Die Skandal-Kaskade von 1989/90

Der Erfolg der GSoA-Initiative heizte die Fichen- und P-26-Skandale und den Kulturboykott an.

Die Abstimmung über die GSoA-Initiative fällt in eine Zeit der Skandale. 1988 brach die Kopp-Affäre aus, die zum Rücktritt der ersten Bundesrätin führte. Die Warnung, die sie als Justizministerin ihrem Mann, der mit einer fragwürdigen Firma verbandelt war, durchgegeben hatte, enthüllte den politisch-wirtschaftlichen Filz. Die im Januar 1989 eingesetzte Untersuchungskommission PUK-EJPD fand dann etwas, das sie gar nicht gesucht hatte: 900‘000 Fichen über AusländerInnen und dissidente SchweizerInnen! Deren Bekanntgabe zwei Tage vor der Abstimmung über eine Schweiz ohne Armee kam zu spät, um das Resultat zu beeinflussen. Aber dieses befeuerte danach die Skandalisierung und Protestbewegung.

Fichen und P-26

Am 3. März 1990 demonstrierten 35‘000 Personen auf dem Bundesplatz gegen den Fichenstaat und für Transparenz. In der Folge reichten 300‘000 Personen ein Einsichtsgesuch ein. Gleichzeitig wurde für die Volksinitiative Schweiz ohne Schnüffelstaat (SOS) gesammelt. Als sie 1998 endlich zur Abstimmung kam, erreichte sie allerdings bloss noch 25%. In den Fichen selber fanden Offiziere und Soldaten Hinweise, dass es zusätzlich zur Registratur des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements noch eine militärische geben musste. Die im März 1990 eingesetzte PUK-EMD bestätigte acht Monate später die «militärische Überwachung innenpolitischer Aktivitäten».

Wie die PUK-EJPD fand die PUK-EMD zusätzlich etwas, das sie gar nicht gesucht hatte: eine Geheimtruppe namens P-26! Die ParlamentarierInnen kritisierten am 17. November 1990, dass diese «keiner demokratischen Kontrolle unterstand» und «eine potenzielle Gefahr für die verfassungsmässige Ordnung» darstellte. Oberst Albert Bachmann, der geistige Pate der 1981 gegründeten «Widerstandsorganisation», war Hauptautor des Zivilverteidigungsbuches gewesen. Dieses Ende 1969 vom Bundesrat herausgegebene Machwerk trug totalitäre Züge und richtete sich insbesondere gegen ArmeekritikerInnen. Die ebenfalls gegen die Linke gerichtete P-26 wurde Ende 1990 aufgelöst.

Dürrenmatts Grabrede

Im gleichen Jahr 1990 gab es einen von der WoZ initiierten Boykott: «Keine Kultur für den Schnüffelstaat». Er richtete sich gegen die Beteiligung an der Jubiläumsfeier 1291-1991. Die GSoA Zürich entwickelte daraus die Kampagne «700 Jahre sind genug». Höhepunkt der Skandal-Kaskade war die Rede des Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt zur Ehrung des tschechoslowakischen Präsidenten Vaclav Havel am 22. November 1990 in Zürich. Unter dem Titel «Die Schweiz – ein Gefängnis» rechnete er mit der Geistigen Landesverteidigung ab: «Das Gefängnis braucht keine Mauern, weil seine Gefangenen Wärter sind und sich selber bewachen.» Die bislang offizielle Staatsideologie überlebte Dürrenmatts Grabrede – als Parteiideologie der SVP.