Man tut gut daran, Traditionen zu wahren. Sie dienen der Identitätsbildung und dem Zusammenhalt. Es fragt sich nur, welche Identitäten gefördert werden.
Mit der Schweizer Armee ist es wie mit der Schokolade: Wer immer es wagt, ein Wort gegen sie einzuwenden, wird als Miesepeter gebrandmarkt, der keine Ahnung hat von den wahren Werten der Nation oder der Schokoladenherstellung. Die Armee, genauso wie die Schokolade, der Käse und (wenn auch je länger je weniger) das Bankgeheimnis, gehört zu den überlieferten Mythen unseres Landes. Man weiss zwar nicht genau, wozu sie gut sind, aber man verteidigt sie immer weiter, koste es, was es wolle.
Das öffentliche Leben in der Schweiz ist noch immer stark militarisiert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem man keinem Soldaten auf der Strasse, im Restaurant oder im Zug begegnet. Diese Omnipräsenz der Armee im Alltag führt zur Akzeptanz, die diese in ihrem Kern gewalttätige Institution in unserer Gesellschaft noch immer hat.
Geschlechterrollen
Was soll man von einem Land halten, das 40 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts noch immer das Bild des «Bürger-Soldaten» hochhält und damit die Bürgerrolle an die Verpflichtung eines «Dienstes am Vaterland» knüpft.
Schliesse für einen Moment die Augen und stell Dir eine typische Situation im Leben einer Schweizer Familie vor. Es ist Morgen. Der Vater bereitet sich darauf vor, in den WK einzurücken, das Gewehr unter dem Arm. Die strahlende und stolze Mutter verspricht ihm, dass sie dann auf die Quartierpost gehen und ihm ein Fresspäckli schicken wird, damit es ihm an nichts fehlt. Die Kinder hingegen beobachten ihren Vater etwas perplex und fragen ihn schliesslich: «Papa, warum gehst Du in die Armee? Das bringt doch nichts.» Ein schwieriger Moment für die beiden Erwachsenen. Wie sollen sie den Kindern die Wichtigkeit des militärischen Einsatzes des Vaters erklären. Genau hier setzen dann die alten klischierten Geschlechterrollen ein. Den Kindern wird geduldig erklärt, dass die Männer eben stark und mutig sind und sie deshalb ihre Nation und Familie beschützen müssen. Die Frauen hingegen sind zu schwach und weich, um sich in solche Angelegenheiten einzumischen. Kurzum: die Männer sind als Soldaten vorgesehen, die Frauen als Mütter. Alle haben ihre vorgegebene Rolle zu spielen.
Auch wenn dieses Szenario ein bisschen überzeichnet scheint, so verweist es doch auf gewisse Vereinfachungsmechanismen, die wir alle im Alltag nur allzu oft anwenden.
Die Armee ist de facto eine der Haupttriebkräfte hinter der Vorstellung von asymetrischen Geschlechterverhältnissen, denn sie ist in ihrem Kern als männlich definiert. Auch die Zulassung von Frauen zur Armee ändert daran nichts, da sollte man sich keine Illusionen machen. Mit der Initiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht!» leistet die GSoA einen wichtigen Beitrag dazu, dass die überholten Frauen- und Männerbilder aus dem vorletzten Jahrhundert endlich in der Mottenkiste verschwinden.