Den Frieden zivilisieren

 

Weltweit wird zu oft auf Soldaten gesetzt. Es gibt zuviel militärische und zuwenig zivile Konfliktlösungsmittel. Soweit die Analyse. Der Lösungsansatz kann nicht nur Schweiz ohne Armee lauten. Darüber hinaus muss es um einen friedlichen und zivilen Beitrag zur internationalen Sicherheitspolitik gehen. Deshalb schlägt die GSoA in der zweiten Initiative einen freiwilligen Schweizer Friedensdienst vor. Auf den Seiten 5 bis 7 ist die Diskussion um die Initiative ‹Solidarität schafft Sicherheit› und der aktuelle Stand der Arbeiten dargestellt.

Nach der letzten GSoA-VV wurde an Diskussionveranstaltungen, mehreren Koordinationssitzungen, Regionalgruppentreffen und in Diskussion mit interessierten Organisationen der Initiativvorschlag weiterentwickelt. Das Resultat ist aber immer noch als Initiativentwurf und nicht als konkreter Verfassungstextvorschlag zu verstehen. In der Diskussion waren zentrale Punkte unumstritten. Gleichzeitig bleiben Fragen, die an der Vollversammlung vom 24. November diskutiert werden sollen. Anschliessend soll ein Initiativtext ausgearbeitet werden.

Wo sind wir uns einig?

Frieden ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, der Friedensdienst deshalb nicht nur ExpertInnen und SpezialistInnen vorbehalten. Zu einer Grundausbildung in gewaltfreier Konfliktlösung sollen alle in der Schweiz lebenden Menschen Zugang haben. Zur Lösung von sozialen und gesellschaftlichen Problemen ist eine Erhöhung der friedlichen Konfliktfähigkeit zukunftsträchtiger als der Ausbau der staatlichen Repressionsmittel. Gegenüber dem alten Initiativentwurf (unten links) stellt der neue Entwurf (unten rechts, Punkt 1) sicher, dass eine erste Stufe des Friedensdienstes allen offensteht. Je nach beruflicher Qualifikation und Bedarf erfolgt in einer zweiten Stufe eine spezifischere Ausbildung im Hinblick auf mögliche Einsätze. Vor Einsätzen werden die Friedensdienstleistenden in einer dritten Stufe auf die konkrete Konfliktsituation vorbereitet. Die zweite und dritte Stufe wäre ähnlich ausgestaltet wie die Ausbildung beim Schweizerischen Katastrophenhilfekorps.
Beim Friedensdienst müssen arbeitsmarktpolitische Sicherungen eingebaut werden, damit der Friedensdienst nicht bestehende Arbeitsplätze konkurriert. Im Artikel 6 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995 wird festgehalten, dass der Einsatz zivildienstleistender Personen a) keine bestehenden Arbeitsplätze gefährden darf, b) die Lohn- und Arbeitsbedingungen im Einsatzbetrieb sich nicht verschlechtern und c) keine Wettbewerbsverfälschungen resultieren dürfen. Eine ähnliche Formulierung wurde in den neuen Initiativentwurf (Punkt 4b) aufgenommen. Ebenso soll der Erwerbsausfall der Friedensdienstleistenden (wie bei Militär- und Zivildienstleistenden) ausgeglichen werden.
Nichtregierungsorganisationen sollen bei der Ausgestaltung und beim Entscheid über den Einsatz des Friedensdienstes beteiligt sein. Eine Kommission, in der entwicklungspolitische, friedens- und kirchliche Organisationen sowie Frauenverbände vertreten sind, soll die Einsätze begleiten.
Offen ist, wie detailliert wir die Ausgestaltung des Friedensdienstes explizit vorgeben wollen. Die Frage lautet: Welches sind die Mindestanforderungen für einen Friedensdienst, die wir auch in der Verfassung verankern wollen?
Diskussionsbedarf besteht weiter darüber, wie der Zugang zum Friedensdienst geregelt werden soll. Die Dienstleistung soll freiwillig erfolgen, ein Problem stellt sich aber, solange die Schweizer Armee noch besteht und für Männer eine Wehrpflicht existiert.
Zumindest soll geleisteter Friedensdienst den Wehrpflichtigen angerechnet werden. Wenn ein konkreter Einsatz aber nur entsprechend den beruflichen Qualifikationen und dem Bedarf an Freiwilligen ermöglicht würde, bestünde über eine Grundausbildung hinaus kein Anspruch, Friedensdienst leisten zu können (Variante Qualifizierter Friedensdienst). Als Alternative zum Militärdienst würde weiterhin der Zivildienst in seiner heutigen Form bestehen. Der überarbeitete Initiativentwurf geht von dieser Variante aus.

