Endlich ist ein Ernstfall eingetreten. Seit dem 4. März bewachen 600 WK Soldaten insgesamt vierzehn „diplomatische Objekte” in Genf. Das Gelände der Uno, der Sitz des UNHCR, das „Haus der Menschenrechte” sind mit Stacheldrahtrollen und Eisengitter umzingelt. Grüne Kunststofftarnnetze kommen ebenfalls zum Einsatz. Vor den Eingängen von besonders zu schützenden Gebäuden – die Residenz des türkischen Botschafters oder die Jugoslawische Mission – sind gar Sandsäcke angehäuft. Dahinter stehen rund um die Uhr vollausgerüstete Infanteristen, beladen mit 15 Kilogramm schweren Panzerwesten, Sturmgewehr mit 25 Kugeln im Magazin, Radio und Was-sonst-noch-in-die-Taschen-des-Kampfanzuges-gehört.
Der Vorwand für die Mobilisierung der Armee waren die Botschaftsbesetzungen von kurdischen DemonstrantInnen nach der Verhaftung von PKK-Führer Abdullah Öcalan im Februar. Die Polizei sei nicht mehr in der Lage, die Sicherheit internationaler Missionen und Organisationen zu gewährleisten. Dieser Armeeeinsatz erklärt die KurdInnen zur nationalen Bedrohung und schürt damit das fremdenfeindliche Stereotyp des Terroristen. Dass die KurdInnen in der Türkei seit 30 Jahren einer Repression ausgesetzt sind, die mit derjenigen der AlbanerInnen im Kosovo vergleichbar ist, wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Ein ziviles Konzept für den Umgang mit diesem „Kurdenproblem” hingegen fehlt.
Die GSoA Genf hat bis jetzt vergeblich versucht, den Armeeeinsatz rückgängig zu machen. Zwei Demos (300 und 500 TeilnehmerInnen), eine Petition und eine von der rosa-rot-grünen Mehrheit unterstützte Motion des Genfer Grossrates, die den Rückzug der Truppe und einen zivilen Umgang mit dem Kurdenproblem forderten, haben nichts gebracht. Der Sinn der ganzen Übung passt eben zu gut in die neue Sicherheitsstrategie: Mit mehr Soldaten vor den Gebäuden und auf den Strassen darf sich nicht nur das diplomatische Milieu über „höhere Sicherheit” freuen, sondern die ganze Bevölkerung soll sich sicherer fühlen. Das meint zumindest die Regierungspräsidentin, Erziehungs- und Militärdirektorin Martine Brunschwig-Graf: „Durch ihre punktuelle Präsenz in Genf, ihre Motivation und ihr persönliches Engagement verstärken die Militärs die Glaubwurdigkeit der Sicherheitspolitik des Bundes” heisst es in ihrer Antwort im Namen der Genfer Regierung auf die erwähnte Motion.
Der Genfer Grossrat hat die Motion angenommen. Es ist zu hoffen, dass die Genfer Regierung und die Armee rasch begreifen, dass diese verstärkte Glaubwüdigkeit der Sicherheitpolitik in Genf nicht erwünscht ist.