Von Gleichberechtigung sind wir leider auch in der Schweiz noch weit entfernt, weshalb politische Aktionen wie der nationale Frauenstreik nach wie vor notwendig sind. Welche Kraft eine organisierte Frauenbewegung entwickeln kann zeigt auch ein Beispiel in Liberia. Auch aus friedenspolitischer Sicht ist dieses beeindruckend und weckt Hoffnung.
Oft werden Frauen nur als Opfer des Krieges gesehen. So sind es beinahe ausschliesslich Männer, die den Beginn eines Krieges befehlen, diese führen und Menschen töten. Oft sind es die Frauen, welche einen Grossteil der Lasten des Krieges tragen, als Getötete, Verstümmelte, Traumatisierte und Vergewaltigte, aber eben auch als Pflegerinnen, Angehörige, Ernährerinnen verwundeter und traumatisierter Männer und Kinder. Doch Frauen sind auch oft die stärksten Akteurinnen gegen den Krieg. Gerade auch wenn es um die Beendigung von Kriegen geht, hat die Frauenbewegung in der Vergangenheit immer wieder unglaubliche Stärke gezeigt. Auch wenn wir die Schweizer Geschichte anschauen: Es waren vor allem Frauen, die während des Ersten Weltkrieges die Demonstrationen gegen die Teuerung und den Lebensmittelmangel organisierten. Während die Männer in der Armee eingezogenen waren und nur ihren mickrigen Sold erhielten – Erwerbsersatz gab es damals noch nicht – mussten die Frauen ihre Familien ernähren. Sie kämpften erfolgreich für eine Verbesserung der prekären Situation. Noch vor der viel bekannteren Zimmerwalder Konferenz, gab es im März 1915 in Bern die «Internationale Konferenz sozialistischer Frauen gegen den Krieg», die Frauen unterschiedlichster Länder in der Forderung vereinigte, den Krieg zu beenden.
Schluss mit dem Bürgerkrieg
Vereint haben die Frauen weltweit im letzten Jahrhundert viel erreicht und auch kürzlich gelang ihnen in Liberia Beeindruckendes. Angestossen von Vertreterinnen unterschiedlicher religiöser Organisationen gelang es ihnen, sich über christliche und muslimische Religionsgrenzen hinweg, gemeinsam für eine friedliche Zukunft zu organisieren. Die in der «Women of Liberia Mass Action for Peace» organisierten Frauen veranstalteten die unterschiedlichsten gewaltfreien Proteste im ganzen Land. Es gab über Monate hinweg tägliche Proteste von weiss gekleideten Frauen. Sie beteten, sangen und demonstrierten auf öffentlichen Plätzen. Eine Hauptorganisatorin der Bewegung, Leymah Gbowee, rief die Frauen Liberias zum Sexstreik
auf.
Während des zweiten Liberianischen Bürgerkrieges 2003 erzwang die Organisation ein Treffen mit Präsident Charles Taylor und rangen ihm das Versprechen ab, Friedensverhandlungen mit den grössten Rebellenorganisationen in Ghana zu besuchen. 200 Frauen der Organisation trafen sich täglich zum Protest vor dem Hotel, in dem die Verhandlungen geführt wurden und veranstalteten schliesslich einen Sitzstreik vor dem Verhandlungsraum, den sie so lange blockierten, bis ein Friedensvertrag vorlag. Das nach dem Verhandlungsort benannte «Accra Comprehensive Peace Agreement» beendete den 14-jährigen Bürgerkrieg. Bei den ersten Wahlen nach dem Bürgerkrieg im Jahr 2005 wurde mit der ebenfalls in der Friedensorganisation aktiven Ellen Johnson Sirleaf erstmals eine Frau Präsidentin des Landes.
Frieden durch Gleichberechtigung
Das Engagement dieser Frauen wurde 2011 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er ging stellvertretend für viele andere engagierte Frauen an Leymah Gbowee und Ellen Johnson Sirleaf. Auch blieb die Wirkung dieser Bewegung nicht auf Liberia beschränkt: In anderen westafrikanischen Ländern wie der Elfenbeinküste oder in Nigeria organisierten sich darauf ähnliche Gruppen. Vergleichbare Erfolge wie in Liberia können diese zwar bisher nicht verbuchen, doch ihre Arbeit leistet einen stetigen Beitrag zu einer friedlicheren Welt. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig der Glaube an die Stärke der Zivilgesellschaft und insbesondere der Frauen ist und wie viel diese auch in katastrophalen Lagen bewirken können.
So ist es neben allen anderen guten Gründen, auch aus friedenspolitischer Sicht wichtig, die Frauenbewegung weltweit, wie auch in der Schweiz, zu unterstützen und sich für absolute Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen. Der nationale Frauenstreik am vergangenen 14. Juni war ein beeindruckendes Beispiel dafür und bietet Gelegenheit alte Fragen neu zu stellen. Über fünf Millionen militärische Diensttage sowie über eineinhalb Millionen Diensttage von fast ausschliesslich männlichen Dienstleistenden werden aus der EO bezahlt. Demgegenüber bleibt der Grossteil der familiären Betreuungsarbeit für Kinder und alte Menschen an Frauen hängen, die diese Arbeit nach wie vor unbezahlt leisten – mit jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten zu Lasten der Frauen, die in die Dutzende von Milliarden Franken gehen. Ein guter Grund für einen baldigen weiteren Streik: Wo sind die streikenden Väter und Söhne, die endlich Väter- oder Elternpflegezeit statt Wiederholungskurse oder EO für ihre weiblichen Angehörigen fordern?