Das Verhängnis von Waffe und Würde

Sportschützen und Jäger sind von der Waffeninitiative nicht betroffen. Dennoch wehren sie sich nach Kräften. Wie lässt sich dieser irrationale Widerstand erklären?

Die Volksinitiative «für den Schutz vor Waffengewalt» erlaubt lizenzierten Sportschützen und Jägern weiterhin, ihre Waffe zu Hause zu behalten. Trotzdem laufen sie Sturm dagegen – auch zur Verwunderung bürgerlicher Frauen. Gerade die Tatsache, dass es in dieser Frage im bürgerlichen Lager einen auffällig tiefen Graben zwischen den Geschlechtern gibt, spricht dafür, die Erklärung für die Sturheit in den geschichtlichen und seelischen Tiefenschichten der bürgerlich-traditionalistischen Männerwelt zu suchen. Es gibt ein spezifisch schweizerisches Verhängnis von Waffe und Würde. Dieses macht eine sachliche Diskussion über die Einführung von Bestimmungen, die keinen Sportschützen und keinen Jäger an der Ausübung seines Hobbys hindern würden, derart schwierig.

«Braut des Soldaten»

Unter den alten Eidgenossen galt der in den 1980er Jahren gegen die GSoA wieder in Erinnerung gerufene Grundsatz: «Wehrlos gleich ehrlos.» So diente an der Appenzeller Landsgemeinde der Degen als eine Art Stimmausweis. In der Armee wurde das Sturmgewehr bis vor kurzem als «Braut des Soldaten» bezeichnet. Dies macht es nachvollziehbarer, weshalb sich die Traditionalisten nicht vorstellen können, dass das «Obligatorische» mit einer Leihwaffe geschossen wird. 2004 beschwor der Schützenverbandspräsident Peter Schmid in Anwesenheit seines Bruders Samuel am 20. Schweizerischen Sportschützenfest in Reinach die Verknüpfung von Bürgerrecht und Bewaffnung: «Die Macht beim Volk, die Waffe beim Mann.» In der Ideologie des Waffenbesitzes als Privileg des selbstverantwortlichen Bürgers liegt eine der Haupterklärungen für die späte Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz.

Die positive Tatsache, dass die Verbindung von Wehrhaftigkeit und Ehrhaftigkeit an Zugkraft verloren hat, hat die negative Folge, dass auch deren disziplinierende Wirkung nachgelassen hat. Die Auflösung traditioneller Ehrgefühle und Tabus erleichtern den Gebrauch der Dienstwaffe als Drohmittel gegen Ehepartner und Kinder, aber auch als Mord- und Suizidinstrument. Die Individualisierung der Gesellschaft mindert die soziale Kontrolle über den Gebrauch von Schusswaffen. Damit entfaltet die unberechenbare Seite der Verbindung von Waffe und Würde eine umso verheerendere Wirkung und zwar sowohl bei unangepassten wie auch bei überangepassten Männern.

Leibacher und Stadler

Der querulantische Aussenseiter Leibacher versuchte mit den Waffen, seine «Ehre» als Privatperson wiederherzustellen und sich als schützender Vater zu beweisen. Gleichzeitig wollte er sich als «rechtschaffener» Bürger an der so genannten «Zuger Mafia» rächen und an Ort und Stelle den Staat wieder «in Ordnung» bringen. Der bis zum 30. April 2006 hochanständige Prokurist Gerold Stadler versuchte, sich mit der Offizierspistole, einer besonderen Ehrenwaffe, an den vermeintlichen Schuldigen seines Scheiterns als Familienvater zu rächen und gleichzeitig seine private Welt wieder «in Ordnung» zu bringen.

Wenn die Waffenlobby immer wieder betont, nicht die Waffe sei gefährlich, sondern die Person, die sie missbraucht, hat sie mehr Recht, als ihr recht sein kann. Deshalb braucht es neben konkreten Verschärfungen die Auflösung der anachronistisch gewordenen und deshalb immer gefährlicher werdenden Verknüpfung von Waffe und männlicher Würde. Auch aus diesem Grund gehört die Ordonnanzwaffe ins Zeughaus.

 

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