Doppelte Aufrüstung Putins und der Schweiz

Die gleichen Kreise, die Beihilfe zur Aufrüstung Putins leisteten, nützen nun deren Folgen aus, um die Schweiz aufzurüsten.

Könnte Putin seinen Krieg, insbesondere die Soldaten, noch finanzieren, ohne die massiven Geldleistungen, die in den letzten zwei Jahrzehnten aus der Schweiz in die russische Staatskasse flossen? Könnten seine Bomber noch fliegen, ohne die Spezialmaschinen, die er aus der Schweiz erhielt zur Herstellung deren Triebwerke? Warum weichen die Medien solchen Fragen aus? Es war ausgerechnet der NZZ-Chefredaktor Eric Gujer, der am 4. März 2022 einer Antwort am nächsten kam: «Dabei steckt der Kreml seit mehr als einem Jahrzehnt jeden Rohstoff-Dollar, den er zusammenkratzen kann, in die Modernisierung seiner Armee.»

Finanzquelle Rohstoffhandel

Mindestens zwei Drittel des russischen Rohstoffhandels laufen über die Schweiz. Die Summe, die Putin aus unserem «neutralen» Land «zusammengekratzt» hat, beträgt Abermilliarden von Dollars oder Euros oder Franken. Der Grossteil dieser Gelder stammt aus den Öl-, Gas-, und Kohlekonzernen in Genf und Zug. Die wichtigsten am Genfersee sind die vom russischen Oligarchen Gennadi Timtschenko mitgegründete Gunvor, die Vitol, der grösste Schweizer Multi, die von ehemaligen Kadern der Zuger Marc Rich (heute Glencore) gegründete Trafigura, die Litasco, Tochter der russischen Lukoil, und Rosneft, Eckpfeiler von Putins Staatskapitalismus. Der wichtigste Zuger Konzern für Putins Kriegskasse ist noch vor den 400 russischen Firmen, die im Handelsregister eingetragen sind, die Glencore. Der zweitgrösste Schweizer Multi ist an der russischen En+-Gruppe beteiligt, die den Aluminium-Giganten Rusal kontrolliert.Weiter besitzt er Anteile am grössten russischen Minenkonzern Norilsk Nickel, der dem Oligarchen Wladimir Potanin gehört. Zu den Konzernen, die nach Putins Überfall auf die Ukraine am Schwarzen Meer Tanker mit russischen Rohstoffen beladen liessen, gehörte auch die Glencore.

2016, als Putin wegen den Krim-Sanktionen finanziell in die Klemme geriet, trat Glencore als Retterin in der Not auf. Sie beschaffte mit dem Staatsfond von Katar und einer italienischen Bank 11 Milliarden Dollar zum Kauf von Aktien der Putin-Gesellschaft Rosneft. Damit sanierte Putin die Staats- und damit die Kriegskasse. Ein Jahr später bedankte sich Putin, indem er dem damaligen Glencore-Chef Iwan Glasenberg den Freundschaftspreis der Russischen Föderation verlieh.Von den Genfer und Zuger Bürgerlichen, die im National- und Ständerat unter Hinweis auf Putins Krieg für die Aufrüstung der Schweiz und die zügige F-35-Beschaffung stimmten, war nie irgendeine Kritik an Gunvor, Glencore, Gazprom oder Rosneft zu vernehmen. Als sich die Zuger Alternativen im Januar 2006 von den kurz zuvor angekommenen Putin-Gesellschaften wie Nord Stream distanzierten, distanzierte sich zwei Monate später auch Gerhard Pfister – von den Alternativen.

Finanzquelle Oligarchen

Neben den Konzernen sind auch die Oligarchen eine wichtige Finanzquelle für Putin. Wenn von den 150 bis 200 Milliarden russischen Vermögenswerten bislang weniger als 10 Milliarden sanktioniert wurden, liegt das nicht nur am mangelnden Willen. Es liegt auch an den fehlenden Informationen. 2020 haben die Bürgerlichen im National- und Ständerat einen Vorschlag von Bundesrat Ueli Maurer, auch Anwälte undTreuhänder dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen, verworfen. So bleiben die konkreten Besitzer eines Grossteils der Oligarchen-Vermögen unbekannt. Die beiden Hauptkämpfer für die Anwaltslobby waren zwei Mitte-Abgeordnete: der Genfer Nationalrat Vincent Maître und der Oberwalliser Ständerat Beat Rieder. Die drei bürgerlichen Parteipräsidenten Marco Chiesa (SVP), Gerhard Pfister (Mitte) und Thierry Burkart (FDP) haben jeweils im Sinne der Oligarchen und damit Putins gestimmt. Direkt im Russengeschäft steckt die SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Aus Rücksicht auf «Mitarbeiter und unser Geschäft» verbot die Chefin des Chemiekonzerns Ems im März 2022 ihren Angestellten den Gebrauch des Wortes «Krieg» für Putins «Sonderoperation». Erlaubt war der Begriff «Konflikt». Brisant im Zusammenhang mit der SVP, die aus «Neutralitätsgründen» Sanktionen gegen Russland bekämpft, ist die Tatsache, dass sie in der massiven Beihilfe für Putins Kriegskasse kein Problem sieht.

Maschinen für Bomber-Triebwerke

Dem Freisinn verdankt Putin zusätzlich zu den erwähnten Geldlieferungen die Triebwerke seiner Kampfjets. 2015 verbot das Seco im Zuge der Sanktionen nach Putins Krim-Annexion vom März 2014 den Export von Werkzeugmaschinen. Die Dual-Use-Güter wurden in Russland zu militärischen Zwecken verwendet. Im Rahmen eines massiven Lobbyings reichte die damalige Ständerätin Karin Keller-Sutter im Dezember eine Interpellation ein, die eine Lockerung der Ausfuhren forderte. Mitunterzeichnet wurde der Vorstoss von 22 bürgerlichen Standesvertretern. Am 10. März 2016 gab der freisinnige Bundesrat Johann Schneider-Ammann Entwarnung: «Und es darf keine ideologischen Prüfkriterien geben. Vielmehr haben wir uns strikt an die ganz sachlichen Kriterien zu halten.» Ein Hinweis auf die damaligen Bombenabwürfe durch Putins Luftwaffe über syrische Spitäler wäre wohl als «unsachlich» taxiert worden.

Nach Putins Überfall auf die Ukraine reagierte der Bundesrat auf einer Ebene sehr langsam und auf einer anderen sehr schnell. Langsam war er beim Ergreifen von Sanktionen und provokativ säumig beim Durchsetzen derselben. Schnell war er auf der ideologisch-militärischen Ebene. So forderte die Oberwalliser Bundesrätin Viola Amherd, die noch am 16. Februar versprochen hatte, die F-35-Vertragsunterzeichnung bis zur Volksabstimmung abzuwarten, am 2. März 2022 den Abbruch der Unterschriftensammlung. Dabei hat der F-35 nach sachlichen Kriterien mit dem Ukraine-Krieg nichts zu tun. Die russische Armee erweist sich als unheimlich barbarisch, aber auch unglaublich schwach. Mit dem Ukraine-Krieg sehr wohl zu tun haben all die Geldlieferungen in Putins Kriegskasse und Dual-Use-Exporte für dessen Luftwaffe.

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