Feigheit wird mit Gefängnis bestraft

Mit ihrer Militärjustiz für Zivilpersonen steht die Schweiz im europäischen Umfeld alleine da: Weder in Deutschland, Frankreich, Österreich noch Italien gibt es sie. Der Fall der drei Journalisten, welche gemäss Anklage militärische Geheimnisse verletzt haben sollen (vgl. Kasten), wirft die grundsätzliche Frage auf, wieso die Schweiz hier eine Ausnahme ist.

«Wer vor dem Feinde aus Feigheit sich versteckt hält, flieht oder eigenmächtig seinen Posten verlässt, wird mit (lebenslänglicher) Freiheitsstrafe bestraft.»

Was sich wie ein hoffnungslos veralteter, längst der Vergangenheit angehörender Gesetzesartikel liest, ist leider immer noch Teil der schweizerischen Realität: Artikel 74 des Militärstrafgesetzes (MStG) von 1927 ist nach wie vor in Kraft. Immerhin wurde das Strafmass in den letzten achtzig Jahren gesenkt. Während «Feigheit» 1918 noch mit dem Tode oder mit Zuchthaus bestraft wurde, hat der «Täter» heute «bloss» noch mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen. So veraltet der zitierte Artikel ist, so veraltet ist der ganze Gesetzestext, der heute im Wesentlichen immer noch dasselbe unter Strafe stellt wie Anno 1927.

Überflüssiges Militärgesetz

Veraltet ist nicht nur der Gesetzestext an sich, sondern auch die Idee, dass es über das zivile Strafrecht hinaus einen Bedarf an eigenen Rechtsnormen im militärischen Bereich gibt. So führt das MStG einen Strafnormenkatalog für Verbrechen gegen Leib und Leben oder für Vermögensdelikte, wie es ihn im zivilen Recht auch gibt. Wieso Mord, Totschlag, Körperverletzung, Diebstahl, Veruntreuung und Sachbeschädigung auch noch im Militärstrafgesetz geregelt sein müssen, leuchtet nicht ein. Straftatbestände im Zusammenhang mit Verletzungen des Völkerrechts können problemlos ins zivile Strafrecht übernommen werden. Ein grosser Teil des Militärstrafgesetzes ist aber schlicht und einfach überflüssig und kann ersatzlos gestrichen werden, wie beispielsweise die Gesetze betreffend Verletzung militärischer Geheimnisse.

Problematisch an der Militärjustiz sind nicht nur die speziellen Strafnormen, sondern auch die separaten Gerichtsstrukturen. Das Militärstrafgesetz unterstellt dabei nicht bloss Soldaten im Dienst unter die Militärgerichtsbarkeit, sondern für bestimmte Straftatbestände auch Zivilpersonen. Die drei SonntagsBlick-Journalisten mussten sich einem Militärgericht stellen, weil sie wegen eines angeblichen Verstosses gegen einen Militärstraf-Artikel angeklagt waren. Auch Verstösse von ZivilistInnen gegen den grotesken «Verstümmelungsartikel» würden von einem Militärgericht geahndet. Dieser Artikel stellt unter Strafe, wer sich durch Verstümmelung für den Militärdienst untauglich macht oder untauglich machen lässt (Art. 95 MStG).

Sondertribunale

Anlässlich der Behandlung einer parlamentarischen Initiative von GSoA-Vorstand Josef Lang im Nationalrat im Oktober 2004 sagte der freisinnige Nationalrat Kurt Fluri, seines Zeichens selbst Präsident eines Militärgerichts: «Wie bei der zivilen Gerichtsbarkeit kann es auch bei der militärischen Gerichtsbarkeit nicht sein, dass einzelne Fälle, die von einzelnen Kreisen der Bevölkerung als ungerecht beurteilt werden, zur Aufhebung der entsprechenden Institution führen können. Kein Mensch will ja die zivile Gerichtsbarkeit wegen allfälliger fraglicher Urteile aufheben.» Tja, Herr Fluri, nicht bloss die falschen Urteile führen zur Forderung nach Aufhebung der Militärjustiz. Störend ist bereits, dass die Schweiz mit der Militärjustiz über eigentliche Sondertribunale verfügt.

CIA-Fax-Affäre

Schweine in Uniformen

(fb) Am 17. April standen drei Journalisten des SonntagsBlicks in St.Gallen vor dem Militärgericht 6. Ihnen wurde vorgeworfen durch die Veröffentlichung eines Faxes des ägyptischen Aussenministeriums, das vom schweizerischen Auslandgeheimdienst abgefangen worden war, die Sicherheit der Schweiz gefährdet zu haben. Die Schweizer Militärjustiz verfolgte damit ausgerechnet jene Journalisten, welche eine breite Öffentlichkeit über die Existenz von CIA-Foltergefängnissen in Europa informiert hatten.

«Die Militärjustiz ist eine Schweinerei» fand die GSoA und stellte dies vor Prozessbeginn in einer Aktion bildhaft dar. Die Verbindung von Armeeuniformen und Schweineköpfen ergab dabei ein erstaunlich symbiotisches Bild.

Die Gerichtsverhandlung bot dann erschreckende Einblicke in das Funktionieren der Militärjustiz: der Gerichtspräsident führte gutgelaunt durch den Prozess während einige seiner Richterkollegen mit dem Schlaf kämpften. Fast hätte man lachen können über den komödiantischen Auftritt der Armeerichter in St.Gallen. Doch auch nach dem Freispruch für die drei Journalisten können ZivilistInnen vor ein Militärgericht gezerrt werden. Das ist bitterer Ernst.

 

GSoA-Aktion gegen die Schweinereien der Militärjustiz