Drohende Aushöhlung des Kriegsmaterialgesetzes

24.01.2023 – In der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates und des Ständerates liegen drei Motionen zur Nichtwiederausfuhrerklärung auf dem Tisch. Die GSoA verurteilt die Motion «Neutralität wahren, Stib stärken» des FDP-Ständerats Thierry Burkart aufs Schärfste. Diese Mogelpackung dient einzig und allein dazu, die Kriegsmaterialgesetzgebung auszuhöhlen und insbesondere indirekte Exporte an Länder wie Saudi-Arabien zu vereinfachen.

Weder die Motion der SP, der Mitte noch diejenige von Burkart werden irgendetwas daran ändern, dass das Neutralitätsrecht die Aufhebung der Nichtwiederausfuhrerklärung für einzelne Länder nicht zulässt. Die Motion Burkart will die Nichtwiederausfuhrerklärung für Länder, die «unseren Werten verpflichtet sind» und über ein «vergleichbares Exportkontrollregime» verfügen, vollständig abschaffen. Das einzige Ziel dieser Motion ist es, ein erneutes Schlupfloch im Kriegsmaterialgesetz zu schaffen, um der Rüstungslobby Kriegsmaterialexporte in Staaten, die Menschenrechte schwerwiegend verletzen, zu vereinfachen. Für die GSoA ist dies unhaltbar. Anja Gada, Sekretärin der GSoA, führt aus: «Die vorgeschlagene Änderung ist eine Mogelpackung. Direkte oder indirekte Exporte an die Ukraine, um die sich die aktuelle Debatte dreht, wären aufgrund des Neutralitätsrechts weiterhin nicht möglich. Indirekte Lieferungen nach Saudi-Arabien würden hingegen mit der Motion Burkart ohne jegliche Restriktionen legalisiert.» 

Nicht vereinbar mit Schweizer Neutralitätsrecht
Aufgrund des Neutralitätsrechts hat die Schweiz Konfliktparteien bezüglich Kriegsmaterialexporten gleich zu behandeln. Das Neutralitätsrecht ist in den Haager Konventionen kodifiziert und steht somit über dem Kriegsmaterialgesetz. Würde die Schweiz Deutschland erlauben, Waffen an die Ukraine weiterzuliefern, müsste sie dasselbe tun, wenn der Iran ein Gesuch stellt, um Rheinmetall-Kanonen an Russland weiterzuliefern. In diesem Fall würde der Bundesrat vor einem Dilemma stehen: Er bewilligt das Gesuch oder er verstösst gegen das Neutralitätsrecht. Somit befinden sich alle drei Motionen im Widerspruch zu den Grundsätzen des Neutralitätsrechts. 

Aushöhlung des Kriegsmaterialgesetz
Die Schweiz hätte mit der Abschaffung der Nichtwiederausfuhrerklärung keine Kontrolle mehr darüber, in welchen Staaten hiesiges Kriegsmaterial landen würde. Denn zahlreiche Anhang-2-Staaten, für die Burkart Lockerungen fordert, tätigen Kriegsmaterialgeschäfte mit Staaten, welche von der Schweiz keine Exportbewilligung erhalten würden. Dies höhlt das Kernanliegen des Gegenvorschlags der Korrekturinitiative aus, welcher erst im Mai 2022 in Kraft getreten ist und im Parlament breit abgestützt angenommen wurde. «Dass der Krieg in der Ukraine als erstbeste Gelegenheit seitens Bürgerlichen ausgenutzt wird, um der Rüstungslobby zuzudienen und das Exportregime zu lockern, ist beschämend», so Roxane Steiger, Sekretärin der GSoA.  Das Zitat aus Burkarts Vorstoss «Es dürften weiterhin keine Lieferungen mit dem Zweck erfolgen, Waffen an ein kriegsführendes Land weiterzugeben», zeigt, dass es um Profite für die Rüstungsindustrie und nicht um die Ukraine geht.

Ablenkung der zentralen Verantwortung der Schweiz im Ukraine-Krieg
Die GSoA steht auch der Motion der SP kritisch gegenüber. Zwar erkennt die GSoA das Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines völkerrechtswidrigen Krieges an, ist aber auch überzeugt, dass die Rolle der Schweiz in diesem Krieg nicht bei den Waffenexporten liegt. So wird bei der aktuellen Diskussion von der eigentlichen Verantwortung der Schweiz im Ukraine-Krieg abgelenkt. Nach wie vor läuft ein Grossteil des russischen Rohstoffhandels in Form von Transithandel über die Schweiz, wobei hiesige Konzerne seit Kriegsbeginn zusätzliche Milliardengewinne einstreichen und so noch immer täglich die Kriegsmaschine Putins füttern. Auch die Aufspürung russischer Oligarchengelder schreitet nicht voran. Gerade mal 8 der schätzungsweise 200 Milliarden Franken an Vermögenswerten auf Schweizer Bankkonten sind bisher eingefroren worden. Anja Gada macht klar: «Anstatt in einer Scheinsolidarität mit der Ukraine Waffenlieferungen an autoritäre Drittstaaten wie Saudi Arabien zu vereinfachen, würde das Schweizer Parlament besser daran tun, endlich die Verantwortung der Schweiz in diesem Krieg anzuerkennen und Regulierungen auf dem Finanz- und Rohstoffhandelsplatz in die Wege zu leiten.» 

Die GSoA fordert deshalb eine Übergewinnsteuer von Rohstoffkonzernen und die Enteignung russischer Oligarchen in der Schweiz, um so den sozialen und ökologischen Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren.

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