Die Charmeoffensive des World Economic Forum (WEF) wird jedes Jahr aufdringlicher. KritikerInnen des WEF hatte man in der Schweiz hingegen noch nie gerne.
Anscheinend hat man in Davos gemerkt, dass immer mehr Menschen das WEF und die neoliberale Globalisierung als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung der weltweiten Ungerechtigkeit ansehen. Die fehlende demokratische Legitimation versuchte das WEF in diesem Jahr mit abgedroschenen Phrasen (“taking responsibility for tough choices”) und Spendenaufrufen für Moskitonetze (Tsunami) wett zu machen.
KritikerInnen des WEF hatte man in der Schweiz noch nie gerne. Denn nach den Auseinandersetzungen der letzten Jahre geschwächten Zustand der globalisierungskritischen Bewegung nahm man in diesem Jahr aber zum Anlass, um die Grundrechte auf unglaubliche Art und Weise einzuschränken: So wurde etwa, wie die Sonntagszeitung am 23. Januar berichtete, den 5500 Schweizer Soldaten am WEF verboten, sich zu politischen Themen (wie dem WEF) zu äussern – eine Massnahme, die der Freiburger Staatsrechtprofessor als “verfassungsrechtlich bedenklich” einstufte. Dass sich ein Grossteil der Soldaten dieses Verbot gefallen liess, stimmt nachdenklich – die kritischen Soldaten waren wohl aber zum Einsatz gar nicht erst angetreten (vergleiche Soldatenkomitee gegen Innere Einsätze).
WEF-kritische Menschen bekamen auch in Bern einen Maulkorb verpasst: Nachdem ein Gesuch für eine Kundgebung gegen das WEF eingegeben worden war, unternahmen die Polizei und die Stadtregierung alles, um den WEF-Protest in Bern zu verhindern: Zuerst wollte man die Demonstration nur am Stadtrand zulassen, dann wurde eine Platzkundgebung in einem Polizeikäfig auf dem Bundesplatz angeboten. Hätten die OrganisatorInnen dieses Angebot angenommen, wäre eine Eskalation der Demonstration kaum zu verhindern gewesen.
Zudem wurde die globalisierungskritische Veranstaltung “Das andere Davos”, unter der fadenscheinigen Begründung, sie stelle ein Sicherheitsrisiko dar, vom zentral gelegenen Veranstaltungsort Progr in die periphere Dampfzentrale “verbannt”. Finanzdirektor Wasserfallen erklärte im Vorfeld offen, er dulde keine Politik im Kulturzentrum.
Allen Unkenrufen zum Trotz ist es in der Folge gelungen, in Bern friedlich und kreativ gegen das WEF zu demonstrieren. Mit dem farbigen Polit-Fest am 22. Januar 2005 konnte das “grösste Polizeiaufgebot, das Bern je gesehen hat” (Polizeikommandant Blumer) ad absurdum geführt werden. Die GSoA, welche das Gesuch für eine Demonstration aufgrund eines fehlenden öffentlichen Bekenntnisses zur Gewaltfreiheit nicht unterstützt hatte, ist froh über den offensichtlichen Willen der Veranstalter des Polit-Festes, dieses friedlich durchzuführen. Die TeilnehmerInnen des Festes liessen sich auch durch das unverhältnissmässige Polizei-Aufgebot an der Demonstration nicht provozieren – dies, obwohl über 600 Menschen kontrolliert und 84 verhaftet wurden. Die Verhafteten berichten dabei über massive Erniedrigungen und Schikanen im Polizeigewahrsam.
Eine Stadt hat das Recht, von den OrganisatorInnen einer Kundgebung zu verlangen, dass diese ihr Möglichstes tun, um Ausschreitungen zu verhindern. Wenn Auflagen und Einschränkungen aber zu einem Instrument werden, um der Kritik gegen eine Veranstaltung wie dem WEF einen Maulkorb zu verpassen und sich die Behörden nicht auf einen Dialog mit den OrganisatorInnen einlassen wollen, ist die Meinungsfreiheit in der Schweiz in Gefahr.