. Als erstes wurde das Waffenembargo aufgehoben. Gelder für Waffen und militärische Ausbildung wurden bereitgestellt. Darauf erst wurden Konferenzen mit möglichen Spendern für den zivilen Wiederaufbau organisiert. Die Gelder für den zivilen Wiederaufbau, den Aufbau des wirklichen Friedens, tröpfeln langsam herein. Während die Zahlungen für die militärischen Aktivitäten gesichert sind, bleibt die zivile Hilfe weitgehend ein Versprechen. Die NATO wird den Krieg in Bosnien und Herzegowina nicht beenden können, wenn keine ernsthaften Anstrengungen für ein ziviles Programm unternommen werden. Dass nichts dergleichen unternommen werden wird, ist daran abzulesen, dass die Wahlen für September geplant sind, obwohl völlig klar ist, dass sie nicht unter regulären Bedingungen stattfinden können. In Anbetracht der Situation sind – zumindest in den serbischen Gebieten – keine Veränderungen zu erwarten. Die nationalistischen Mächte werden die Kontrolle behalten, egal ob dies Karadzics Partei SDS oder Milosevics SPS sein wird.
Milosevic geht aus dem Krieg als Gewinner hervor. Er hat den Krieg begonnen – und er hat ihn mit seiner Unterschrift beendet. Er scheint heute genau die Politik zu betreiben, welche die Opposition immer gefordert hat. Ende Jahr wird es in Serbien wieder zu Wahlen kommen. Wird Milosevic diesen politischen Sieg zu einem Wahlerfolg ummünzen können? Was änderte sich mit dem Dayton-Abkommen in Serbien? Was änderte sich für Euch, für Radio B92?
Der einzige Nutzen des Dayton- Abkommens ist, dass 100 bis 200 km von Belgrad und Serbien niemand mehr umgebracht wird. Was unsere Stellung in Serbien betrifft, so ist sie schlechter als während des Krieges. Heute haben wir alle den Eindruck, dass Milosevic durch das Dayton- Abkommen freie Hand zur Entfaltung der totalen Diktatur in Serbien erhalten hat. Das zeigt sich in einer Zunahme der Unterdrückung von unabhängigen Medien. Bei der Übernahme der einzigen unabhängigen Fernsehstation, ITV Studio B, ist jede Reaktion des Auslands ausgeblieben. Ebenfalls wird die Stellung von Milosevic durch das Beispiel Kosovo eindeutig. Er realisiert dort nicht, was die westliche Diplomatie von ihm erwartet, also eine Verhandlungslösung, sondern genau das Gegenteil. Die Situation spitzt sich zu. Die ausländischen PolitikerInnen haben den AlbanerInnen eine Menge versprochen. Sie sind in ihren Versprechen aber nie konsistent gewesen. Nach Milosevics Annäherung an Karadzic und Mladic haben die ausländischen PolitikerInnen begonnen, den Kosovo als Teil von Serbien zu betrachten. Sie sind der Ansicht, dass die Lösung für den Kosovo innerhalb der gegenwärtigen serbischen Grenzen gefunden werden muss. Milosevic hat einen grossen Teil seiner Popularität in der Bevölkerung verloren, insbesondere durch das Unterzeichnen des Dayton-Abkommens, also der Abkehr vom nationalistischen Projekt <Gross-Serbien>. Die Lage hat sich auch für die Oppositionsführer verschlechtert. Ich glaube, sie ist schlechter als 1991, als in Belgrad grosse Demonstrationen der Opposition stattgefunden haben, Leute verhaftet und zwei Personen getötet worden sind. Was tun in der Zukunft? Die Menschen, die in dieser Gegend leben, sind historisch unreif. Um in den nächsten 20 – 30 Jahren Konflikte zu vermeiden, kann man mit diesen Menschen nur eines tun, nämlich sie entwaffnen, ihnen die Möglichkeit nehmen, zu Waffen zu gelangen. Die internationale Gemeinschaft macht das Gegenteil. Sie schafft eine Situation, die einen neuen Kalten Krieg nach sich ziehen wird. Zum Beispiel in Bosnien und Herzegowina: Die USA haben die Diskussion um militärische Hilfe aufs Tapet gebracht. Am nächsten Tag hat Russland das Waffenembargo aufgehoben und wahrscheinlich noch am gleichen Tag den Serben in Bosnien Waffen geliefert. Hier reproduziert sich also ein kleines Modell des Kalten Krieges. Solche Fehler werden dauernd wiederholt. In diesen Kriegen hat sich herausgestellt, dass die Menschen unreif sind und daher von Waffen ferngehalten werden sollten, weil sie sonst aufeinander schiessen. Entwaffnung aller Seiten und Kräfte in diesem Gebiet müsste daher Priorität haben in einer kontinuierlichen Politik zur Umsetzung des Dayton-Abkommens.
Radio B92 auf Internet: http://rave.opennet.org/opennet/b92inet.html