Weitergehende Möglichkeiten

Eine weitergehende Variante wäre, allen Wehrpflichtigen die freie Wahl zwischen einem Friedens- und Militärdienst zu ermöglichen. Wer sich bereit erklärt, gleich lang Friedensdienst zu leisten, würde von der Militärdienstpflicht befreit. Zu diesem Zweck müssten die Einsatzmöglichkeiten des Friedensdienstes vor allem im Inland deutlich ausgebaut werden. Der bereits bestehende Zivildienst würde in den Friedensdienst überführt. Zusätzlich könnten zivile Aufgaben, die bisher von der Armee geleistet wurden, vom Friedensdienst übernommen werden. Diese zweite Variante hätte verschiedene Änderungen im untenstehenden Initiativentwurf zur Folge.
Zu diskutieren ist auch, ob die Mitentscheidungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen im neuen Initiativentwurf (Punkt 3b) genügend sind, oder ob wir weitergehende Befugnisse für nichtstaatliche Stellen festsetzen können und wollen.
Am 24. November können wir nicht alle Fragen abschliessend klären. Ausgehend von der Diskussion an der VV soll ein konkreter Initiativtext erarbeitet werden, den wir in den nächsten Monaten an GSoA-Veranstaltungen und mit interessierten Organisationen diskutieren und allenfalls noch verändern können.

Diskussionspunkte für die Vollversammlung

Es gilt zu klären, welche Anliegen im Initiativtext ausformuliert – also explizit in die Verfassung aufgenommen – werden sollen und welche Elemente eines Zivildienstmodells wir nicht direkt in den Initiativtext, sondern ‹nur› in die Diskussion einbringen wollen. Unerwünschte Interpretationen des Initiativtextes müssten verhindert und erwünschte Interpretationen in der gesetzlichen Umsetzung der Initiative erleichtert werden. Irgendwo zwischen einem Initiativtext, der sich auf die Forderung nach einem Friedensdienst beschränkt und einem ausformulierten Friedensdienstmodell wird ein sinnvoller Detaillierungsgrad liegen.
Vor allem soll die VV zu folgender Frage Stellung nehmen: Wie wird der Zugang zum Friedensdienst geregelt, solange die Armee noch besteht? Zwei Optionen stehen zur Debatte:
Variante qualifizierter Friedendienst: (Grundlage für den überarbeiteten Initiativentwurf)
Eine erste Stufe des Friedensdienstes steht allen offen und würde Wehrpflichtigen angerechnet. Darüber hinaus kann je nach beruflicher Qualifikation und Bedarf Friedensdienst geleistet werden. Der Zivildienst würde weiterbestehen.
Der Vorteil wäre, dass wir uns auf eine Diskussion über zivile Möglichkeiten zur Konfliktbearbeitung konzentrieren könnten. Ein Nachteil bestünde darin, dass weniger Handlungsdruck für die Bereitstellung von Einsatzmöglichkeiten geschaffen wird. Die Schweiz könnte sich allenfalls damit begnügen, die Guten Dienste etwas auszubauen.
Variante Friedensdienst als Alternative zum Militärdienst: (Initiativentwurf müsste geändert werden)
Es besteht einefreie Wahlmöglichkeit zwischen Friedens- und Militärdienst von gleich langer Dauer. Der bestehende Zivildienst wird in den Friedensdienst überführt.
Der Vorteil bestünde darin, dass einerseits Kritikpunkte der GSoA am Zivildienst (Gewissensprüfung und ‹Tatbeweis› durch 1,5 mal so langen Zivildienst wie verweigerten Militärdienst) umgesetzt werden können und andererseits ein höherer Handlungsdruck geschaffen würde, Einsatzmöglichkeiten bereitzustellen. Der Nachteil hingegen wäre, dass wir die Diskussion um den Friedensdienst mit mehreren zusätzlichen Elementen befrachten: Wir müssten einerseits die Diskussion um eine Ausweitung der Dienstpflicht in zivile Bereiche und andererseits um die Wehrpflicht führen. Die Forderung nach einem zivilen Beitrag zur Konfliktlösung in Form eines freiwilligen Schweizer Friedensdienstes würde unter Umständen untergehen.